Fuchs: „Jetzt gewinnen wir und es wird trotzdem kritisiert“

Christian Fuchs
Christian FuchsREUTERS
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Christian Fuchs, in der vergangenen Saison mit Leicester City sensationell englischer Meister geworden, spricht über das Leben nach dem Titel und blickt auf die Europameisterschaft zurück. Er sagt: „Jeder hat mit sich selbst gehadert.“

Die Presse: Ihr Klub Leicester City, der englische Meister, ist suboptimal in die neue Premier-League-Saison gestartet, hat aus vier Spielen ebenso viele Punkte geholt. Enttäuscht?

Christian Fuchs: Wir wären sicher gern etwas besser gestartet, aber man darf nicht vergessen, wo wir herkommen. Der Klub ist 2015 fast abgestiegen. Wir müssen einfach unsere Tugenden auf den Platz bringen, also auch kämpfen bis zum Umfallen. Gelingt uns das, werden wir wieder unsere Konstanz finden und eine geile Saison spielen. Davon bin ich überzeugt.

Hat der Meistertitel mit dem Underdog Ihr Leben verändert?

Ja. Die gestiegene Aufmerksamkeit ist gewaltig, wenngleich sie ihren Preis hat. Als der Titelgewinn feststand, hat mein Handy nonstop geläutet, das war ein ziemlicher Zirkus. Am Tag danach mussten wir 180 Presseanfragen absagen.

Am Mittwoch haben Sie mit Leicester City in Brügge Champions League gespielt und 3:0 gewonnen. Hatten Sie nach Ihrem Abschied von Schalke 2015 insgeheim schon mit der Königsklasse abgeschlossen?

Natürlich hofft man, irgendwann noch einmal Champions League zu spielen, das ist immer ein großes Ziel. Es mit Leicester geschafft zu haben, macht mich aber schon besonders stolz. Wir haben in der vergangenen Saison einen riesigen Aufwand dafür betrieben und wurden letztlich belohnt.

Wie nehmen Stadt und Fans dieses Abenteuer wahr?

Mit Leicester die Champions-League-Hymne zu hören, ist für alle Beteiligten etwas Besonderes. Ich weiß nicht, wie die Leute damit umgehen werden. Das wird sich dann erst wirklich beim ersten Heimspiel gegen Porto in eineinhalb Wochen zeigen.

Neben Porto und Brügge trifft Leicester in der Gruppenphase auf Kopenhagen. Vermissen Sie die ganz großen Namen?

Nein, absolut nicht, denn unterschätzen darfst du ohnehin niemanden. Ich habe es bei der Europameisterschaft selbst schmerzhaft erfahren, was es heißt, in einer vermeintlich machbaren Gruppe zu landen . . .

Hat Sie das Aus bei der Euro lang beschäftigt?

Natürlich war ich unglaublich enttäuscht, aber ich konnte die Sache relativ schnell abhaken, hatte bald viele andere Gedanken im Kopf. Ich habe Zeit mit meiner Familie verbracht, die ohnehin rar gesät ist. Danach hatte schon bald die Vorbereitung mit Leicester begonnen. Es ging Schlag auf Schlag.

Ihr Teamrücktritt wurde von einigen Nebengeräuschen begleitet, im ÖFB-Quartier in Mallemort soll ja angeblich ein Teller geflogen sein. Hat Sie diese Meldung nicht maßlos geärgert?

Ganz ehrlich, ich habe diese Geschichte ganz locker aufgenommen, sie hat mich amüsiert. Das war eine ganz klare Zeitungsente, da war einfach nichts dahinter. So etwas nehme ich nicht ernst, da kann ich nur schmunzeln. Mich würde es nur dann ärgern, wenn ein Funken Wahrheit dran wäre und es an die Öffentlichkeit gelangen würde.

Hat es denn im Teamcamp gekriselt, gab es Streit?

Nein, überhaupt nicht. Wir hatten eine gute Vorbereitung auf diese Euro, nach dem Portugal-Spiel sogar noch immer alles in der Hand. Dass du nach einer Niederlage gegen Island und dem damit verbundenen Ausscheiden enttäuscht bist, ist doch eine ganz normale Reaktion. Jeder hat mit sich selbst mehr gehadert als mit der Mannschaft, weil er nicht das gezeigt hat, was er in der Qualifikation gezeigt hatte.

Wie haben Sie das erste Länderspiel nach Ihrem Rücktritt verfolgt?

Nachdem es kein TV-Signal gab, war ich via Live-Ticker am Handy voll dabei. Ich habe bis zum Schluss mitgezittert, eine spezielle Herausforderung.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem 2:1 gegen Georgien zum Auftakt der WM-Qualifikation?

Für mich war es der Beweis, dass die Mannschaft noch funktioniert. Ich bin da ganz bei der Mannschaft. Du musst in Georgien erst einmal gewinnen, noch dazu nach so einer Enttäuschung wie der Euro. In der Vergangenheit wurden wir oft dafür kritisiert, dass wir genau solche Spiele nicht gewonnen haben. Jetzt gewinnen wir sie und es wird trotzdem kritisiert.

Sie wurden kurz vor Ende der Transferzeit mit Liverpool in Verbindung gebracht. Gab es ein Angebot für die Anfield Road?

Nein. Ein Wechsel war auch nie ein Thema für mich, obwohl Liverpool eine große Mannschaft ist. Von solchen Klubs träumt man. Aber ich bin glücklich bei Leicester, fühle mich hier wohl.

Ihr Vertrag endet 2018, danach streben Sie eine Karriere als Football-Kicker in den USA an. Gibt es diesbezüglich schon konkrete Kontakte?

Nein, so einfach ist das nicht. Natürlich wäre die Gegend um New York und die Ostküste interessant, ich verfolge dieses Ziel ambitioniert. Noch ist es gedanklich aber weit weg, ich bin zu 100 Prozent Fußballer. Ich übe derzeit keine Field Goals (lacht).

ZUR PERSON

Christian Fuchs (30) bestreitet derzeit seine zweite Saison für den englischen Titelträger Leicester City, heute trifft der Klub auf Burnley. Bei der Euro war er Kapitän des Nationalteams, kurz darauf trat er von diesem zurück. Für die Austria'16 ist Fuchs einer von fünf Nominierten in der Kategorie „Erfolg International“. [ AFP ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2016)

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