Schalke 04 auf dem Boden der Realität

Schalke 04 erlebt bislang eine Bundesligasaison der Enttäuschungen. Nächste Woche empfangen die Königsblauen in der Europa League Österreichs Meister Salzburg. [
Schalke 04 erlebt bislang eine Bundesligasaison der Enttäuschungen. Nächste Woche empfangen die Königsblauen in der Europa League Österreichs Meister Salzburg. [(c) APA/AFP/PATRIK STOLLARZ
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Der FC Schalke verzeichnete den schlechtesten Saisonstart seit 1985, obwohl viel Geld in Führungsriege und Mannschaft investiert wurde. Trainer Weinzierl weiß: „Wir sind gefordert.“

Gelsenkirchen/Wien. Wer beim FC Schalke 04 einen Vertrag als Profifußballer unterschreibt, der sollte wissen, worauf er sich einlässt. „Wenn es schlecht läuft, dann ist es nicht so angenehm, durch Gelsenkirchen zu laufen. Da wird man auch schon mal angemacht“, sagte Marco Höger dieser Tage. Höger spricht aus Erfahrung, er trug fünf Jahre Königsblau.

Schalke ist eine Marke, hat in der hoch gelobten Bundesliga neben Bayern und Dortmund die größte Strahlkraft aller Klubs. Wer hier im Ruhrpott spielt, der trägt besondere Verantwortung, steht unter spezieller Beobachtung. Da ist es naheliegend, dass auch die Erwartungen hohe sind. „Schalke“, meint Jahrhunderttrainer Huub Stevens, „ist extrem.“ Mit 145.000 Vereinsmitgliedern ist Schalke weltweit die Nummer vier, auch hier spielen die Bayern in einer eigenen Liga. Die Bindung zu den Fans ist außerordentlich, seit 2012 gibt es für sie sogar einen eigenen Friedhof in Sichtweite der Heimstätte, der exakt 1904 Verstorbenen Platz bietet. Die Anlage ist einem Stadion nachempfunden, natürlich dürfen auch Fahnen, Mittelkreis, Tore und Fluchtlicher nicht fehlen.

Trainer haben bei Schalke seit jeher einen schweren Stand. Tradition verpflichtet eben, in der jüngeren Vergangenheit wurden Roberto di Matteo und Andre Breitenreiter den Anforderungen nicht gerecht. Seit dieser Saison hat Marcus Weinzierl das Sagen. Das Vertrauen der Vereinsführung in den 41-Jährigen war bei dessen Bestellung groß. Weinzierl, der zuvor drei Jahre Augsburg trainierte, erhielt einen stattlichen Dreijahresvertrag. Neben einem neuen Coach rückte mit Christian Heidel (Mainz) auch ein neuer Sportdirektor an, Neuverpflichtungen wie das Schweizer Toptalent Breel Embolo (Basel), Evgen Konopljanka (FC Sevilla) oder Benjamin Stambouli (PSG) sollten den Erfolg garantieren.

Der Saisonstart aber mutet wie ein einziges Missverständnis an. Nach drei Spielen stehen die Knappen noch ohne Punkt und ohne Tor da, das war zuletzt vor 31 Jahren der Fall. Nur Bremens Bilanz (2:12 Tore) ist noch dürftiger.

Der Druck wächst

Schalke wollte mit neuen Gesichtern und frischem Elan die Enttäuschungen der Vergangenheit vergessen machen. Stattdessen steht man schon am vierten Spieltag unter gewaltigem Druck. „Wir sind gefordert“, sagt der bereits angezählte Weinzierl vor dem heutigen Gastspiel (20 Uhr, live in Sky) bei Peter Stögers formstarken Kölnern. Weinzierl verwies auf den großen Veränderungsprozess, bat um Geduld: „Wir haben nicht nur die Mannschaft verändert, sondern auch den Grundgedanken. Wir wissen, woran wir zu arbeiten haben. Die Abläufe müssen sich verbessern.“

Die jüngste 0:2-Niederlage in Berlin war ein herber Dämpfer, hatten die Schalker drei Tage zuvor zum Europa-League-Auftakt gegen Nizza (1:0) spielerisch doch weitestgehend überzeugt. Gegen die Hertha raubten „zwei kapitale Böcke“ (Zitat Heidel) den Gästen die Chance auf Zählbares, Kapitän Benedikt Höwedes wurde mit seiner Kritik deutlicher. „Wir haben die letzte Agilität und Bereitschaft nicht an den Tag gelegt. Die letzte Konzentration und der letzte Wille haben gefehlt.“ Doch statt in Berlin vom eigenen Anhang verspottet und ausgepfiffen zu werden, gab es aufbauenden Applaus. Noch also üben sich die Fans in ungewohnter Geduld. Höwedes: „Wir müssen ruhig bleiben, kommen da nur gemeinsam raus.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2016)

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