Mauro Icardi: Wer Fanatismus mit Offensive begegnet

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FBL-ITA-SERIEA-CHIEVO-INTER(c) APA/AFP/GIUSEPPE CACACE
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Icardi, 23, ist Inter Mailands Kapitän und bester Torschütze, wird aber von Fans angefeindet, weil er sie in seiner Biografie angreift. Sein Vertrag wurde bis 2021 verlängert.

Mailand/Wien. Ab welchem Zeitpunkt sind Beschimpfungen, Proteste, Schmähungen oder rüde Anfeindungen nicht länger zu dulden? Selbst Profis müssen sich nicht alles gefallen lassen, nur weil es „part of the game“ ist. Freilich, nicht jeder Kicker ist auf der Fantribüne bereits vor dem ersten Torschuss beliebt, jeder hat auch seine Vorgeschichte, andere Karrierestationen als gedacht. Mitunter kann ja schon ein einziges Tor diese Stimmung schnell drehen.

Es gibt sportliche Negativserien – dann muss es ein Profi jedoch aushalten, ausgepfiffen zu werden in dieser Unterhaltungsbranche. Was aber geschieht, wenn die Grenze verschwimmt, es kein Einsehen gibt und Sportler schlecht beraten in die Offensive gehen?

„Nimm die Binde ab, du Clown!“

Bei Rapid gingen rund um Maximilian Entrup wegen seiner Austria-Zeit die Wogen hoch, nun wird das ganze Team ausgebuht, ausgepfiffen für sehr schwache Spiele. In Augsburg wird von Anhängern mittels Transparents der Rauswurf des Wieners Georg Teigl („Winterpause nützen, Teigl abschieben“) verlangt, weil sich der 25-Jährige tatsächlich in Leipzig für eine Begrüßung bedankt hat. In beiden Fällen müssen PR-Abteilungen und Chefetage ihr Geschick beweisen.

Weitere Beispiele gäbe es sonder Zahl, heikel aber ist der Fall von Mauro Icardi. Der Argentinier, 23, ist Kapitän von Inter Mailand – und dennoch bei den Anhängern unten durch. Ihm prallt im Meazza-Stadion blanker Hass entgegen, die „Ultras“ verzeihen ihm seine Biografie „Sempre Avanti“ nicht. Die dringende Notwendigkeit, in diesem Alter bereits einen Karriererückblick abzuliefern, sei dahingestellt, geschickt waren die Aussagen keinesfalls. „Inters Fans sind teilweise einschüchternde Gestalten. Ich bin bereit, mich jedem Einzelnen zu stellen. Vielleicht wissen sie nicht, dass ich in dem Viertel Rosarios mit Südamerikas höchster Kriminalitätsrate aufgewachsen bin.“ Die Reaktion der Nerazzurri? „Icardi, wird sind fertig mit dir. Also nimm die Binde ab, du Clown. Das ist, was wir verlangen“, stand bei Heimspielen in der Curva Nord auf Bannern zu lesen.

Drei Elfermeter verschossen

Icardi scheint es zu belasten, er vergab bereits drei von vier Elfmetern in dieser Saison und hatte damit großen Anteil an der 1:2-Niederlage gegen Cagliari am Sonntag. Spätestens, als sein Trikot, das er nach Abpfiff herschenken wollte, kurzerhand zurückgeworfen wurde, war endgültig klar, dass der Argentinier mit einem Marktwert von 40 Millionen Euro ein Imageproblem hat. Dabei hat er seinen Vertrag erst bis 2021 verlängert, mit sechs Toren und zwei Vorlagen ist er doch Inters bester Spieler . . .

Zimperlich ist Icardis Umgang mit den Fans also nicht. Zieht man in Betracht, schrieb die „Gazzetta“, dass vor seinem Haus Transparente aufgehängt wurden und Protestkundgebungen stattgefunden haben, sei der Unmut nachvollziehbar. Er jedoch prahlt mit seinem Auftreten: „In der Kabine wurde ich für die Beschimpfungen gefeiert, weil sich zuvor niemand getraut hatte, sich mit einem Anführer der Fans anzulegen.“

Nicht nur in Mailand, auch in Argentinien findet Icardi kaum Zuspruch. Medien berichten einstimmig über den Umstand, warum der Stürmer in der „Albiceleste“ keine Chance habe: Lionel Messi habe sein Veto eingelegt, weil Icardi seinem Freund Maxi López die Ehefrau ausgespannt hat. Dass dieses Kapitel in der umstrittenen Biografie nicht ausgelassen, sondern bestätigt und sogar überaus verkaufstauglich umschrieben wurde, ist weiter nun nicht verwunderlich. Die einstige Geliebte ist übrigens seit 2013 auch Icardis „Beraterin“.

Wetten, dass Mauro Icardi, sollte er Argentinien zur WM 2018 und Inter an die Spitze der Serie A schießen, wieder ein Held ist?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2016)

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