Francesco Totti: Audienz beim letzten Kaiser von Rom

Sciarpe e striscioni per Francesco Totti Scarf and banner for Totti Roma 03 04 2016 Stadio Olimpico
Sciarpe e striscioni per Francesco Totti Scarf and banner for Totti Roma 03 04 2016 Stadio Olimpico(c) imago/Insidefoto (imago sportfotodienst)
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Francesco Totti, 40, trägt seit 23 Jahren das Trikot der AS Roma, in der Ewigen Stadt gilt er als Heiligtum. Heute empfängt der Altmeister im Stadio Olimpico die Wiener Austria.

Jeder Fußballklub hat seine Legenden, die größten erlangen diesen Status schon während ihrer aktiven Zeit. In Rom erzählt man sich seit über zwei Jahrzehnten die außergewöhnliche Geschichte des Francesco Totti. Es ist eine Geschichte mit Seltenheitswert, eine für Fußballromantiker. Totti, ein gebürtiger Römer, hat während seiner bewegten Laufbahn ausschließlich für einen Klub, für AS, gespielt.

Schon in jungen Jahren gab es für ihn nur AS Roma, er himmelte Rudi Völler, Bruno Conti und Giuseppe Giannini – später sogar bei Sturm Graz –, an. Als eines Tages Klubvertreter des Stadtrivalen Lazio im Hause Totti vorstellig wurden, war das Gespräch schnell beendet, obwohl Mutter Fiorella glühende Lazio-Anhängerin war. „Ich will nur die Roma, Lazio niemals!“ Mittlerweile spielt Totti seit 23 Jahren für seine große Liebe, lebt für diesen Klub, für nicht wenige ist er sogar der Verein. Der Kultkicker genießt einen Sonderstatus, weswegen er angeblich seit 15 Jahren nicht mehr im Stadtzentrum gewesen sein soll. Dabei ist es einer von Tottis größten Wünschen, ungestört die Via Del Corso entlangzuspazieren. Dies ist ihm aber genauso wenig möglich wie in die Kirche zu gehen. Es sei ihm peinlich und unangenehm, während der Messe nach Autogrammen gefragt zu werden. Totti, 40, lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern am Stadtrand in einem zweistöckigen Loft, nur dort findet er seine Ruhe.

Dennoch wollte der Ausnahmefußballer nie etwas anderes als in Rom zu spielen. „Die Roma ist alles für mich, alles, was ein Mensch haben kann: Leidenschaft, Liebe, Freude.“ Dabei ist es nicht so, dass Totti im Lauf der Jahre nicht auch Optionen gehabt hätte. Doch egal, ob Sampdoria Genua, AC Milan oder sogar Real Madrid, sämtliche Lockrufe blieben unerhört. Aus „Liebe und Faulheit“ habe er seine Heimat nie verlassen. „Ich habe immer gehofft, bis zu meinem Karriereende nur ein Trikot zu tragen. Ich bin als Römer und Roma-Fan geboren und so werde ich auch sterben.“

Totti auf der Bank? Affront!

Genau deshalb macht es Totti auch nichts aus, dass seine Vita nicht mit jener von Messi oder Ronaldo mithalten kann. Nur einmal gewann der Weltmeister von 2006 die Serie A (2001), immerhin zweimal den Pokal (2007, 2008). Totti zehrt heute noch von den Triumphen längst vergangener Tage, er sagt: „Ein Scudetto in Rom zählt wie zehn Meisterschaften anderswo.“

Für Herbert Prohaska, in der Meistersaison 1982/1983 in Italiens Hauptstadt engagiert, ist Totti für den Verein Fluch und Segen zugleich. Er sei „natürlich der größte Spieler“, der je das Roma-Dress getragen hat. Allerdings könne selbst der schier unantastbare Liebling der Massen das Rad der Zeit in der Ewigen Stadt nicht zurückdrehen. „Für den Trainer“, sagt Prohaska im „Presse“-Gespräch, „ist Totti ein Klotz am Bein. Alle wollen ihn immer noch sehen, aber er spielt halt mittlerweile wie ein 40-Jähriger.“ Es fehle an Schnelligkeit, sein läuferisches Vermögen ist nicht mehr mit jenem eines 20-Jährigen zu vergleichen. Totti aber auf der Bank schmoren zu lassen, ist jedes Mal aufs Neue ein Affront gegen das römische Publikum, das ihn so bedingungslos liebt.

Gegen Austria könnte Totti heute Abend (21.05 Uhr, live Puls 4, Sky) am dritten Spieltag der Europa League dennoch in der Startfeld stehen, weil die Elf von Luciano Spalletti ihre Kräfte primär in die Serie A investiert. Liefert der Altmeister mit Toren und Vorlagen Argumente, dann scheint selbst eine Verlängerung des im Sommer auslaufenden Vertrags nicht ausgeschlossen. Erst vor wenigen Wochen hat Totti gefragt: „Wenn ich so gut drauf bin, wenn mein Kopf weiter so gut funktioniert, warum soll ich ans Aufhören denken?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2016)

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