AS und Lazio prägen Rom, aber auch Squadra Azzurra und EM 2020 bewegen.
Rom. Die Ewige Stadt wird von Touristen gestürmt, auch noch Mitte Oktober. Rom pulsiert, berührt mit seinem Charme. Wer nur über die Oberfläche flaniert, übersieht alle Probleme. Dabei gibt es etliche. Etwa das von Bürgermeisterin Virginia Raggi ausgesprochene Nein zur Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024. Es hat alte Gräben wieder tief aufgerissen.
Für Raggi, seit vier Monaten im Amt, sei die Durchführung dieses Sportereignisses nur auf den ersten Blick reizvoll. „Olympia ist ein Traum, der ab einem gewissen Punkt zum Albtraum wird“, warnte die Römerin vor explodierenden Kosten trotz fehlender Nachhaltigkeit. Außerdem bringe Olympia schmutzige Geschäfte mit sich, und damit habe Italien genug Erfahrung. Das Urteil der 38-Jährigen: „Ein Geschäft für die Lobby, nur Schulden für die Bürger.“
Diese Entscheidung hat bei der Bevölkerung gemischte Reaktionen hervorgerufen. Gegner sehen in der Ablehnung von Olympia eine verpasste Infrastrukturchance, die sich nun lang nicht mehr bieten wird.
Unterstützer wie die 52-jährige Francesca, eine Frau der Mittelschicht, applaudieren. Die Stadt habe andere Hürden zu überwinden, bemerkt sie, es fehle an allen Ecken und Enden am Geld, für Nahverkehr, Straßenbau und Schulen. Olympia wäre da nur eine weitere Hypothek für die Zukunft.
Vier EM-Spiele 2020 in Rom
Anders aber denkt Rom, das sich heute noch mit Altlasten der Olympischen Spiele 1960 herumschlägt, wenn es sich um Calcio handelt. Der im Vergleich zu Olympia verhältnismäßig mickrige Aufwand im Rahmen der in 13 verschiedenen Städten ausgetragenen Fußball-EM 2020 wird mit Freude gestemmt, in Rom findet neben drei Vorrundenspielen auch ein Viertelfinale statt.
Einen Tag nach ihrem Olympia-Veto sprach also Raggi plötzlich von der „großen Ehre“, Ko-Gastgeber der Euro sein zu dürfen. und die Kosten? Sie verlor darüber kein Wort. 2020 werden im Stadio Olimpico also Anhänger der rivalisierenden Klubs AS Roma und Lazio Rom nebeneinander Platz nehmen, „das ist sonst ein undenkbares Szenario“, sagt Francesca, schon immer Roma-Fan. Aber es sei doch die Squadra Azzurra, dieses Team belebe Italien.
Das Derby della Capitale ist den Römern auch deswegen so heilig, weil die Klubs aus der Hauptstadt gegenüber jenen aus der Modemetropole Mailand oder der Autostadt Turin in der Vergangenheit fast ausschließlich das Nachsehen hatten. Momentan hat wieder AS das Sagen in Rom, der Totti-Klub ist Tabellenzweiter der Serie A. Die nächste Chance, die Kräfteverhältnisse zu ändern, hat Lazio am 4. Dezember. (cg)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2016)