Tabellenführer RB Leipzig: Ein Farbtupfer in Stier-Kunstblut

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FILES-FBL-GER-BUNDESLIGA-FIVE(c) APA/AFP/PATRIK STOLLARZ
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RB Leipzig und Trainer Ralph Hasenhüttl verteidigen heute erstmals die Tabellenführung, der Sensationsaufsteiger ist in Freiburg zu Gast. Der Steirer sagt: „Wir haben uns Respekt erarbeitet, sind eine Bereicherung.“

Es ist fast unheimlich. Sechs Spiele in Folge haben die Aufsteiger von Rasen-Ballsport Leipzig in der deutschen Bundesliga gewonnen. Sie sind Tabellenführer, drei Punkte vor Abonnementmeister Bayern München und pflegen einen Stil, der nach dem 3:2 über Bayer Leverkusen als „Überfallfußball“ gepriesen wurde. All das beruht auf irrwitziger Laufarbeit und Disziplin der Spieler. Trainer Ralph Hasenhüttl vertieft in der täglichen Arbeit die von Sportdirektor Ralf Rangnick gepredigte Philosophie des „Arbeitens gegen den Ball“. Heute treten sie in Freiburg (20.30 Uhr, live Sky) gegen einen Klub an, der eine ähnliche Haltung mit vergleichbarer Intensität lebt.

Die neue Geschichte beider Klubs beginnt am 7. März 2016 in der zweiten Liga. Leipzig kommt mit sechs Punkten Vorsprung nach Freiburg und verliert im dichten Schneetreiben mit 1:2. In der Folge quält sich Leipzig zum Saisonende, Freiburg legt einen Lauf hin und gewinnt die Liga vor Leipzig. Ein paar Wochen später übernahm Hasenhüttl als neuer Trainer. Er hatte im Jahr zuvor mit Ingolstadt den Aufstieg geschafft, den Klub ohne Zittern oben gehalten. Er machte den Leipzigern Beine: „Wir haben eine erschreckend gleichartige Vorstellung vom Fußball.“

Eigene Zimmer

Seit Oktober 2015 kicken die Leipziger in ihrem Trainingszentrum. Es liegt unweit des alten Zentralstadions, das für die WM 2006 zu einer Arena mit 42.000 Sitzplätzen umgebaut worden ist. Hasenhüttls Büro hat sechs Trainingsfelder, einen supermodernen Turnsaal, eine Kraftkammer für den Nachwuchs, eine für die Erste – und getrennte Speisesäle. Jeder Profi hat sein eigenes Zimmer, wenn zwei Trainings an einem Tag angesetzt sind, verbringt er dort die Regenerationszeit.

Rund 35 Millionen Euro hat sich der Verein von Dietrich Mateschitz die 13.500 Quadratmeter große Anlage kosten lassen. Sie erinnert an das RB-Zentrum in Thalgau, das auch eine große Abteilung für Sportmedizin hat, die der ehemalige, in Deutschland wegen Dopings verurteilte DDR-Trainingsexperte Bernd Pansold leitet.

Leipzig verpflichtet Spieler, die höchstens 24 Jahre alt und bereit sind, „den Ball zu jagen“, wie Hasenhüttl sagt. Sie müssen umschalten, kreativ und nach vorn gerichtet denken. Das übt Hasenhüttl mit ihnen jeden Tag. „Wenn ich das zwei Tage nicht mache“, sagt er, „verfallen sie in alte Muster, die sie seit der Kindheit gelernt haben.“

Der Klub ist nun sieben Jahre alt, 2009 hat Mateschitz den SSV Markranstädt gekauft. Der SC Freiburg wurde 1904 gegründet, es treffen zwei radikal unterschiedliche Fußballentwürfe aufeinander. Der traditionelle, mitgliederstarke und traditionsbewusste Klub empfängt die moderne, mit Kapitaleinsatz entstandene Komplettlösung.

In den vergangenen Tagen hat Freiburgs Präsident Fritz Keller etwas von Wettbewerbsverzerrung angesichts der hohen Fremdkapitalisierung bei Vereinen wie RB Leipzig, Vfl Wolfsburg (VW), Bayer Leverkusen (Chemiekonzern) oder dem vom Mäzen Dietmar Hopp alimentierten 1899 Hoffenheim anklingen lassen. „Wir haben uns Respekt erarbeitet“, sagt Hasenhüttl, „und wir hören immer öfter, dass wir eine Bereicherung sind.“ Auch wenn andere Klubchefs RB Leipzig nicht wollen, als Tabellenführer schon gar, und Fans anderer Klubs Farbbeutel auf den Bullen-Bus werfen, sind sie ein Farbtupfen in diesem Sportidyll. Nur ein Klecks in kaltem Stierblut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2016)

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