Die Mailänder Misere

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Als Gruppenletzter verabschiedet sich Inter Mailand aus der Europa League, auch in der Serie A geht es weiter bergab. Die Krise der Nerazzurri nimmt kein Ende.

Mailand. Selbst ein Kantersieg im abschließenden Spiel am Donnerstag gegen Sparta Prag würde nichts mehr ändern: Inter Mailand wird in der Europa League als Letzter der Gruppe K ausscheiden. Die Ausbeute gegen die mäßig attraktiven Gegner Hapoel Be'er Sheva, Southampton und Sparta Prag: ein Sieg, vier Niederlagen, 5:10 Tore. Der Traditionsklub befindet sich weiter im freien Fall.

Von 2006 bis 2010 war Inter noch Italiens Serienmeister, José Mourinho führte die Nerazzurri 2010 zum Champions-League-Titel. Nicht mit sonderlich attraktivem Fußball, aber mit eindrucksvoller Effizienz. Inzwischen ist Juventus Turin die klare Nummer eins in Italien, Inter dümpelt in der Serie A auf Platz zehn dahin. In 15 Spielen haben die Mailänder sechsmal gewonnen, zuletzt wurden sie bei Napoli 0:3 abgefertigt.

130 Millionen Euro hat Inter vor der Saison in neue Spieler investiert, doch die ohnehin wild zusammengewürfelte Truppe kann sich kaum aufs Sportliche konzentrieren. Die Besitzverhältnisse zum Beispiel irritieren. 2013 verkaufte Inters langjähriger Präsident, Massimo Moratti, der über eine Milliarde Euro Privatvermögen im Klub verpulvert hat, seine Mehrheit an den indonesischen Investor Erik Thohir. Dieser ist längst ein Feindbild in der italienischen Metropole, im Juni veräußerte er schließlich seinen Anteil von 68,5 Prozent an den chinesischen Elektrokonzern Suning. Thohir amtiert aber weiterhin als Präsident. Sein Vize ist der langjährige Kapitän Javier Zanetti, der nach Ansicht der Fans gerade seinen Ruf als Inter-Legende zerstört.

Die neuen chinesischen Eigentümer verstehen nicht viel vom Fußball. So lautet der Vorwurf des Inter-Anhangs. Die Vereinsführung sei inexistent, skandierten sie. Aber auch mit ihrem Kapitän gerieten die Fans aneinander. Mauro Icardi, 23, tönte in seiner Autobiografie, sich den mitunter „einschüchternden Gestalten“ unter dem Vereinsanhang jederzeit stellen zu wollen.

Während der Chef von Hauptsponsor Pirelli, Marco Tronchetti Provera, immer noch von Lionel Messi träumt, wurde Trainer Frank de Boer Anfang November nach nicht einmal drei Monaten wegen Erfolglosigkeit gefeuert. Immer wieder wird mit Atlético-Coach Diego Simeone (1996 bis 1999 als Spieler bei Inter) geliebäugelt, in der Zwischenzeit muss es Stefano Pioli richten.

Sein Debüt feierte er gegen den AC Milan. Der Stadtrivale ist Dritter der Liga und dank einer jungen Mannschaft unter Trainer Vincenzo Montella wieder auf dem Weg nach oben. Das Derby della Madonnina weckte auch Hoffnung bei Inter: eine flotte Partie, kein Catenaccio weit und breit, ein 2:2 am Ende im mit 77.800 beinahe gefüllten Giuseppe Meazza. Gegen Sparta Prag droht wieder eine Trauerkulisse. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2016)

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