Das Zittern der Roten Teufel

Analyse. José Mourinho muss mit Manchester United die Europa League gewinnen, denn über die Premier League bleibt die Champions League erneut unerreichbar. Kritik am Stil der Devils wächst.

Manchester. „Wenn wir die Europa League gewinnen, wäre ich mehr als glücklich.“ Jedem Fußballtrainer der Welt würde man diese Aussage bedenkenlos abkaufen. Wenn sich aber José Mourinho diese Worte über einen Bewerb abringt, den er in seinen Glanzzeiten bei Chelsea, Inter Mailand oder Real ausschließlich ignoriert hat, erhält dieser Wunsch gleich eine ganz andere Dimension.

Nach dem 2:1-Zittersieg gegen Celta de Vigo hat Mourinho mit Manchester United das Endspiel der Europa League erreicht. Am 24. Mai wartet in Stockholm Ajax Amsterdam als Gegner, dem Gewinner ist als Bonus die Teilnahme an der Champions League gewiss. Und genau dieser Benefit ist der einzige Grund, warum der Portugiese so gehörigen Wert auf den zweiten Titel der Saison nach dem Gewinn des Ligacups legt. Ohne diese Trophäe könnten die Red Devils nämlich zwei Jahre in Folge nicht in der Königsklasse spielen. United ist aktuell nur Tabellensechster, damit wäre das Minimalziel verfehlt.

Im Sommer 2016 hatte Mourinho Louis van Gaal in Manchester beerbt. Als „bester Trainer“ der Welt wurde er in Old Trafford präsentiert, und das nur, weil Klubgranden wie Alex Ferguson und Bobby Charlton umgestimmt werden konnten. Seine defensive Spielweise, sein Auftreten und seine Vorgeschichte als Chelsea-Trainer sorgten für Bedenken. Dennoch, der Portugiese wurde beauftragt, United wieder zurück zu alter Glorie zu führen.

Zu viele Remis

Der 20-fache Rekordmeister, der 2008 zuletzt die Champions League gewinnen konnte, startete ein rigoroses Einkaufsprogramm. 105 Millionen Euro wurden als Ablöseweltrekord für den Franzosen Paul Pogba ausgegeben, dazu kamen der 36-jährige Zlatan Ibrahimović, Henrikh Mkhitaryan aus Dortmund – doch lang lief es in der Offensive nicht rund, und prompt wuchsen Kritik und Zweifel an Mourinho, der zuvor bei Chelsea wegen ausbleibender Erfolge entlassen worden war.

Im Lauf der Saison aber fanden sich Spieler und System, der Exzentriker zog seine Linie durch und musterte dabei unter anderem Sebastian Schweinsteiger und auch die alternde Klublegende Wayne Rooney aus. Die Proteste ebbten ab, als United zu gewinnen begann, 25Premier-League-Spiele in Folge blieb „Mou“ unbesiegt, und dennoch, United liegt zurück, sogar hinter den Citizens. Der Grund: Kein anderer Klub in der Premier League spielte so oft Unentschieden. 14 Remis geben auch dem 54-jährigen Startrainer aus Setúbal zu denken.

Der Ligacup war zwar die erste Silberware, die Mourinho im Februar in Empfang nehmen konnte, doch von wirklicher Bedeutung ist sie nicht. Ein Klub, dessen Spieler einen Marktwert von über einer Milliarde Euro haben, muss nach Höherem streben. Als erst fünfter Klub nach Bayern, Chelsea, Juventus und Ajax in allen drei Uefa-Bewerben (Meistercup/Champions League, Uefa-Cup/Europa League, Cup der Cupsieger) zu gewinnen ist nur ein erster Schritt. Die US-Besitzer und auch die Fans verlangen die Champions League, das Spiel in der Millionenliga.

Und jetzt spielt die U23

Ehe das wichtigste Spiel der Saison angepfiffen wird, erhöht sich die Schlagzahl der Mourinho-Kritiker. Man habe „mehr drauf“, der Klub sollte sich „schämen“, poltert etwa Exspieler Roy Keane. „Ligacup und Europa League zu gewinnen – bei all den Klubs, die da mitspielen –, das muss man von United doch erwarten“, ätzte Keane. „Mourinho kam zuletzt mit sehr vielen Ausreden an. Jetzt ist es an der Zeit, dass er Ergebnisse liefert.“

Dessen ist sich der Trainer bewusst, und er wiederholte seine Ankündigung, ab sofort in der Liga die U23 spielen zu lassen. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2017)

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