Große Überraschung im Viertelfinale: Titelverteidiger Deutschland ging in Rotterdam zwar zunächst in Führung, unterlag dann aber Dänemark mit 2:1.
Rotterdam. Am Samstag hatte das Viertelfinalspiel zwischen Titelverteidiger Deutschland gegen Dänemark noch abgesagt werden müssen: Starke Regenfälle hatten den Rasen in Rotterdam unbespielbar gemacht. Am Sonntag folgte dann am frühen Nachmittag die Ernüchterung für die Deutschen: Die großen Favoritinnen unterlagen den Außenseiterinnen mit 1:2. Das dänische Team rund um Kapitänin Pernille Harder steht damit sensationell im Halbfinale der Frauen-Fußball-EM.
Vor 5251 Zuschauern belohnten sich die Däninnen durch Tore von Nadia Nadim (49.) und Theresa Nielsen (83.) für eine starke Vorstellung. Die Deutschen waren zwar erwartungsgemäß in Führung gegangen, Isabel Kerschowski traf schon nach drei Minuten für ihre Elf. Der eine Treffer war für die sehr fehleranfällige DFB-Auswahl aber zu wenig. Und selbst der war nur dank tatkräftiger dänischer Mithilfe zustande gekommen: Einen alles andere als unhaltbaren Schuss von Kerschowski wehrte Torfrau Stina Lykke Petersen ins eigene Tor ab. Sie reihte sich damit in eine Liste zahlreicher Goaliefehler bei diesem Turnier ein.
Deutschland ließ in der Offensive in der Folge einige Male die große Klasse aufblitzen, Petersen war diesmal aber jeweils auf dem Posten. Souveränität ließ der Europameister jedoch ganz klar vermissen, viele Abspielfehler und Unsicherheiten in der Defensive brachten die Favoritinnen immer wieder in die Bredouille. Bei zwei Topchancen von Harder (6.) und Katrine Veje (38.) fehlte dem Außenseiter die nötige Effizienz.
Die passte dafür gleich nach Wiederbeginn, nach Larsen-Flanke köpfelte Nadim ein (49.). Völlig verdient. Damit war eine packende zweite Hälfte eingeleitet. Petersen rettete zweimal im Duell mit Linda Dallmann (56., 62.), auf der anderen Seite traf Veje aus kürzester Distanz die Latte (57.) und vergab Harder zwei weitere gute Chancen (58., 61.). Aufseiten Deutschlands ließen Anja Mittag (75.) und Lina Magull (81.) Chancen auf das 2:1 aus. Das rächte sich. Nielsen (83.) traf nach Thögersen-Hereingabe.
Nicht unbekümmert genug
Die Leistung der Däninnen ist hoch einzuschätzen, da Deutschland bei elf EM-Endrungen seit 1995 acht Europameistertitel geholt und zuletzt sechs Titel in Folge gewonnen hat. Die Latte für DFB-Teamchefin Steffi Jones lag hoch. Sie hatte sich die erfolgreiche deutsche Confederations-Cup-Mannschaft (1:0 im Finale gegen Chile) zum Vorbild genommen: „Das waren junge, erfrischende Mannschaften, die unheimlich vom Teamspirit gelebt haben und unbeirrt ihr Spiel durchgezogen haben. So unbekümmert wollen wir auch sein und uns von der Euphorie treiben lassen.“ Entsprechend hat sie auch gemeint, alles andere als der Titel wäre eine herbe Enttäuschung. „Wir sind acht Mal Europameister. Natürlich ist unser Ziel, den Titel erfolgreich zu verteidigen“, sagte die 44-Jährige. Aber: Selbstläufer werde das keiner. „Andere Nationen haben aufgeholt.“
Umgekehrt sind auch die Däninnen keine Nobodys im Frauenfußball. Schon bei der ersten EM im Jahr 1984 landete die dänische Auswahl auf dem vierten Platz. Vor vier Jahren in Schweden teilten sie sich hinter Europameister Deutschland und Vize-Europameister Norwegen mit Schweden den dritten Platz.
Übrigens: Den letzten Vorbereitungs-Punch für die EM haben sich die Däninnen, die aktuell Platz 15 in der Weltrangliste belegen, bei einem Testspiel in Wiener Neustadt gegen Österreich geholt. Damals hat das ÖFB-Team von Trainer Dominik Thalhammer völlig verdient mit 4:2 gewonnen. Österreich hat mit diesem Sieg die Negativserie von vier sieglosen Partien beendet. (ag./mhk)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2017)