Champions League: Die neuen englischen Tugenden

Umjubelt und unverkäuflich: Harry Kane (2. v. l.) und Dele Alli (r.), die Erfolgsgaranten der Spurs.
Umjubelt und unverkäuflich: Harry Kane (2. v. l.) und Dele Alli (r.), die Erfolgsgaranten der Spurs.(c) Action Images via Reuters
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Die Klubs der Premier League dominieren die Königsklasse. Doch Geld allein ist nicht dafür verantwortlich, Tottenham, das heute Juventus empfängt, dient als Paradebeispiel.

Wien/London. Wer heuer die Champions League gewinnen will, muss zumindest eine, wenn nicht gar zwei oder noch mehr englische Hürden nehmen. Gleich fünf Vertreter der Premier League sind noch im Titelrennen: Liverpool steht bereits im Viertelfinale, Manchester City ist es nach dem Hinspiel gewiss, Chelsea, Manchester United und Tottenham haben den Aufstieg allesamt selbst in der Hand. Doch schon die Tatsache, dass alle fünf Teilnehmer eines Landes auch die K.o.-Phase erreicht haben, vier davon als Gruppensieger, war einzigartig in der Champions-League-Historie.

Dabei hat es seit Chelsea 2012 kein Premier-League-Klub mehr in die Nähe des Endspiels geschafft. International waren City und Co. meist leichte Beute für die übermächtigen Spanier, die immer noch die Uefa-Fünfjahreswertung anführen. 2017/18 aber ist England die klare Nummer eins und wird aufholen. Die im Vergleich höchsten TV-Gelder und die damit verbundenen Möglichkeiten auf dem Transfermarkt wären die einfachsten Erklärungen für die neue Dominanz. Nur hatte Geld auch in den Jahren zuvor keinen englischen Champions-League-Sieger hervorgebracht.

Tottenham Hotspur, das am Mittwoch mit 17 Pflichtspielen ohne Niederlage im Rücken Juventus Turin zum Achtelfinal-Rückspiel empfängt (20.45 Uhr, live ORF eins, Hinspiel 2:2), steht exemplarisch für den englischen Aufstieg. Bemerkenswert dabei: Die beiden Erfolgsgaranten des Vizemeisters und derzeitigen Tabellenvierten haben den Klub so gut wie nichts gekostet. Der 24-jährige Harry Kane, er hält bei 35 Toren in 37 Saisonspielen und war zuletzt zweimal in Folge Torschützenkönig der Premier League, kommt aus der eigenen Jugendabteilung. Kreativzentrale Dele Alli, 21, ein einstiger Straßenfußballer mit schwieriger Kindheit, wurde 2015 um 6,6 Millionen Euro von Drittligist Milton Keynes Dons an die White Hart Lane geholt.

Geballte Offensive gab es in England schon zuvor, inzwischen wird auf der Insel aber mindestens gleich viel Wert auf die Defensive gelegt. Die fünf teuersten Verteidiger der Welt spielen allesamt bei englischen Klubs, Tottenham stellte rund um Abwehrchef Jan Vertonghen schon im Vorjahr die beste Defensive der Liga, heuer wurde sie durch Jungstar Davinson Sánchez, Vorgänger von Maximilian Wöber bei Ajax Amsterdam, noch einmal verstärkt. Und ein weiterer traditionell englischer Schwachpunkt existiert nicht mehr: Mit Ederson (Man City), David de Gea (Man United), Thibaut Courtois (Chelsea) und Hugo Lloris (Tottenham) hüten absolute Weltklassegoalies die Tore bei den besten Teams.

Vor allem aber arbeiten in England die derzeit wohl besten Trainer der Welt. In Manchester und Liverpool ist zu beobachten, wie Pep Guardiola, José Mourinho und Jürgen Klopp ihre Ideen von Fußball verwirklichen. Bei Tottenham zeigt Mauricio Pochettino, was Kontinuität bewirken kann. Der Argentinier, 46, arbeitet seit knapp vier Jahren an seiner Mannschaft, hält Saison für Saison seine Schlüsselspieler und baut immer wieder neue auf. Sein bisheriges Meisterstück war wohl das 3:1 im Herbst in der Champions-League-Gruppenphase gegen Titelverteidiger Real, auch beim 1:1 in Madrid war Tottenham die bessere Mannschaft. Wie Guardiola und Mourinho kennt auch er die spanische Konkurrenz nur allzu gut, schon mit Espanyol Barcelona (2009 bis 2012) vermochte er es, Barça, Real und Atlético zu ärgern.

Noch fittere Engländer?

In seltener Einigkeit haben Guardiola und Mourinho nun auch noch gefordert, den übervollen englischen Spielplan, für viele der Hauptgrund für das internationale Scheitern in den vergangenen Jahren, zu entschärfen. Offenbar mit Erfolg. Ab 2019/20 soll es auch auf der Insel eine zweiwöchige Winterpause geben. Damit wäre auch der letzte Nachteil der Premier-League-Klubs beseitigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2018)

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