Der FC Liverpool demonstrierte im Halbfinalhinspiel gegen AS Roma seine einzigartige Offensivstärke, siegte 5:2. Die Roma benötigt ein Wunder, hat aber Erfahrung damit.
Es war ein Champions-League-Halbfinale zweier Überraschungsmannschaften, weil sowohl mit dem FC Liverpool als auch mit AS Roma vor Saisonbeginn niemand in der finalen Phase dieses Bewerbs gerechnet hatte. Im Viertelfinale setzten beide Teams Glanzlichter, mit Manchester City bzw. FC Barcelona wurden Hochkaräter eliminiert. Vor dem Hinspiel in England über die Favoritenrolle zu diskutieren, machte also wenig Sinn.
Die Fans der „Reds“ hatten dieser denkwürdigen Begegnung den passenden Rahmen verliehen, es war erwartet laut an der Anfield Road, die wirklich jedem echten Fußballfan ein Begriff und längst so etwas wie Kulturgut geworden ist. Wer ein Angriffsfurioso Liverpools erwartete, wurde allerdings enttäuscht. Die Römer wehrten sich mit physischen und spielerischen Mitteln, Liverpool plagte sich. Und es passte irgendwie ins Bild, dass Alexander Oxlade-Chamberlain nach einer Viertelstunde mit Verdacht auf eine schwere Knieverletzung vom Feld getragen werden musste. Oxlade-Chamberlains Ausfall ist nicht nur für die Mannschaft von Jürgen Klopp ein herber Verlust, er wird auch Englands Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland fehlen.
Im Torrausch
Roma wollte aus der allgemeinen Verunsicherung der Gastgeber Kapital schlagen, in der 18. Minute nahm sich Kolarov ein Herz, schoss aus großer Distanz und aus dem Stand. Torhüter Loris Karius hätte den Ball fangen müssen, lenkte ihn aber mit viel Glück an die Latte. Angesichts solcher Szenen ist es wenig verwunderlich, dass sich Liverpool im Sommer auf der Torhüterposition verstärken möchte. Es war ein Weckruf für den 18-fachen englischen Meister (zuletzt 1990), der mit etwas Verspätung das Spiel diktierte. Zwischen der 28. und 30. Minute fand man gleich drei gute Torchancen vor, das Angriffstrio bestehend aus Mohamed Salah, Roberto Firmino und dem Ex-Salzburger Sadio Mané hatte nun Betriebstemperatur erreicht.
Liverpool fand mehr Räume vor, weil im Mittelfeld die entscheidenden Zweikämpfe gewonnen wurden und der rote Hochgeschwindigkeitsfußball so erst richtig zelebriert werden konnte. Der 1:0-Führungstreffer durch Salah - sein Schuss passte genau ins Kreuzeck – war zu diesem Zeitpunkt verdient (36.). Nur eine Minute später verhinderte die Latte einen Kopfballtreffer von Lovren, das 2:0 war damit aber nur aufgeschoben. Noch vor der Pause stellte Salah mit seinem bereits zehnten Treffer in der laufenden Champions-League-Saison die Weichen endgültig auf Sieg (45.). Der Ägypter jubelte nicht, erst im Sommer hatte er die Roma gen Norden verlassen.
Die Offensivbemühungen der Klopp-Elf waren endgültig nicht mehr einzudämmen. In der 56. Minute bediente Salah Sturmpartner Mané - 3:0. Hat der FC Liverpool erst einmal Fahrt aufgenommen, dann ist er in dieser Saison kaum aufzuhalten. Jeder Laufweg, jedes Zuspiel hat System. Firmino besorgte das 4:0 (61.) und 5:0 (69.), für die Roma war schon fast so etwas wie Mitleid angebracht.
Am Ausgang dieses Spiels gab es keine Zweifel mehr, weil die Engländer aber leichtsinnig agierten, kam die Roma durch Dzeko (81.) und Perotti (85./Elfmeter) noch zu zwei Treffern. In Rom wird zumindest noch geträumt – auch der große FC Barcelona wurde im Stadio Olimpico mit 3:0 geschlagen . . .
("Die Presse", Printausgabe 25.04.2018)