Rapid vor Derby: "Wir beginnen bei null"

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Rapid setzt im 305. Wiener Derby auf den Trainereffekt. Schöttel-Nachfolger Zoran Barisic hat so seine Ideen, aber die Statistik spricht klar für die Austria.

Peter Schöttel war immer schon ein charakterstarker Mensch. Er hat gespürt, dass er irgendwie zur Belastung geworden ist. Vielleicht war der ehemalige Abwehrchef, einst einer der Lieblinge der Fans, weil er in seiner gesamten Karriere unglaubliche Vereinstreue bewiesen hat, auch einfach nur zur ehrlich für den Job des Rapid-Trainers. Ein Maturant, der sogar auf die Universität gegangen ist, um sich als Jusstudent zu versuchen, ein Betreuer, der sich nicht in die Niederungen des Fußballs hinunterziehen lässt. Größe hat er schon oft bewiesen, auch bei seinem Abgang vor wenigen Tagen. Er leitete am Tag nach der Cup-Blamage gegen den FC Pasching noch das Vormittagstraining, stellte sich nach seiner Amtsenthebung auch noch freiwillig den Medien. Ein anderer Trainer hätte die Gelegenheit benützt, um seinem Unmut freien Lauf zu lassen, ein Schöttel aber macht so etwas nicht. Er hätte auch auf der Mannschaft herumhacken können, man hätte es ihm nicht einmal verübeln können. Aber auch auf Seitenhiebe hat er verzichtet.

Zoran Barisic, sein interimistischer Nachfolger, ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Er spricht die Sprache der Fußballer, er war als Spieler kein Kind von Traurigkeit. Er war ein ausgezeichneter Techniker, er hat Freistöße so gekonnt über und an Mauern vorbeigeschossen, dass sich so mancher Torhüter genarrt vorgekommen ist. Als ihn Peter Pacult zu seinem Assistenten gemacht hat, da hat er schon von einer größeren Trainerkarriere geträumt. Aber der heutige Dresden-Betreuer, der sich gegen den Abstieg stemmt, hat die Zusammenarbeit vorzeitig beendet. Eine Entscheidung, die bei den Fans nicht gut angekommen ist. Aber Pacult hat eben andere Vorstellungen von Disziplin, Vorbild, überhaupt vom ganzen Spiel.

Was das Team vorerst braucht, das ist psychologische Betreuung. Barisic ortet aus verständlichen Gründen ein Defizit an Selbstvertrauen. Wer so wenige Erfolgserlebnisse wie Rapid 2013 hatte, den plagen Selbstzweifel. Und das ausgerechnet vor dem Wiener Derby. Aber Barisic muss über das Duell mit der Austria und seinem ehemaligen Mitspieler Peter Stöger hinausdenken. Ihm geht es darum, dass die Mannschaft à la longue wieder einen offensiven Fußball praktiziert. „langfristig streben wir ein 4-3-3-System an“, sagt er. „Wir müssen uns dem modernen Fußball und den Trends anpassen.“

Was der neue Verantwortliche auf der Rapid-Bank sehen will, das ist voller Einsatz. „Jetzt müssen wir uns den sogenannten Arsch aufreißen“, sagt er. Druck würde es bei Rapid immer geben. „Aber wir alle wollen diesen Job!“ So schlecht können die Voraussetzungen gar nicht sein, dass man der Verlockung Grün-Weiß widerstehen wollte.

Rapid will also eine Art Neubeginn starten, die Wiener Austria hat ganz andere Pläne. Der Tabellenführer hat die Chance, eine historische Derbysaison perfekt zu machen. Im Fall eines Sieges über den Erzrivalen hätte der Tabellenführer erstmals in einer Spielzeit alle vier Duelle mit den Hütteldorfern für sich entschieden. Viermal in Folge hat Rapid zuletzt 1993 verloren, allerdings saisonübergreifend.

Der Rekordmeister, der auf der Suche nach sich selbst ist, hat den letzten Punkt gegen die Austria im April 2012 geholt. Es war ein mageres 0:0 in Favoriten. danach folgten ein 3:0, 2:1 und 2:0 für Violett. Der letzte Rapid-Sieg glückte am 13. März 2011 – 1:0 am Verteilerkreis. Aber Statistik interessiert Zoran Barisic nicht. „Das spielt keine Rolle, wir beginnen bei null. Wir könnten genauso gut darauf hinweisen, dass wir in den letzten zwei Runden vier Punkte gemacht haben – die Austria nur einen.“

Die Hütteldorfer müssen sich also an den berühmten Trainereffekt klammern. Zoran Barisic hat bereits so etwas Ähnliches wie Aufbruchstimmung geortet. „Alle sind sehr motiviert. Jetzt gilt es, diese Spannung aufrechtzuhalten. Ich vertraue meiner Mannschaft jedenfalls zu 100 Prozent.“ Etwas anderes bleibt ihm aber auch gar nicht übrig. „Es spielt sich viel im Kopf ab. Das Kicken haben wir sicher nicht verlernt.“ Dass die Wiener Austria unter Umständen mit einer Niederlage noch in Titel-Schwierigkeiten kommen könnte, das ist dem Rapid-Betreuer einerlei. „Wer Meister wird, das ist uns egal. Wir konzentrieren uns ausschließlich auf uns.“

Peter Stöger hat die Vorgänge bei Rapid mit großem Interesse verfolgt, die Wortmeldungen aus Hütteldorf hat er zur Kenntnis genommen. „Kein Problem, wir nehmen die Favoritenrolle an. Den Schuh des Außenseiters darf sich Rapid gern anziehen.“ Nervosität macht sich laut Stöger in Favoriten nicht breit, schließlich habe man mit dem 2:1 gegen den WAC im Cup-Viertelfinale starke Form bewiesen. Dass die Austria erstmals in der Gesichte alle vier Saisonderbys gewinnen könnte, wäre für Stöger nur eine angenehme Begleiterscheinung. „Das Wichtigste sind nicht Rekorde, sondern die drei Punkte, mit denen wir uns dem Traum vom Meistertitel nähern wollen.“

Trauerflor

Trauer um Leopold Gernhardt
Rapid trauert um Leopold Gernhardt. Der frühere Spieler und Sektionsleiter der Hütteldorfer verstarb im 94. Lebensjahr. In Erinnerung an den 27-fachen österreichischen Teamspieler wird Rapid im Derby mit Trauerflor spielen. Gernhardt kam in der Saison 1939/40 in der damaligen Position des „Läufers“ zu den Rapid-Profis, für die er in 16 Saisonen 228 Pflichtspiele absolvierte und 51 Tore erzielte. Der langjährige Kapitän wurde mit Grün-Weiß siebenmal österreichischer Meister, einmal Cupsieger, gewann den Zentropacup sowie mit Rapid die deutsche Meisterschaft 1941 durch ein 4:3 gegen Schalke.

Bilanz

305.Derby


112 Austria-Siege, 68 Unentschieden, 124 Rapid-Siege (Torverhältnis 492:569).

Meisterschaft: 94 Austria-Siege, 65 Unentschieden, 113 Rapid-Siege (Torverhältnis 416:503).

Bundesliga (seit 1974): 56 Austria-Siege, 49 Unentschieden, 44 Rapid-Siege (Torverhältnis 201:186).

Derbybilanz in der Generali-Arena bzw. im Horr-Stadion: 13 Austria-Siege, 14 Unentschieden, vier Rapid-Siege (Torverhältnis 36:22).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2013)

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