Andreas Müller: "Wer bei Rapid spielen will, der muss malochen"

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Vor dem Wiener Derby (Sonntag, 15 Uhr, ORF eins, live) sprach Rapids Sportdirektor, Andreas Müller, über seine Fußballphilosophie und ein Duell, das zur Hochsicherheits-Angelegenheit geworden ist.

Rapid hat sich in der Bundesliga unter den Top drei festgesetzt. Warum hat man den Vertrag mit Trainer Zoran Barišić noch nicht verlängert? Worauf will man warten?

Andreas Müller: Ein Trainer wird immer an seiner Arbeit gemessen. Und da gibt es im Stadion eine Tafel, auf der zwei Zahlen stehen: das Ergebnis. Und letztlich wird man auch an seinen Ergebnissen gemessen. Aber eben nicht nur. Es geht auch um die Entwicklung einer Mannschaft. Wie schreitet es voran? Wie führt ein Trainer eine Mannschaft? Wir haben da eine ganz klare Strategie entwickelt. Wir arbeiten in erster Linie mit jungen und talentierten Spielern. Dazu kommen drei Routiniers. Dieser Prozess ist eingeleitet, und dafür haben wir den richtigen Trainer. Das geht meiner Meinung nach alles in die richtige Richtung. Wir wollen den Vertrag mit Zoran Barišić verlängern.

Sie sind also mit der Trainerarbeit zufrieden. Und mit der Mannschaft?

Es geht nicht nur um den Trainer, sondern wir reden hier vom Trainerstab. Was die Mannschaft betrifft, da ist das so: Ich verlange Loyalität, Leistungsbereitschaft und Leidenschaft. Wenn das erfüllt ist, dann steckt da alles drinnen. Wenn einer querschießt, dann bekommt er ein Problem mit mir. Wie gesagt, es geht nicht immer nur um den Platz in der Tabelle. Ich habe mich in Deutschland einmal von einem Trainer getrennt, da lagen wir mit Schalke auf Rang drei.

Kurze Zwischenfrage: Um wen hat es sich damals gehandelt?

Es war Mirko Slomka (Anm.: April 2008). Ich wollte noch ergänzend anmerken, dass es immer um den Verein geht. Der Klub muss ganz oben stehen. Und danach muss man leben. Zoran Barišić zum Beispiel ist ein Fußballbesessener und war ein guter Kicker. Er versteht es, die Spieler richtig anzupacken. Wir spielen so, wie es die Fans gern sehen. Wir wollen offensiven und modernen Fußball praktizieren. Und ich will Freude und Spaß sehen. Und dazu muss man alles raushauen, was drinnen ist. Wer bei Rapid spielen will, der muss auch malochen. Das erwartet jeder von uns, und das wollen wir auch erfüllen. Die Fans können das schon richtig einordnen. Wenn es einmal nicht zum Sieg reicht, die Mannschaft aber alles probiert und alles gegeben hat, dann wird das auch akzeptiert. Entscheidend ist, ob die Spieler brennen oder nicht.

Ist es frustrierend, in einer Liga mit Red Bull Salzburg zu spielen?

Salzburg ist ein Stück weiter als wir. Ich rede jetzt nicht von den finanziellen Möglichkeiten, sondern von dem, was auf dem Rasen passiert. Unser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Und ich bin überzeugt davon, dass wir auch dorthin kommen, wo sich Salzburg jetzt befindet. Was uns fehlt, das ist ein höheres Maß an Konstanz. Aber gut, das ist nicht weiter schlimm. Die Kompaktheit fehlt auch noch, aber das ist hartes Training. Es geht immer um den Spagat zwischen Ergebnissen und Entwicklung. Wir haben das Ziel erreicht, wenn der Zuschauer sagt: Ja, diesem Klub geben wir eine Chance. Und ich möchte unterstreichen, dass wir verdammt junge Burschen haben. In ein, zwei Jahren, da haben wir dann ganz andere Voraussetzungen.

Und dann wird Salzburg der Kampf angesagt?

Auch Salzburg wird jetzt in der Liga nicht zehn Jahre durchmarschieren. Irgendwann bekommt auch so ein Verein und so eine Mannschaft eine kleine Delle – und dann müssen wir da sein. Immer kann man auf so einem hohen Niveau nicht agieren. Dann gibt es vielleicht einen Wechsel, irgendjemand ist auf dem Absprung – genau für diese Situation müssen wir uns ein gutes Fundament zurechtlegen. Ein neues Stadion, das wäre das wirtschaftliche Fundament. Das wollen wir schaffen. Dann schaffen wir wieder ein paar Prozent mehr. Die Ansprüche sind hoch, sie sind riesig.

Das heißt, Rang zwei am Ende der Saison ist noch gar nicht so wichtig.

Also wir liegen auf Rang zwei, und ihn wollen wir verteidigen. Und Zweiter hört sich besser an als Dritter. Wir haben jetzt den Verfolger auswärts vor der Brust – unser Ziel ist es, den Vorsprung auf die Austria auszubauen. Der Gegner ist sehr stabil geworden, es wird ein Duell auf Augenhöhe. Man kennt das – Details werden entscheiden.

Aber dieses Wiener Derby ist eine Kleinigkeit im Vergleich zu den Derbys, die Sie aus dem Ruhrgebiet kennen...

Vom Stellenwert gibt es da keine Unterschiede. Es gibt Scharmützel, es knistert. Jeder fiebert diesem Match entgegen. Es ist und bleibt das heißeste Spiel. So gesehen braucht man sich in Österreich nicht kleiner reden, als man ist.

Im Vorfeld sorgten Hooligans für Gewalt. Haben Sie ein mulmiges Gefühl?

Ich bin über solche Vorfälle entsetzt, Rapid wird mit aller Entschiedenheit reagieren. Gewalt hat im Fußball nichts verloren und ist strikt abzulehnen.

Der Präsident hat die Latte für die sportliche Leitung recht hoch gelegt, Rapid soll unter die Top 50 Europas kommen. Eine Illusion?

Sagen wir so – die Ziele des Präsidenten sind sehr ambitioniert. Ich habe mir einmal die Liste angesehen, da sind schon recht große Klubs unter den Top 50. Und dann habe ich mir die Budgets angesehen. Machbar ist es, weil wir eine gute Nachwuchsarbeit haben, jetzt müssen wir die Mannschaft zusammenhalten. Sonst müssten wir von vorn beginnen. Wenn wir wieder die besten Jungen verkaufen, dann fallen wir zurück. Und wenn wir wachsen wollen, dann brauchen wir das neue Stadion. International können wir uns dann in Europa etablieren, auf nationaler Ebene sind wir dann sicher mit Salzburg und Austria konkurrenzfähig. Aber bei uns ist derzeit noch Schmalhans Küchenmeister.

Das heißt, es wird im Sommer keine Transfers bei Rapid geben?

Wir wollen auf dem Transfermarkt aktiv werden. Aber ein Spieler muss in unser Gehaltsgefüge passen. Und wenn es geht, dann sollte er ablösefrei sein. Aber bevor wir einen neuen holen, werde ich Einzelgespräche führen. Ich will wissen, ob einer den Charakter hat, den wir brauchen. Für diesen Verein muss ein Spieler bereit sein zu sterben, sagt unser Trainer. So möchte ich das nicht ausdrücken, aber ich glaube, man weiß, was er damit meint. Es geht um die Identifikation. Und sie fordere ich ein.

Einer, der sich in hohem Maß mit Grün-Weiß identifiziert, ist Steffen Hofmann. Wie lange geht das mit dem Kapitän noch gut?

Er ist sehr, sehr wichtig – und zwar ohne Wenn und Aber. Ich habe mit ihm schon viele Gespräche geführt. Auch über das Training. Die Mannschaft braucht ihn, mit seiner Präsenz kann er helfen. Er kann beispielsweise das Eis brechen, auch mit Standardsituationen. Junge Spieler können sich an seiner Seite leichter entwickeln. Das muss man klar so sehen.

Rapid hat in den vergangenen Jahren viele junge Spieler verloren, die meisten haben dann im Ausland aber keine Bäume ausgerissen. Falsche Selbsteinschätzung?

Einige waren von der Mentalität nicht stark genug. Es war bei den meisten offenbar der falsche Zeitpunkt. Man muss robust genug sein, um sein Glück in einer anderen Liga, in einer stärkeren Liga, zu versuchen. Du musst zwei begabte Beine haben – aber der Kopf ist fast noch wichtiger. Einige waren vielleicht auch schlecht beraten, manchmal ist eben der Profit wichtiger. Darum führen wir so viele Gespräche mit den Jungen. Ihr Ziel muss vorerst einmal sein, bei Rapid zu spielen. Und mit Rapid einen Titel zu gewinnen, mit Rapid Meister zu werden. Mit Geld kann man nicht immer alles ausgleichen, wir können uns nicht mit der zweiten deutschen Bundesliga messen. Dort wird eben mehr bezahlt als bei uns in der ersten Liga. Das werden wir nicht ändern. Aber im Moment sehe ich bei Rapid keinen, der sich zurzeit in der ersten deutschen Liga durchsetzen könnte.

Als Sie in den Wintermonaten von Rapid Wien kontaktiert wurden, ob Sie nicht Sportdirektor werden wollen, kostete Sie das nicht insgeheim ein Lächeln? Sie haben davor immerhin bei Schalke und Hoffenheim gearbeitet...

Als mich mein Vorgänger, Helmut Schulte, im Namen des SK Rapid kontaktiert hat, habe ich mir gesagt: Natürlich, das machst du. Ich habe auch kein Problem mit dem Hearing in Wien gehabt. Für mich war klar, das muss ich machen. Endlich einmal raus aus dem Karussell. Ich habe das sofort als Herausforderung gesehen. Ein Traditionsklub, eine gute Akademie, da wollte ich dabei sein. Ich habe auf mein Bauchgefühl gehört. Ich wollte sofort zusagen, unter der Voraussetzung, der Verein will mich auch. Geld hat da in keiner Sekunde eine Rolle gespielt. Ich hatte ja zu diesem Zeitpunkt auch ein anderes Angebot aus der deutschen Bundesliga. Und jetzt ist es eine fantastische Aufgabe geworden. Ich habe die richtige Entscheidung getroffen.

Reichen zweieinhalb Jahre – so lange reicht Ihr Vertrag –, um mit Rapid die angestrebten Erfolge zu feiern?

Ich kann mit hohem Druck durchaus umgehen. So ambitioniert können die Erwartungen gar nicht sein. Wir wollen 2016 die Meisterschaft feiern, das ist das Ziel.

Rapid setzt auf einen deutschen Sportdirektor, Salzburg hat auch einen aus Deutschland und einen deutschen Trainer. Entwicklungshelfer?

Ich sehe das positiv, wenn ein Input auch einmal von außen kommt. Aber ich möchte schon festhalten, dass es auch österreichische Topleute gibt. Ich denke da nur an Grödig, was dort geschafft wurde. Es geht darum, gewisse Dinge zu optimieren, gute Strategien zu entwickeln, auch im Scouting und in Sachen Analyse.

Und Grödig oder Wiener Neustadt ist für einen, der mit Schalke gleichsam aufgewachsen ist, kein Kulturschock?

Ich habe so viele Nachwuchsspiele gesehen, da waren vielleicht 150 Zuschauer. Viel wichtiger ist doch, dass Fußball gelebt wird.

Gelebt wird er vor allem auch in Brasilien, wo im Sommer die WM ausgetragen wird. Wird Deutschland Weltmeister?

Südamerikaner sind aufgrund der Bedingungen favorisiert. Alles wird von der physischen Verfassung abhängen. Möglich, dass diesmal kein Europäer ins Semifinale kommt. Bei Deutschland fehlt mir irgendwie ein wilder Hund. Ecken und Kanten muss man den Jungen schon lassen! Sie sind alle gut ausgebildet, aber es geht um die Typen, die den Unterschied ausmachen. Es geht um die Spieler, die man im Stadion sehen will.

Österreich ist – wie seit 1998 – bei der WM nicht dabei. Was spricht dafür, dass sich Rot-Weiß-Rot wieder einmal für ein Großturnier qualifiziert?

Also eure jetzige Mannschaft ist recht stark. Ich traue ihr zu, dass sie sich für die nächste Europameisterschaft in Frankreich qualifiziert. Und mit Marcel Koller ist ja auch der passende Teamchef hier. Ich sehe die Entwicklung sehr positiv.

Verfolgen Sie noch regelmäßig die deutsche Bundesliga?

Relativ wenig. Meine volle Konzentration gilt dem SK Rapid. Und da will ich möglichst viele Mannschaften sehen. Auch die Amateure natürlich.

Dort spielt ein gewisser Philipp Prosenik, der immerhin schon bei Chelsea und Milan unter Vertrag gestanden ist. Schafft er ein Comeback, oder bleibt er ein ewiges Talent?

Er muss für einen Neubeginn einfach bereit sein, dranbleiben. Er hat lange nicht gespielt, und jetzt hat er einiges abgenommen. Wir haben die Tür aufgemacht – durchgehen muss er allein.

Thema Champions League: Schafft es der FC Bayern München, als erster Klub den Titel zu verteidigen?

Ja. Es ist unglaublich, was dort geleistet wird. Wichtig war, dass man nach dem Triple-Gewinn einen neuen Trainer geholt hat – das ist für alle noch einmal ein neuer Reiz. Dass das alles unter Pep Guardiola so schnell funktioniert hat, ist überraschend, spricht aber für die Qualität der Mannschaft.

Steckbrief

Der Sportchef
Andreas Müller (*13.Dezember 1962 in Stuttgart) spielte einst für VfB Stuttgart, Hannover und Schalke (insgesamt 338 Bundesligaspiele). Er war deutscher Meister und Uefa-Cup-Sieger, dann Manager bei Schalke und Hoffenheim.

Seit Jänner ist er Rapids Sportdirektor. APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2014)

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