Austria: "Peinlich, es ist zum Schämen"

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Austria hat sich binnen eines Jahres vom Titelanwärter und Champions-League-Starter in Österreichs Tabellenletzten verwandelt. Trainer Gerald Baumgartner soll trotzdem bleiben.

Wien. „Wir haben die Schnauze voll!“ Dutzende Austria-Fans stehen vor dem Spielereingang in der Südstadt und lassen ihrem Unmut freien Lauf. „Parits raus“-Rufe hallen aus der Entfernung, doch diejenigen, die das rufen, haben letztlich weder Interesse noch den Wunsch, sich der Diskussion mit Austrias Spielern zu stellen. Doch in Favoriten herrscht dringender Redebedarf, das blamable 1:2 gegen Admira ist der Tiefpunkt. Denn der Klub ist Tabellenletzter.

Sieben Runden ohne Sieg, dafür fünf Unentschieden und zwei Niederlagen, das ist der Austria wahrlich nicht würdig. Die Ursache dieser Misere gilt es zu hinterfragen, vor allem verwundert die desaströse Spielweise. Das System von Gerald Baumgartner – er versprach bei seinem Amtsantritt Dortmunds „aggressives Pressing“ – funktioniert nicht. Es misslingt auch, weil den von Sportvorstand Thomas Parits bestellten Spielern die Qualität fehlt. Damari scheint doch nicht die erhoffte Verstärkung, Grünwald oder Royer treffen zwar, jedoch brauchen sie zu viele Chancen, und dafür reicht die Anzahl der brauchbaren Pässe nicht.

Die Tabelle lügt nicht

Neue Spieler erhofft sich der angeschlagene Trainer, der mit Rücktritts-Aufforderungen geschmückte Sportvorstand schweigt, nur Klubvorstand Markus Kraetschmer stellte sich kritischen Fragen. Die Tabelle lüge nicht, eröffnete der AG-Vorstand sein Plädoyer. Austria sei Letzter, das sei eine Katastrophe und nicht zu tolerieren. „So wie wir derzeit auftreten, sind wir zu Recht Letzter. Das ist die Realität. Es sind unerklärliche individuelle Fehler, das darf doch auf diesem Niveau nicht passieren. Der Wurm ist drinnen, ja, gewaltig. Aber, wir stehen weiter zu Trainer Gerald Baumgartner. Peinlich, diese Situation ist nur noch zum Schämen.“

Es ist leicht, sich vor einen angeschlagenen, längst bis neun angezählten Boxer oder Trainer zu stellen. Ein weiterer Fehler, und als Klub könne man sich schnell des lästigen Problems entledigen, mit der für diese Situationen gängigen Entlassung. Aber ist es sinnvoll, wenn man partout nicht von der Entscheidung, dem vermeintlich wertvollen Systemwechsel, garniert mit im Misserfolg bedeutungslosen Worten wie Kontinuität oder Vertrauen, abrückt, obwohl es absolut falsch und nicht zielführend ist? Es bleiben Erfolge aus, wird die Austria gar absteigen?

Parits, ein Trugschluss?

Kraetschmer schien ratlos, und je länger der Verein nachdenkt, ohne neue Kräfte (Zulechner; Freiburg?) zu engagieren oder sich von Mitarbeitern zu trennen, desto heikler wird die Situation am Verteilerkreis. Baumgartner, das sagt Kraetschmer voller Überzeugung, werde doch so ehrlich sein und zugeben, dass auch er nicht zufrieden sei mit dem Erreichten. Mit ihm müsse man nun über einige Spieler sprechen, Unruheherde sollten doch aussortiert werden – dafür scheint die Länderspielpause geradezu perfekt. Damit hängt nun bis zum 13. September die „Rote Laterne“ jedenfalls in Favoriten.

Kraetschmer verlangte „Lösungen“, von der Mannschaft müsse „eine Initiative kommen“ und so melodisch, emotional er diesen Satz auch intonierte, für Baumgartner glich es einer „Hinrichtung“. Wer, wenn nicht der Betreuer, sollte Reize setzen, Ideen und Systeme einbringen? Ob es nicht doch ein Trugschluss von Parits war, (nach Vastić oder Gager) erneut einen Coach zu engagieren, der zuvor bei Klubs wie Pasching oder St. Pölten engagiert war und nicht einmal die Uefa-Lizenz besaß?

Zwölf Spieler der vergangenen Saison sind nicht mehr bei Austria, auf mehrere Routiniers, etwa Kienast, wird verzichtet. Violett wollte sich verändern – und hat das in gewisser Weise auch geschafft. Aus einem Titelanwärter und Champions-League-Starter ist nur ein Jahr später Österreichs Tabellenletzter geworden. Da hilft es nichts, auf die Ära Schinkels zu verweisen mit acht sieglosen Runden in der Saison 2005/2006. Markus Kraetschmer schien nachdenklich. Er wiederholte eine Aussage: „Peinlich, es ist zum Schämen.“

AUF EINEN BLICK

Austria ist nach sieben Runden in der Fußball-Bundesliga am Tabellenende angelangt. Das 1:2 gegen Admira ist der Tiefpunkt, bei den Violetten herrschen Ärger und Verzweiflung.

AG-Vorstand Markus Kraetschmer kündigt zwar personelle Veränderungen an, Trainer Gerald Baumgartner sprach er aber das Vertrauen aus. Auch Sport-Vorstand Thomas Parits soll bleiben. Kraetschmer sagt: „Die Tabelle lügt nicht, es ist peinlich und zum Schämen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2014)

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