Diagnose Krebs: Wenn eine Welt zusammenbricht

PK 1. FC KOeLN IN BAD TATZMANNSDORF: HOSINER
PK 1. FC KOeLN IN BAD TATZMANNSDORF: HOSINERAPA/ROBERT JAEGER
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Vor fünf Monaten bekam Philipp Hosiner bei einem Routinecheck die Diagnose Krebs gestellt. Heute erinnert nur noch eine 30 Zentimeter lange Narbe an den zwei Kilogramm schweren Tumor. „Sie ist ein Teil von mir.“

Philipp Hosiner sitzt an der Bar des Avita-Resorts in Bad Tatzmannsdorf. Er trinkt genüsslich einen Espresso, unterhält sich angeregt mit seinen Teamkollegen, lächelt, nickt. Der 26-Jährige genießt die Atmosphäre, er weiß den Umstand, ein gesunder junger Mann und Fußballer zu sein, zu schätzen.

Vor fünf Monaten sah die Welt des Philipp Hosiner ganz anders aus. Eigentlich ist der Burgenländer an einem Freitag Ende Jänner bester Laune. Ein leihweiser Wechsel vom französischen Erstligisten Stade Rennes zum 1. FC Köln ist quasi beschlossene Sache, nur der obligatorische Medizincheck noch ausständig. Eine Routineangelegenheit, wie vor jedem Transfer. Hosiner war voller Vorfreude auf Köln, den Klub und den Glamour der deutschen Bundesliga. Doch der erhoffte Wechsel platzte in allerletzter Sekunde – Hosiner bestand den Medizincheck nicht. Bei der Untersuchung entdeckte der Internist einen Tumor an der linken Niere, zwei Kilogramm schwer und bösartig. „Im ersten Moment war das ein Riesenschock“, sagt Hosiner. „Ich konnte das nicht glauben.“ Der Eisenstädter war mit der Situation überfordert, erlebte surreale Momente. „Ich wollte die Situation runterspielen, den Arzt zunächst überreden, die Operation erst im Sommer durchzuführen. Ich wollte doch unbedingt meinen Vertrag in Köln unterschreiben.“


Von Ängsten geplagt. Doch die Lage war viel ernster, als von Hosiner zunächst angenommen. „Der Arzt hat mir klargemacht, dass sofort operiert werden muss.“ Drei Wochen nach der Diagnose erfolgte die Operation. Davor führte Hosiner zahllose Gespräche mit Medizinern, Familie und seinen Freunden. „Es war schon seltsam, hat sich so angefühlt, als würde ich immer nur mitdiskutieren, all das gar nicht mich betreffen.“

Je näher der Tag X rückte, desto größer wurden die Sorgen. „Natürlich hatte ich Angst, dass irgendetwas passieren könnte, es war ja kein Routineeingriff. Der Tag zuvor, die Nacht, der Morgen der OP: Ich hatte schon ein mulmiges Gefühl. Ich bekam die Narkose und wusste im Endeffekt nicht, ob ich noch einmal aufwache...“

Die Operation verlief gut, gemeinsam mit dem Tumor wurde auch die befallene linke Niere entfernt. Zurück bleibt eine 30 Zentimeter lange Narbe, sie verläuft quer über den Bauchraum. „Ein Schock, man kann sich so etwas am eigenen Körper gar nicht vorstellen. Auch, weil sie so lang ist“, sagt Hosiner der „Presse am Sonntag“. Mittlerweile aber weiß der Stürmer gut damit umzugehen, der Blick in den Spiegel fällt jeden Tag ein wenig unaufgeregter aus. „Die Narbe ist ein Teil von mir. Ich glaube, irgendwann werde ich sie gar nicht mehr wahrnehmen.“ Philipp Hosiner meint, er habe das Leben schon vor der Diagnose Krebs „anders gesehen“. Gesundheit, Familie und Fußball, das waren stets die drei wichtigsten Elemente. Heute aber weiß er all das „noch mehr zu schätzen“, er nimmt das Leben „bewusster wahr“. Wie die Geschichte hätte enden können? Sein Blick sagt alles. „Es hätte Schlimmes passieren können.“

Hosiner bestritt in Frankreich nur dreizehn Pflichtspiele. Die ursprüngliche Tristesse in der Bretagne stellte sich nachträglich als Glücksfall heraus. Bei jedem Zweikampf und jedem Schlag oder Tritt gegen den Tumor hätte der Worst Case eintreten, also der Tumor „platzen“ können. Das Risiko wäre bei mehr Einsätzen dementsprechend höher gewesen; ein Spiel mit seinem Leben.

„Wenn so etwas passiert, musst du notoperiert werden, weil innere Blutungen auftreten. Aber wenn du auf dem Fußballplatz liegen bleibst, kann es kurz darauf schon zu spät sein. Ich bin froh, dass es nie zu dieser Situation gekommen ist.“

Der Zuspruch vor und nach der Operation war groß. „Viele Kollegen haben mir ihr Mitgefühl ausgedrückt. Das war überwältigend“, erinnert sich Hosiner. Im Februar, wenige Tage nach der OP, sah er im Krankenbett liegend ein Spiel der Wiener Austria, die Mannschaft lief mit eigens bedruckten „Gute Besserung, Hosi“-Shirts auf. Aktionen wie diese schenkten ihm Kraft und den Glauben, bald wieder auf den Rasen zurückkehren zu können. „Diese Motivation hat mir ungemein geholfen.“


Von Träumen angetrieben. Nur rund zweieinhalb Monate nach der Operation stand Hosiner für die zweite Mannschaft von Stade Rennes tatsächlich wieder auf dem Fußballplatz, durfte seinen Beruf ausüben, ganz ohne Einschränkungen. Seine Fitnesswerte sind wieder gut. „Es ist alles wie früher, nur habe ich keine zwei Nieren mehr.“ Weil der Kontakt zu Peter Stöger und dem 1. FC Köln nie ganz abriss, kam der schon im Winter geplante Transfer vor zwei Wochen doch noch zustande. „Die Bundesliga“, sagt Hosiner, „ist eine der besten Ligen der Welt.“

Der Angreifer möchte sich in Deutschland behaupten, sich der internen Konkurrenz rund um Neuverpflichtung Anthony Modeste aus Hoffenheim stellen. Hosiner glaubt an seine Chance, an den Durchbruch in dieser fußballverrückten Stadt. „Alle Stürmer fangen bei null an, niemand wird einen Bonus haben. Ich werde meine Chance bekommen, die muss ich nutzen.“ Mit guten Leistungen will er auch wieder für die Nationalmannschaft ein Thema werden. Sein bislang letztes Länderspiel bestritt er im Oktober 2013. Eine Teilnahme an der Europameisterschaft in Frankreich 2016 sei für ihn ein großer Traum, „da möchte jeder dabei sein“. Ein winzig kleiner Schritt ist getan, beim ersten Testspiel für Köln erzielte Hosiner beim 11:2 gegen eine burgenländische Auswahl zwei Tore. Ein gutes Gefühl. Doch Hosiner denkt nur noch von Tag zu Tag, von Spiel zu Spiel. Mehr denn je.

Steckbrief

Philipp Hosiner wurde am 15. Mai 1989 in Eisenstadt geboren.

Nach Engagements bei 1860 München, Sandhausen, Vienna und Admira erlebte Hosiner von 2012 bis 2014 bei der Wiener Austria seine bislang erfolgreichste Zeit.

Sein anschließender Transfer zu Stade Rennes war nicht von Erfolg geprägt, im Jänner 2015 stand ein leihweiser Wechsel zum 1. FC Köln bevor. Doch Hosiner bestand den Medizincheck nicht, seine linke Niere war von einem zwei Kilogramm schweren Tumor befallen.

Nach Operation und Rehabilitation glückte der Transfer zu Köln vor zwei Wochen doch noch. Der von Peter Stöger trainierte Klub ist der bereits vierte ausländische Arbeitgeber Hosiners. Mit guten Leistungen will sich der Stürmer auch für erneute Einsätze im österreichischen Nationalteam empfehlen.

FAKTEN

Philipp Hosiner ist aktuell einer von sechs Stürmern, die beim 1. FC Köln unter Vertrag stehen.

Die Mannschaft von Trainer Peter Stöger investierte nach der eher mageren Ausbeute in der vergangene Saison (34 Spiele, 34 Tore) und dem Verlust von Topstürmer Anthony Ujah (Bremen) speziell in den Offensivbereich.

Hosiner-Konkurrent Anthony Modeste (Hoffenheim) ließ man sich 4,5 Millionen Euro Ablöse kosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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