Rapid-Trainer Barišić: "Angst ist ein guter Ratgeber"

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Unter Zoran Barišić spielt Rapid erfolgreich und attraktiv wie zuletzt im Meisterjahr 2008. Der Wiener hofft auf „außergewöhnlich gute Tage“ in der Qualifikation zur Champions League.

Ihre Mannschaft eilt derzeit von einem Erfolg zum nächsten. Finden Sie überhaupt Kritikpunkte?

Zoran Barišić: Genügend. Die Mannschaft muss zum Beispiel lernen, im Spiel rascher ihren Rhythmus zu finden. Oft ist es noch so, dass sich unser Spiel in den ersten 15, 20 Minuten zu sehr über den Kampf betont, weil uns der Gegner früh attackiert. Darauf müssen wir uns schneller einstellen.


Sie behaupten von Ihrer Mannschaft, sie wisse gar nicht, wie gut sie sei. Warum nicht?

Weil sie auf einem gewissen Level noch nicht viel Erfahrung hat. Spiele wie gegen Ajax Amsterdam, in Salzburg oder das Derby bringen dich als Spieler weiter. Genau solcher Partien bedarf es, um den nächsten Schritt zu machen.


Täuscht der Eindruck oder ist Rapid gerade dabei, einen speziellen Spirit zu entwickeln?

Der Teamgeist entwickelt sich schon über längere Zeit. Als wir vor einem Jahr in der Europa-League-Qualifikation an Helsinki gescheitert sind, habe ich als Trainer gemerkt, wie lebendig diese Mannschaft ist, welch großer Zusammenhalt herrscht. Genau in solchen Phasen merkst du, ob ein Team gut funktioniert oder nicht.


Ihr Amtsantritt als Cheftrainer im Frühjahr 2013 wurde durchaus kritisch beäugt. Hatten Sie Angst vor dem Scheitern, der hohen Erwartungshaltung?

Angst ist manchmal ein guter Ratgeber. Nämlich dann, wenn man es schafft, mit ihr umzugehen. Als ich das Angebot bekommen habe, hatte ich durchaus Zweifel. Durch meine interimistische Tätigkeit 2011 wusste ich, was auf mich und meine Familie zukommt. Ich habe Rapid in einer schwierigen Phase übernommen, weil ich etwas verändern wollte. Ich wollte dem Verein eine Spielphilosophie vermitteln, an der sich jedes Team zu halten hat – von der U13 bis hinauf zur Kampfmannschaft. Die Hoffnung, damit erfolgreich zu sein, hat mich angetrieben. Ich möchte bei Rapid etwas hinterlassen. Der Verein soll nachhaltig profitieren.

Wie gehen Sie mit dem Druck, der als Rapid-Trainer permanent auf Ihnen lastet, um? Was ist Ihr Ventil?

Mein Ventil sind meine Familie und meine Freunde. Jene Menschen, die mir immer Rückhalt geben, sich mit mir freuen und trauern. Diese Menschen hinter mir zu wissen, ist für mich das Allerwichtigste.


Können Sie Beruf und Privates trennen?

Nein, das geht nicht. Ich habe einen gewissen Bekanntheitsgrad, damit musste ich lernen umzugehen. Wenn es nicht so gut läuft, schauen dich die Leute auf der Straße von der Seite an. Wenn es gut läuft, sind alle ganz euphorisch. Man muss für sich die richtige Balance finden.


Als Spieler sind Sie laut eigener Aussage unbeschwert durch das Leben gegangen. Ein Ding der Unmöglichkeit für einen Trainer?

Total. Du hast als Trainer eine riesige Verantwortung, gegenüber dem Verein, Betreuern, Spielern, Fans, auch Medien. Du musst sehr sorgfältig und bedacht in deinem Tun sein, das ist schon ein großer Unterschied im Vergleich zum Dasein als Spieler.


Sie sind seit mittlerweile neun Jahren bei Rapid beschäftigt. Könnten Sie sich vorstellen, in Ihrer Trainerlaufbahn ausschließlich Rapid zu trainieren – oder haben Sie insgeheim ganz andere Pläne?

Grundsätzlich ist alles vorstellbar, aber ist es realistisch? Eher nicht, weil der Fußball viel zu schnelllebig ist. Momentan habe ich nur den Wunsch, für Rapid bestmögliche Arbeit abzuliefern. Sofern ich Fernziele habe, werde ich diese nicht der Öffentlichkeit präsentieren.


Sie leisten bei Rapid seit über zwei Jahren angesehene Arbeit. Haben Sie denn noch keine Angebote anderer Klubs erhalten?

Auch darüber möchte ich nicht diskutieren. Wir alle wissen nicht, was die Zukunft bringt. Meine volle Aufmerksamkeit gilt aber Rapid.


Während eines Spiels sieht man Sie stets in Polo und Trainingshose. Sind Sie schlichtweg kein Anzugtyp?

Ich bin Fußballtrainer, kein Model. Und Fußball spielt man nun mal auf dem Fußballplatz, als Trainer trage ich gern einen Trainingsanzug. Das soll aber nicht heißen, dass es mich nicht vielleicht irgendwann auch einmal im Anzug zu sehen gibt.


Um Robert Berić oder Philipp Schobesberger ranken sich seit Wochen Wechselgerüchte. Würde eine erfolgreiche Champions-League-Qualifikation die Chancen auf deren Verbleib erhöhen?

Ich kann diese Fragen nicht seriös beantworten, mit diesem Thema müssen wir sensibel umgehen. In Europa gibt es sehr, sehr viele potente Klubs, auch interessantere Ligen als die österreichische. Als Spieler musst du dir die Frage stellen, wohin du weswegen zu welchem Zeitpunkt wechselst.


Haben Sie Verständnis für die Wechselüberlegungen Ihrer Spieler?

Ich habe absolutes Verständnis dafür, wenn einer meiner Spieler in einer besseren Liga das Sieben-, Acht- oder Zehnfache verdienen kann. Für die Planungen des Vereins ist es wichtig, dass wir eventuelle Abgänge so schnell wie möglich zumindest adäquat ersetzen können. Wir müssen darauf vorbereitet sein.


Am Mittwoch wartet im Hinspiel des Champions-League-Play-offs in Wien Schachtar Donezk. Wie bewerten Sie die Ausgangslage?

Wir sind zwar gut drauf, aber Donezk ist eine sehr, sehr gute Mannschaft, gespickt mit vielen außergewöhnlichen Spielern. Schachtar ist Stammgast in der Champions League, hat große Erfahrung auf internationalem Niveau. Wir werden zwei außergewöhnlich gute Tage und das nötige Glück benötigen. Wille und Glaube, es zu schaffen, sind da. Wir werden alles geben, um unseren Traum zu verwirklichen.


Haben Sie die leise Hoffnung, dass Donezk Rapid unterschätzen könnte?

Ich hoffe, dass sie uns unterschätzen, spekuliere aber nicht damit. Schachtar weiß, worum es geht.


Hätten Sie lieber gegen Manchester United gespielt?

Vielleicht passiert es ja noch . . .

Steckbrief

Zoran Barišić wurde am 22. Mai 1970 in Wien geboren.

Seine größten Erfolge als Spieler feierte Barišić mit Rapid (1993 bis 1997) und Innsbruck (1997 bis 2002). Mit den Wienern wurde er 1996 Meister und erreichte im selben Jahr das Finale des Europapokals der Pokalsieger (0:1 gegen Paris SG). Gleich drei Meistertitel in Serie (2000 bis 2002) bejubelte Barišić mit Innsbruck. Seine aktive Karriere beendete er 2005 beim SC Eisenstadt.

Seit 2006 arbeitet Barišić für Rapid, zunächst als Co-Trainer von Peter Pacult, später als Trainer der Amateure. Nach einer Interimslösung 2011 trat Barišić im Frühjahr 2013 endgültig den Posten des Cheftrainers an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.08.2015)

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