David Alaba: Musterschüler einer ganzen Generation

ABFLUG DER OeSTERREICHISCHEN FUSSBALL-NATIONALMANNSCHAFT: ALABA
ABFLUG DER OeSTERREICHISCHEN FUSSBALL-NATIONALMANNSCHAFT: ALABAAPA/ROBERT JAEGER
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Mit 23 Jahren kann David Alaba auf eine bewegte und erfolgreiche Karriere zurückblicken. Seine Popularität genießt er, manchmal versucht er auch, ihr zu entfliehen.

Flughäfen haben an sich ja schon etwas Hektisches, für David Alaba ganz besonders. Beim Terminal 3 in Schwechat wird der 23-Jährige rasch erspäht, in einer Gruppe von Anzug tragenden Männern fällt man ohnehin etwas leichter auf. Es sind andere Fluggäste ebenso wie Flughafenangestellte, die den Bayern-Star um Autogramme und Selfies bitten. Der junge Mann erfüllt die meisten dieser Wünsche mit der nötigen Geduld, die Arbeit eines Fußballers endet nicht an der Outlinie.

Alaba, der bei Facebook auf fast 2,5 Millionen Fans verweisen kann, entwickelt sich mehr und mehr zu einer globalen Marke. Er ist das Gesicht lukrativer Werbekampagnen, der Bekanntheitsgrad ist nicht nur in Österreich hoch. Auch in Montenegro wird der Nationalspieler abseits des Rasens erkannt. „Alaba, Alaba!“, rufen einige Kinder bei Ankunft und Abfahrt der ÖFB-Elf vor dem Hotel in Podgorica.

Es war ein stetiger Anstieg der Popularität, den David Alaba in den vergangenen Jahren erfahren hat. Als 16-Jähriger verließ er die Wiener Austria, vom Verteilerkreis führte ihn sein Weg nach München. Bei den Bayern zeichnete sich der Verlauf seiner Karriere bald ab. Egal, ob der Trainer Gerland, van Gaal, Heynckes oder Guardiola hieß – sie alle schwärmten vom hoch begabten Jungen aus Wien.

Wenn Alaba heute dem Rummel um seine Person für einige Augenblicke entfliehen möchte, dann tut er dies etwa in den USA. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist sein Bekanntheitsgrad noch begrenzt, heuer genoss er den unbezahlbaren Luxus der Anonymität für einige Tage in Los Angeles.


Ein echter Wiener. David Olatukunbo Alaba, wie der Sohn eines Nigerianers und einer Philippinin mit vollständigem Namen heißt, ist zurückhaltend und aufgeweckt zugleich. Im ÖFB-Team wie bei den Bayern gehört er dem Rudel jener Spieler an, die für Unterhaltung sorgen, stets für Späße zu haben sind. Diesbezüglich diente auch Franck Ribéry als Lehrmeister, der Franzose machte ihm außerdem das Münchner Nachtleben schmackhaft. Wenn Marcel Koller zur Nationalmannschaft bittet, ist Alaba Feuer und Flamme. In Montenegro absolvierte der Linksfuß sein 40. Länderspiel, es war aber eines seiner schlechteren.

Dietmar Constantini hatte Alaba im Oktober 2009 in Frankreich (1:3) erstmals eingesetzt und ihn mit 17 Jahren und 112 Tagen zum jüngsten Teamspieler der ÖFB-Historie gemacht. In weiser Voraussicht, denn sowohl der Verband Nigerias als auch jener der Philippinen hätte sich die Dienste des Jungspunds sichern können. Für Alaba aber wäre ohnehin nie ein anderes Nationalteam infrage gekommen. „Ich bin Wiener, ein echter.“

Sechs Jahre nach seinem Debüt ist ein Nationalteam ohne Alaba nicht mehr vorstellbar, wenngleich es auch ohne ihn erfolgreichen Fußball praktizieren kann. Bei den EM-Qualifikationsspielen gegen Russland fehlte der Legionär verletzungsbedingt, Österreich gewann dennoch beide Spiele mit 1:0. Rückwirkend war dies ein wichtiges Signal, für die Mannschaft genauso wie für Alaba selbst. Dieser hatte sich im ÖFB-Trikot davor oftmals zu viel Druck auferlegt, wollte allen Ansprüchen gerecht werden – und kam dadurch nicht immer wie gewünscht zur Entfaltung. Beobachter registrierten einen Reifeprozess.

Alaba verkörpert Gegenwart und Zukunft des heimischen Fußballs. Irgendwann wird er zu Kapitänsehren kommen, seine Meinung hat Gewicht. Wenn er vor Spielen zur Mannschaft spricht, wählt er seine Worte mit Bedacht. Auf seine Kollegen haben diese Ansprachen mitreißende Wirkung, einem Führungsspieler des FC Bayern glaubt man eben gern. Sonderstatus genießt Alaba unter Teamchef Marcel Koller dennoch keinen. Er wird behandelt wie jeder andere, ist einer von vielen. Auch das ist ein kleines Geheimnis dieses Erfolgs. Dennoch weiß der Schweizer nur allzu gut, was er an seinem zweimaligen Sportler des Jahres hat. Als Koller vor vier Jahren zur Mannschaft stieß und erste, für die Teamspieler neue Taktikeinheiten praktizieren ließ, setzte Alaba das eben Erlernte am schnellsten in die Praxis um. Einen mit einer solchen Spielintelligenz gesegneten Spieler habe Koller „noch nie gesehen“.


Position? Feldspieler! Für den 54-Jährigen ist Alaba im zentralen Mittelfeld gesetzt, „mit seinem Laufvermögen, seiner Spielintelligenz, seinem Abschluss gehört er dahin“, bekräftigte Koller unlängst in einem Interview mit dem „Kicker“. In München sieht man die Dinge gern etwas differenzierter. Ursprünglich auf der Position des linken Verteidigers beheimatet, wurde der Österreicher vor Saisonbeginn von Pep Guardiola aufgrund eines personellen Engpasses kurzerhand zum Innenverteidiger umgeschult. Ein Versuch, der sich in bislang elf Pflichtspielen als erfolgreich herausstellen sollte. Bayern und Alaba gewannen jede Begegnung. „Er kann ohne Zweifel einer der besten Innenverteidiger der Welt werden“, sagt Guardiola und es klingt fast wie eine Drohung. Denn in der Innenverteidigung sieht sich Alaba in Zukunft selbst nicht, vielmehr „weiter vorn“. In diesem Punkt sind sich der 23-Jährige und Koller einig, beide wurden sogar schon bei Sportvorstand Matthias Sammer vorstellig. Wie Sammer auf diese Vorstöße reagiert hat, ist nicht übermittelt. Auch Alaba schweigt. „In erster Linie ist es mein Anspruch, so viele Spiele wie möglich zu machen.“

Wenn ihn das Fußballgeschäft und dessen Ausläufer nicht gerade fest im Griff haben, dann findet Alaba auch Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Seine Freunde aus alten Tagen sind ihm heilig. Für sie ist er nicht der millionenschwere Star, der teure Kleidung trägt und schnelle Autos fährt, sondern einfach „der David“.

Als Mensch war es dem Fußballprofi auch ein Bedürfnis, in der aktuellen Flüchtlingsfrage aktiv zu werden. Von Marcel Hirscher dafür nominiert, beteiligte er sich via Facebook an der „Show your face“-Challenge und fand schnell deutliche Worte. „Es ist erschreckend zu sehen, wie viele Menschen aufgrund von Krieg ihre Heimat verlassen müssen und in Europa nicht immer auf offene Arme stoßen.“ Wenige Tage vor dem Spiel in Montenegro besuchte Alaba auch ein Flüchtlingshaus des Samariterbundes in Ottakring. Er verteilte Sportschuhe, schrieb Autogramme und erfüllte alle Selfie-Wünsche. „Wenn du mit einem guten Leben gesegnet bist, versuche immer etwas zurückzugeben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2015)

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