Der Herzschlag vor dem Anstoß

#HeartbeatStory Lukas Schubert - SV Gr�dig
#HeartbeatStory Lukas Schubert - SV Gr�dig(c) Heartbeat Foundation/Mathias Man (Mathias Mandl)
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Lukas Schubert ist gerade in der Bundesliga angekommen, als eine Herzmuskelentzündung seine Karriere bedroht. Über bange Tage auf der Intensivstation, den Weg zurück und Loyalität im erbarmungslosen Fußballgeschäft.

Wien. Ein „Gaudi-Kick“ wäre schon das höchste der Gefühle gewesen, erzählt Lukas Schubert, 26. „Wenn jemand zu mir gesagt hätte, dass ich wieder Energie für ein normales Leben haben werde – ich hätte sofort unterschrieben.“

Schubert war Stammspieler im Grödiger Sensationsteam von Adi Hütter. Der Dorfklub stieg 2013 in die Bundesliga auf und beendete die Saison auf Anhieb als Tabellendritter. Doch der Rechtsverteidiger konnte nur fünf Partien in der höchsten Spielklasse bestreiten. Im Lauftraining spürte Schubert plötzlich ein Stechen in der Brust, Diagnose: Herzmuskelentzündung. „In einer Nacht wurde ich vom Bundesligaprofi zum Herzpatienten.“

Die anschließende Reha verkraftete sein Körper noch nicht, nach einem Rückfall verbrachte Schubert zehn Tage auf der Intensivstation. „Es war kritisch.“ Im Urlaub auf Kreta erlitt er einen zweiten Rückfall. Fortan war dem Profisportler jede noch so kleine Anstrengung verboten, an Training war nicht zu denken. Nun, nach zwei Jahren voller Ungewissheit traut sich der Salzburger sogar wieder Fußball auf Bundesliga-Niveau zu.

Pezzey und Foé schüren Ängste

„Ich habe oft gedacht, das wird nichts mehr mit dem Fußball“, erzählt Schubert von seiner Leidenszeit. Der Beistand von Freundin und Familie war ihm sicher, ebenso die Unterstützung der Teamkollegen. Mit Botschaften auf ihren Trikots schickten sie via TV-Übertragung Genesungswünsche ins Krankenhaus. Doch auch auch der Klub hielt dem Publikumsliebling die Treue. Obwohl ein vorzeitiges Karriereende drohte, wurde Schuberts Vertrag verlängert. Der Verein handelte allen medizinischen Prognosen zum Trotz und ignorierte die Regeln des erbarmungslosen Fußballgeschäfts, in dem sonst Marktwerte und Statistiken über Einzelschicksale entscheiden. Das sei der Vorteil der sonst so belächelten Kleinvereine, glaubt Schubert. „Ich werde Christian Haas (Grödig-Manager) immer dankbar sein. Grödig ist so familiär, die lassen dich nicht fallen.“

Auch die Trainer nicht. „Hütter hat mich auch um zehn am Abend im Krankenhaus besucht. Bei Michael Bauer war ich komplett in die Mannschaft integriert, obwohl ich nicht ein Training gemacht habe.“ Der jetzige Coach Peter Schöttel bescherte Schubert am 14. November einen großen Moment. Es war Länderspielpause, Grödig bestritt in Eugendorf ein Testspiel. In der 70. Minute gab Schöttel das Zeichen („Jetzt geht's los“), Daniel Schütz verließ das Feld, und Schubert feierte nach 23 Monaten voller Ungewissheit, Sorgen und Zweifel sein Comeback bei den Profis. „Ich hatte schon beim Aufwärmen ein Grinsen im Gesicht“, erinnert sich Schubert. Nur knapp zwei Wochen zuvor war dem Schweizer Stephan Lichtsteiner, 31, ebenfalls Rechtsverteidiger, einen Monat nach seiner Herz-OP ein Traumtor für Juventus Turin in der Champions League gelungen.

Schuberts Herzmuskelentzündung ist inzwischen ausgeheilt. Zurück bleibt eine kleine Narbe – und die Angst vor dem Rückfall. Auch der Grödig-Profi kennt die Geschichten von Bruno Pezzey und Marc-Vivien Foé. Der österreichische Weltklasseverteidiger Pezzey verstarb am Silvestertag des Jahres 1994 im Alter von 39 Jahren völlig unerwartet während einer Jux-Eishockey-Partie in der Innsbrucker Olympiahalle. Eine nicht ausgeheilte Herzmuskelentzündung wurde vermutet. Foé brach 2003 im Halbfinale des Confed-Cups in Lyon im Mittelkreis zusammen. Todesursache beim Kameruner war Herzversagen, der Modellathlet wurde nur 28 Jahre alt.

Zukunft in Grödig noch offen

„Natürlich habe ich beim Comeback daran gedacht. Aber du willst einfach dem Ball nachrennen und denkst dir: Ich riskiers!“, erklärt Schubert. Im Eifer des Gefechts verschwinden die Befürchtungen, aber nicht für lange. „Wenn du irgendetwas spürst, ist die Angst sofort wieder da.“

In der Herbstsaison spielte Schubert bei den Amateuren. Nun hat er zwei Wochen lang wieder mit den Profis trainiert. Aus der Zeit vor der Zwangspause sind nur noch zwei Spieler im Verein. Verlernt habe er jedenfalls nichts, im Gegenteil. Schubert hat einen Lebenswandel vollzogen, schätzt das Fußballer-Leben heute mehr als früher und ist Botschafter der Heartbeat-Foundation, die sich für Herzsicherheit im Sport einsetzt. „Ich bin ein anderer Profi, vor allem, was die Ernährung betrifft, aber auch das Fortgehen. So eine Feier, auch wenn es nur einmal im Monat ist, haut dich zurück.“

Die Ungewissheit ist nicht ganz vorüber. Im Winter wird es Gespräche mit Grödig geben. Falls Schubert keinen Profivertrag erhält, darf er ablösefrei wechseln, so viel sei bereits ausgemacht. Nach all der Unterstützung, die er hier erfahren habe, werde er Grödig immer verbunden bleiben. Hauptsache sei aber, wieder zu spielen, „egal wo“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2015)

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