Karl Daxbacher: "Nur nicht hinten reinstellen"

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Der Bundesliga-Fußball ist zurück in St. Pölten. Für Trainer Karl Daxbacher ist die heutige Auftaktpartie eine ganz besondere, es geht gegen die Austria, seinen erklärten "Herzensklub"

Der Trainer tanzt, er kniet vor seiner Mannschaft nieder, mit dem Megafon orchestriert er den Jubel, die Spieler tragen ihn auf Händen, der niederösterreichische Landeshauptmann umarmt ihn. Es waren Bilder, wie man sie so von Karl Daxbacher eigentlich nicht kennt. Nicht, weil es in seiner Karriere keine Gründe zu feiern gegeben hätte, sondern, weil er zu Recht als ruhig und besonnen gilt. Manche meinen gar, der 63-Jährige sei langweilig, aber es ist wohl vielmehr Bescheidenheit, die Daxbacher ausstrahlt.

Spricht er über den Bundesliga-Aufstieg mit seinem SKN St. Pölten ist auch jetzt noch, knapp zwei Monate danach, die Euphorie spürbar. „Wir haben in der Erste Liga einen Punkterekord (80 Zähler, Anm.) aufgestellt. Das war beeindruckend für mich und auch überraschend“, sagt Daxbacher. Denn die Voraussetzungen seien woanders besser gewesen. „Wir haben es nicht geschafft, weil wir so viele Individualisten hatten. Sondern durch Zusammenhalt, Teamspirit. Einer für alle, nicht aufgeben, um jeden Punkt kämpfen.“ Bei diesen Sätzen schwingt durchaus ein wenig Genugtuung mit. Darüber, dass er es am Ende war, der mit St. Pölten aufgestiegen ist, und nicht Oliver Glasner mit dem Topfavoriten Lask, seinem ehemaligen Arbeitgeber. Im Frühjahr 2015 wurde Daxbacher von den Linzern gefeuert, zuvor hatte er sie aus der Regionalliga in die Erste Liga geführt. Für Daxbacher kam die Entscheidung unerwartet, er übernahm daraufhin den SKN St. Pölten.


Festwochen. Erstmals seit 22 Jahren ist die Stadt wieder in der höchsten Spielklasse vertreten, der gebürtige St. Pöltener Daxbacher erhielt von Erwin Pröll das Große Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland. Immerhin handelt es sich um eine Landeshauptstadt, die den Dorfklub Grödig im Oberhaus ablöst, die Salzburger haben sich nach dem Abstieg freiwillig in die Westliga zurückgezogen. Was also darf man sich von St. Pölten erwarten? „Ein schönes neues Stadion, die Infrastruktur passt“, erklärt Daxbacher. Die NV-Arena fasst 8000 Zuschauer. Bei Topspielen rechnet man mit ausverkauftem Haus, insgesamt wären im Schnitt 4500 wünschenswert, also doppelt so viel wie in der vergangenen Saison.

Ob auch die Mannschaft bundesligareif ist, „wird sich erst zeigen“, meint der Coach. Natürlich habe man sich verstärkt. Sportdirektor Frenkie Schinkels hat sich in seinem Geburtsland umgesehen und die Niederländer Heerings (Abwehr), Lumu (Mittelfeld) und Lucassen (Angriff) verpflichtet, dazu kamen mit Schütz (Grödig), Drazan (Lask) und Pârvulescu (Bukarest) erfahrene Außenspieler. Denn auch als Underdog will Daxbacher nicht vom Erfolgsrezept ablassen. „Ich erwarte, dass sich die Mannschaft nicht hinten reinstellt, sondern nach vorn spielt. Das darf auch die Bundesliga erwarten. So ist meine Trainerphilosophie.“

Von 2008 bis 2011 durfte er diese bei der Austria verwirklichen, Höhepunkt war der Cupsieg 2009. Dass die Wiener heute in der ersten Runde in St. Pölten gastieren, beschert Daxbacher einen besonderen Bundesliga-Auftakt. Schließlich geht es gegen seinen erklärten „Herzensklub“, für den er als Spieler knapp 400 Partien bestritten hat. „Ich habe über 20 Jahre bei der Austria verbracht, mein Herz hängt an diesem Klub.“ Aber heute wird er das „total ausblenden“. Es gilt, den Schwung vom Aufstieg mitzunehmen, nicht gehemmt zu sein, das Potenzial abzurufen. Dann könne sein Team überraschen. „Das haben wir auch vor.“

Danach wartet auf das St. Pöltner Publikum mit dem ersten Niederösterreich-Derby gegen die Admira gleich das nächste Highlight. Der Rivale aus dem Wiener Umland gibt sich schon kampfeslustig, Admira-Coach Oliver Lederer erlaubte sich zuletzt einen Seitenhieb gegen die vermeintliche Finanzkraft der St. Pöltner samt Unterstützung des Landes und Fußballakademie. Auf die Akademie – sie ist dem niederösterreichischen Verband unterstellt – habe man jedenfalls wenig Einfluss, entgegnet Daxbacher, „auch wir müssen die Spieler kaufen“. Die Duelle mit dem Überraschungsteam der vergangenen Bundesligasaison erwartet er auf Augenhöhe, schon im Cup-Halbfinale im April (1:2) sei das so gewesen.

Der feine Unterschied. Ein Abstecher zum Meister nach Salzburg komplettiert am dritten Spieltag den ungemütlichen Bundesliga-Einstand von Neuling St. Pölten. Spätestens dort wird man wohl nicht mehr ohne Abwehrriegel auskommen. „Vor haben wir es nicht!“, bekräftigt der Coach. „Aber zwischen Vorhaben und Umsetzen gibt es oft einen Unterschied. Es wird sich zeigen, ob wir zurückrudern müssen.“

Bis es möglicherweise so weit ist, will St. Pölten die Großen ärgern. „Aufsteiger haben zuletzt gezeigt, dass vieles möglich ist“, ruft Daxbacher in Erinnerung. Admira (Dritter 2012), Wolfsberg (Fünfter 2013), Grödig (Dritter 2014) und Altach (Dritter 2015) sind die jüngsten Beispiele. Außerdem: „Bei zehn Klubs kannst du schnell nach vorn kommen“, sagt der Trainer. Er meint damit den fünften, vielleicht sogar den vierten Platz. Hoch gegriffen und ambitioniert sei das, vorrangiges Ziel bleibe natürlich der Klassenerhalt. „Wir sind aufgestiegen, weil der Einsatz und der Glaube an uns groß waren“, erklärt Daxbacher – und schon ist die Euphorie wieder zu hören. „Wenn wir das fortsetzen, machen wir in der Bundesliga eine gute Figur.“

Steckbrief

Karl Daxbacher wurde am 15. April 1953 in St.Pölten geboren.

Spieler
Mit Austria Wien siebenfacher österreichischer Meister, viermal Cupsieger, Finale des Europapokals der Pokalsieger (1978).

Trainer
St. Pölten (1999–2002), Austria Amateure (2002–2006), Lask (2006–2008), Austria (2008–2011), Lask (2012–2015), St.Pölten (seit 2015).

Cupsieger mit der Austria 2009, Meister der Erste Liga mit Lask (2007) und St. Pölten (2015).

St. Pölten–Austria
NV-Arena, 16.30 Uhr, live auf ORF eins.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2016)

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