Die ewige Suche nach Talenten

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Fußballspiele werden nicht immer nur auf dem Rasen gewonnen - ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner ringt um Teenager mit Migrationshintergrund. Zwischen Ehre, Vision - und Herzenswunsch.

Belgrad/Wien. Österreichs Fußball-team lief am Sonntag im WM-Qualifikationsspiel in Belgrad mit zwei Spielern ein, die theoretisch auch das Trikot des Gegners hätten tragen können. Marko Arnautović und Aleksandar Dragović haben serbische Wurzeln, entschieden sich jedoch schon vor langer Zeit für den ÖFB – und gegen das Land ihrer Vorfahren.

Doch nicht immer bleiben dem ÖFB solche Talente erhalten. Sinan Bytyqi etwa durchlief sämtliche österreichische Nachwuchsauswahlen, ehe er nun unlängst zum kosovarischen Verband wechselte. „Das tut sehr weh, ich habe bis zuletzt um ihn gekämpft. Aber es war sein Herzenswunsch, für den Kosovo zu spielen. Das muss man akzeptieren“, erklärt ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner.

Frage der Identifikation

Mateo Kovačić, in Linz geborener Nachkomme von Kriegsflüchtlingen aus Kroatien, gab dem ÖFB einen Korb. Er spielte in seiner Kindheit für Lask Linz, wurde dort ausgebildet und kickt mittlerweile bei Real Madrid sowie im kroatischen Nationalteam.

Lazio-Profi Moritz Leitner, Sohn eines Deutschen und einer Steirerin, spielte zuerst für die österreichische U17-Auswahl, dann aber für deutsche Juniorennationalteams – und blieb beim DFB. Ruttenstein: „Ich habe ihm dargestellt, dass er bei uns die Möglichkeit einer Nationalteam-Einberufung eher hat als in Deutschland. Aber er hat sich mehr als deutscher Staatsbürger gefühlt und das Risiko, dort nicht einberufen zu werden, auf sich genommen.“

Um Talente mit Wurzeln im Ausland beim ÖFB zu halten, sei die Identifikation mit Österreich ebenso wichtig wie die professionelle Nachwuchsarbeit des Verbandes. Betreuung, Atmosphäre, Kontakt mit der Familie, Anrufe, E-Mails, WattsApp – es gibt Kommunikationsmöglichkeiten sonder Zahl, die Entscheidung trifft letztlich das Herz. Aber zwischen Patriotismus, Ehre und Vision liegen philosophische Welten.

Dank dieser Philosophie aber hat man der ÖFB gute Karten im Tauziehen um Thierno Ballo. Der 14-Jährige kam in Abidjan, Elfenbeinküste, zur Welt, wuchs in Linz auf, wechselte in die Nachwuchsabteilung von Leverkusen und unterschrieb angeblich einen Vorvertrag bei Chelsea. Bald wurde er für den DFB interessant, der ÖFB reagierte umgehend und setzte ihn im vergangenen Mai in zwei U16-Länderspielen ein. Weitere Überzeugungsarbeit leistete Ruttensteiner, indem er Ballos von der Elfenbeinküste stammendem Vater etwa bei der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft behilflich war. „Jetzt geht es nur noch darum, dass sich die Familie in Österreich wohlfühlt und glücklich lebt.“

Flavius Daniliuc, 15, Mittelfeldspieler mit rumänischem Migrationshintergrund, kickt nach Stationen bei Rapid und Real Madrid für den Nachwuchs des FC Bayern – und ist fixer Bestandteil des U16-Teams. Auch er soll beim ÖFB sein Glück finden.

Migrationsströme in Europa

Durch Migrationsströme setzte in Europa ein Wettbewerb zwischen Nationalverbänden um vielversprechende Jungkicker ein. Die Fifa reagierte mit diversen Reformen der Zugangskriterien für Spielberechtigungen. Derzeit gilt als Faustregel, dass sich jeder Spieler vor der Vollendung seines 21. Lebensjahres für einen Verband entscheiden kann, sofern er dessen Staatsbürgerschaft besitzt. Allerdings wird jeder Fall einzeln geprüft – so wie auch jener von Bytyqi, der beim 0:6 gegen Kroatien auf Kosovos Ersatzbank saß. Ruttensteiner würde sich daher eine Art Ablösesumme für Talente wünschen, die das Nationalteam wechseln. „Es ist für einen Verband ärgerlich, wenn man jahrelang in Spieler investiert, und im Endeffekt entscheidet er sich dann doch ganz anders.“

Geld sei bei Teamentscheidungen nie im Spiel, versichert Ruttensteiner. Er habe weder von Spielern noch einem Vater „oder irgendeiner anderen Person je eine Äußerung in diese Richtung“ gehört, könne so etwas „für den ÖFB auch völlig ausschließen“, sagt der 53-Jährige. Im Fußball geht es doch nicht immer nur um Geld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2016)

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