Neuers Warnung: "Wir haben noch nichts erreicht"

BRAZIL SOCCER FIFA WORLD CUP 2014
BRAZIL SOCCER FIFA WORLD CUP 2014 APA/EPA/PETER POWELL
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WM-Finale. Nach dem 7:1 gegen Brasilien und der glanzlosen Vorstellung Argentiniens gegen die Niederlande rückt Deutschland in die Rolle des Titelfavoriten. Die Gefahr, sich von Vergangenem blenden zu lassen, besteht.

Rio de Janeiro. Joachim Löw und seine Mannschaft verfolgten den argentinischen Halbfinal-Kraftakt im Stammquartier Campo Bahia wohl mit einem leichten Schmunzeln. Der Energieverlust der Albiceleste könnte sich für die DFB-Elf im Finale am Sonntag (21 Uhr, live in ORF 1, ARD) durchaus als Vorteil herausstellen. Auch, weil Deutschlands Spieler einen Tag länger regenerieren können.

Nachdem Löw Gewissheit über den Gegner hatte, konnte er am Donnerstag die zielgerichtete Final-Vorbereitung beginnen. „Argentinien ist defensiv stark, kompakt, gut organisiert. In der Offensive haben sie überragende Spieler wie Messi und Higuaín", sagte der Bundestrainer respektvoll. Das Selbstvertrauen könnte nach dem beeindruckenden 7:1 gegen Gastgeber Brasilien nicht größer sein, die Erwartungshaltung ist gewaltig. Nun liegt es auch an Löw, ein wenig auf die Euphoriebremse zu steigen. „So ein Spiel wie das Halbfinale kann und wird das Finale nicht werden. Argentinien wird sich gegen uns ganz anders präsentieren", stellte der Bundestrainer unmissverständlich klar.

Die unerfüllte Titelmission

Für Löw, der sein Amt nach der Weltmeisterschaft 2006 angetreten ist, ist das Endspiel die große Möglichkeit, seine Karriere beim DFB zu krönen. Nach einem zweiten Platz (EM 2008) und zwei dritten Plätzen (WM 2010, EM 2012) will der 54-Jährige in den elitären Kreis der deutschen WM-Titeltrainer um Sepp Herberger (1954), Helmut Schön (1974) und Franz Beckenbauer (1990) aufrücken. „Titel", sagt Löw, „sind immer wunderbar."
Der Plan des einstigen Austria-Trainers ist in Brasilien vorerst voll aufgegangen. Die Mittelfeldmotoren Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira, in der Vorrunde nach ihren Verletzungen noch mit offensichtlichen Defiziten, rufen rechtzeitig ihr Können ab. Und von einem fehlenden Stürmer neben Miroslav Klose, der mittlerweile den WM-Torrekord des Brasilianers Ronaldo gebrochen hat, spricht auch niemand mehr. Nun müsste eigentlich nur noch der kriselnde Mesut Özil den von Löw herbeigesehnten „genialen Moment" erwischen.

Im deutschen Lager ist man jedenfalls zuversichtlich, als erste europäische Mannschaft den WM-Pokal in Südamerika zu stemmen. „Wir sind von uns überzeugt", unterstrich Kapitän Philipp Lahm, der zugleich aber vor allzu großem Optimismus warnte. „Es geht wieder bei 0:0 los. Ein Finale kann in beide Richtungen gehen." Ähnlich äußerte sich auch Toni Kroos, Ideengeber im Mittelfeld. „Der Gegner wird Respekt vor uns haben, speziell nach diesem 7:1. Aber auch wir haben Respekt vor Argentinien."

Eine Schlüsselrolle könnte dem bislang überragenden Schlussmann Manuel Neuer zukommen. Deutschland kassierte in sechs Spielen erst drei Gegentore, Neuer verhinderte, dass es mehr wurden. Auch er mahnte vor verfrühter Euphorie - man dürfe sich vom Schützenfest gegen Brasilien und den darauffolgenden Lobeshymnen keinesfalls blenden lassen. „Wir stehen im Finale, viele Mannschaften würden gern mit uns tauschen. Wir freuen uns darüber, wissen aber, dass wir trotzdem noch nichts erreicht haben." (cg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2014)

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