WM-Finale: Keine Geradlinigkeit ohne Unbeirrbarkeit

FUSSBALL - FIFA WM 2014, Training, Team GER
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Joachim Löw steht mit der deutschen Mannschaft vor seinem wichtigsten Spiel. Der 54-Jährige hat den richtigen Plan und ist flexibel genug, um die „WM der Strapazen“ erfolgreich und eindrucksvoll zu bewältigen.

Er hat sich entwickelt. Und zwar zu einem ganz großen Trainer, der am Sonntag vor seinem wichtigsten Spiel steht. In Österreich hat man Joachim Löw in Innsbruck kennengelernt, später in Wien bei der Austria. Und niemand hätte damals damit gerechnet, es womöglich mit einem künftigen Weltmeistermacher zu tun zu haben.

Nun steht der 54-Jährige mit seiner Mannschaft unmittelbar vor dem WM-Finale 2014, gelingt ihm auch noch der letzte Schritt bei diesem Turnier, dann wäre ihm sogar ein Platz in den Fußballannalen sicher. Mit dem ersten Triumph eines europäischen Teams in Südamerika. Noch dazu in einem Stadion, das als eine Art Tempel des Fußballs betrachtet wird: Maracanã ist nicht irgendeine Spielstätte. Das ist trotz Neubaus noch immer lebendige Historie.

Stets Ruhe bewahrt

Die deutsche Mannschaft trägt die Handschrift von Joachim Löw. Dabei sei in Erinnerung gerufen, dass die Zweifel am Bundestrainer vor dieser Weltmeisterschaft so groß wie nie waren. Auch noch in der unmittelbaren Vorbereitung auf Brasilien gab es Kritik. Da lief nicht alles rund, es gab personelle Probleme, Spieler waren (noch) nicht fit genug. Aber Löw hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Er hat seinen Plan durchgezogen, sich von seinem Weg nicht abbringen lassen. Löw blieb immer seinen Prinzipien treu, für Brasilien hatte er immer schon seine eigenen Vorstellungen. Weil er wusste, dass diese WM ganz besondere Anforderungen stellt.

Joachim Löw ist ein Freund der Offensive, er ist ein Freund des schnellen Passspiels. das alles hat manchmal dazu geführt, dass in der Defensive das Risiko übertrieben wurde. Das extrem laufintensive Konzept war seiner Meinung nach bei den klimatischen Bedingungen in Brasilien nicht durchführbar.

Folglich mussten kleinere Adaptierungen her. Mit den vorhersehbaren Anpassungsschwierigkeiten. Aber Löw hat das in Kauf genommen. Und stets Ruhe bewahrt. Seine Gelassenheit wurde ihm in der Heimat zum Teil nicht abgenommen, Misstrauen war lange ein Begleiter. Bis zum 7:1 gegen Brasilien. Erst dieser epochale Triumph hat die allerletzten Zweifler bekehrt. Jetzt ist ganz Deutschland bereit, den Bundestrainer in den Himmel zu heben.

In der Vorrunde herrschte noch Skepsis. Gegen Portugal ist alles für die DFB-Auswahl gelaufen, ein Elfmeter, eine Rote Karte und ein schwacher Cristiano Ronaldo wurden ins Treffen geführt. Ghana war Kampf, das 1:0 gegen die USA unspektakulär, weil beide Mannschaften damit sehr gut leben konnten. Das Achtelfinale gegen Algerien – ein einziger Rückfall.

Gegen die Franzosen erfolgte die erste Reifeprüfung. Auch dank Umstellungen und einem Philipp Lahm als Außenverteidiger. Die Doppelsechs mit Khedira und Schweinsteiger hatte dann auch endlich Betriebstemperatur aufgenommen. Dass es dazu kommen wird, daran hat Löw nie gezweifelt.

Der 54-Jährige, der für seine faltenfreien weißen Hemden bewundert oder beneidet wird, ist in Brasilien einmal in einem T-Shirt zur Pressekonferenz erschienen. Ein Bild mit Signalwirkung, denn die WM 2014 ist nur mit harter Arbeit zu bewerkstelligen. Energie dafür hat er am Strand getankt. Mit Läufen und iPad. In Santo Andre haben sich die Deutschen optimale Bedingungen geschaffen, auch für dieses selbst geschaffene Camp hat es Kritik gehagelt. Jetzt ist es Teil des Ganzen.

Der DFB-Cheftrainer steht nach 111 Spielen in seiner Verbandslaufbahn (seit 2006) vor seinem wichtigsten Match. Er hat Deutschland zum zweiten Platz bei der Euro 2008 geführt, er wurde Dritter bei der WM 2010 und auch bei der Euro 2012. „Wir haben uns erarbeitet, dass wir immer drangeblieben sind“, sagt Löw. „Dass wir eine gute Vorbereitung hatten, dass wir viel investiert haben. Und dass wir natürlich auch sehr gute Spieler haben.“

„Das blöde Gerede“

Erich Ribbeck, Rudi Völler und Jürgen Klinsmann sind ohne Titel geblieben. Und bisher auch Joachim Löw. „Ich würde ihm diesen Titelgewinn gönnen“, sagt Wolfgang Niersbach, der DFB-Präsident. Er war schon vor 24 Jahren für den Verband als Pressechef tätig, als Deutschland im Finale von Rom gegen Argentinien mit 1:0 gewann. Heute zeichnet er dafür verantwortlich, dass man den Vertrag mit dem Bundestrainer bis 2016 verlängert hat.

„Ich wünsche uns allen im Finale alles Gute“, so Niersbach. „Schon deshalb, damit das blöde Gerede, mit Joachim Löw sei der Sprung auf das oberste Podest nicht möglich, aufhört.“

Joachim Löw ist fast schon am Ziel. Verbiegen lässt sich einer wie er nicht. „Ich verfolge eine klare Linie und werde diese nicht der öffentlichen Meinung anpassen, nur um dieser Meinung zu entsprechen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2014)

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