Brasilien: Fußballfans aus Ghana wollen Asyl

Fans of Ghana cheer before their 2014 World Cup Group G soccer match against Germany at the Castelao arena in Fortaleza
Fans of Ghana cheer before their 2014 World Cup Group G soccer match against Germany at the Castelao arena in FortalezaREUTERS
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Zahlreiche afrikanische Schlachtenbummler nutzen ihre Reise zur Fußball-WM offenbar zur Flucht. Die Polizei erwartet sogar den Eingang von bis zu 1000 Asylanträgen.

São Paulo/Wien. Sie reisten nach Brasilien, um ihrer Fußballnationalmannschaft, den „Black Stars“, bei den WM-Spielen zuzujubeln. Viele der Fußballfans haben nach dem Ausscheiden ihres Teams freilich auch beschlossen, zu bleiben: Rund 240 Schlachtenbummler aus dem westafrikanischen Land Ghana haben in Brasilien bereits Asyl beantragt.

Die Polizei der nordöstlichen Großstadt Caxias do Sul bestätigte, dass in der vergangenen Woche insgesamt 240 Ghanaer ihre Anträge abgegeben hätten. Und in den kommenden Tagen und Wochen erwarten die Behörden, dass weitere rund 1000 ghanesische Fußballfans um Asyl ansuchen werden. „Seit Beginn der WM ist die Zahl der Asylanträge erheblich angestiegen“, sagte der Polizeichef von Caxias do Sul, Noerci da Silva Melo. „Im Moment gehen 20 Anträge pro Tag ein“, so der Polizeichef, „während zu Beginn der WM auch einmal 65 pro Tag eingingen.“ Nun sei das Justizministerium am Zug: Dort wird entschieden, ob den Afrikanern Asyl gewährt wird.

Die Ghanaer sind mit Touristenvisa nach Brasilien gereist, die Fans aus aller Welt bekamen, die den Kauf eines Tickets für ein Spiel vorweisen konnten. Die Visa sind 90 Tage gültig. Asylanträge müssen laut brasilianischem Recht im Land selbst gestellt werden. Asylwerber dürfen sich legal in Brasilien aufhalten und auch arbeiten.

Das Paradies für Jobsuchende

Die gebirgige Serra Gaúcha im Nordosten Brasilien ist zwar weit weg von allen WM-Spielstätten, in denen Ghana dem Ball nachjagte. Die Region, in der sich Ende des 19. Jahrhunderts viele Deutsche und Italiener niederließen, ist aber für die guten Jobchancen bekannt. „Die Serra Gaúcha hat den Ruf, dass es viel Arbeit gibt. Daher ist die Gegend zum Magneten für viele ausländische Arbeitskräfte geworden“, sagte Melo zur Nachrichtenagentur Agencia Brasil. Der lokale Markt sei nun aber weitgehend gesättigt. „Viele Senegalesen und Haitianer, die dem Ruf des boomenden Arbeitsmarkts gefolgt sind, verkaufen jetzt auf der Straßen Uhren und gefälschte CDs“, so der Polizeichef. Rund 150 der Ghanaer, die Anträge gestellt haben, sind mittlerweile in andere Bundesstaaten weitergezogen. Die Verbleibenden werden derzeit von einer katholischen Organisation versorgt und wohnen in einem Priesterseminar.

Religiöser Konflikt

Die Ghanaer gaben an, Muslime zu sein und aufgrund eines religiösen Konflikts in ihrer Heimat verfolgt zu werden. „Zu Hause erwartet sie eine lebensbedrohliche Situation“, erklärte Vanessa Perini Moojen vom „Migrant Support Center“, das die Fans derzeit versorgt. In Brasilien würden sie bessere Lebensbedingungen vorfinden, so Moojen. Als „völlig aus der Luft gegriffen“ wies Ghanas Informationsministerium diese Angaben zurück. Es gebe keinen religiösen Konflikt in Ghana.

Tatsächlich zählt der Küstenstaat zu Afrikas Musterländern: Die politische Situation gilt als stabil, die Wirtschaft dank Ölvorkommen als stark. Ghana gehört zu jenen Ländern, in denen die Millennium-Entwicklungsziele der UNO zur Halbierung der Armut bis 2015 auch erreicht werden konnten. Ob die Asylwerber tatsächlich von einem regional begrenzten Konflikt betroffen sind, muss nun Brasiliens Justizministerium herausfinden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2014)

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