Deutschland: Das Geschäft mit dem vierten Stern

Germany´s Schweinsteiger  holds up the World Cup trophy during celebrations to mark the team´s 2014 Brazil World Cup victory in Berlin
Germany´s Schweinsteiger holds up the World Cup trophy during celebrations to mark the team´s 2014 Brazil World Cup victory in Berlin(c) REUTERS (ALEX GRIMM)
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500.000 Fans feierten das DFB-Team in Berlin, eine Million Menschen folgte dem Truck durch die Stadt. Das Wettrennen der Sponsoren beginnt, der DFB wartet auf Löws Reaktion.

Berlin. Deutschland ist nicht nur Fußballweltmeister, sondern versteht es auch, Feste zu feiern. Über eine halbe Million Menschen drängten sich am Dienstag vor dem Berliner Brandenburger Tor, um dem Team einen gebührenden Empfang zu bereiten. Schon die Fahrt vom Flughafen Tegel in das Stadtzentrum war ein Erlebnis, Menschenmassen folgten dem offenen Truck, und laut Polizeiangaben sollen es eine Million Menschen gewesen sein. Oft musste der Konvoi stoppen, es gab kein Durchkommen mehr. Sogar auf der Spree unterbrachen Ausflugsschiffe ihre Fahrt...

Als das Team um Joachim Löw um 13.02 Uhr die Hauptbühne der– rundum abgesperrten – Fanmeile betrat, brach ohrenbetäubender Jubel aus. Löw und seine Spieler, versteckt hinter Sonnenbrillen und gezeichnet von der WM-Feier in Rio de Janeiro sowie dem elf Stunden langen Flug, zelebrierten Deutschlands vierten WM-Titel nach 1954, 1974 und 1990 mit einer unglaublichen Show. „Wir haben die Bilder aus Deutschland mitbekommen, wie die Fans mitgefiebert haben. Ohne euch wären wir nicht hier. Wir sind alle Weltmeister“, schrie Löw. „Ihr seid fantastisch.“

Tweets, Trikots, Testimonials

Während die Spieler feierten und unentwegt Selfies schossen, machten erste Zahlen der wahren Gewinner dieser WM im Hintergrund die Runde. 672 Millionen Tweets rund um den vierten Stern lassen Sponsoren und Liga hellhörig werden. Ausrüster Adidas kommt mit der Produktion der begehrten 80Euro teuren Trikots kaum nach, der DAX wies dem Konzern ein Plus von 2,4 Prozent aus. Denn erstmals erlöste das Unternehmen aus Herzogenaurach mehr als zwei Milliarden Euro mit seinen WM-Produkten. Auch auf dem US-Markt lässt eine Zahl aufhorchen: Nike verdiente im bis zur WM gezählten Geschäftsjahr 2,3Milliarden Dollar.

Die Deutsche Bundesliga erwartet sich durch den WM-Sieg höhere Popularität weltweit, steigende TV- und Werbeverträge oder Merchandising-Verkäufe sind damit gewiss. Berliner Finanzexperten glauben, dass der FC Bayern dabei der größte Profiteur sei. Er stellte sieben Spieler im DFB-Kader, deren Marktwert binnen sieben Wochen um 40 Millionen Euro gestiegen sein soll.

Sponsoren stehen bei den Spielern Schlange, Mario Götze ist dank des Goldtreffers im Finale gegen Argentinien der größte Gewinner der 23 Weltmeister. Die 300.000 Euro, die er als WM-Prämie erhalten hat, sind laut deutschen Marktforschern nur ein minimaler Bruchteil dessen, was er als neues Testimonial oder Werbestar einstreifen wird. Dieses Tor hat nicht nur sein Leben, sondern das Leben aller Spieler und auch das des Trainers verändert.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach war von den Menschenmassen in Berlin begeistert. Er sprach von einem „noch nie in dieser Dimension erlebten Wir-Gefühl“, und auch deshalb gehe er von Löws Verbleib aus. „Wir sind ganz klar ausgerichtet auf September, da gehen die Länderspiele los. Ich sehe keinen anderen Trainer auf unserer Bank sitzen als Löw.“

Die Verträge mit Löw und Manager Bierhoff wurden vor der WM bis zur EM 2016 in Frankreich verlängert. Am 3.September wartet das erste Testspiel auf den Weltmeister – gegen Argentinien. (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2014)

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