Augusta: Abschlag mit Gänsehautfaktor

Blooming azaleas are seen near the 16th green during a practice round for the 2008 Masters golf tournament at the Augusta National Golf Club in Augusta
Blooming azaleas are seen near the 16th green during a practice round for the 2008 Masters golf tournament at the Augusta National Golf Club in AugustaREUTERS
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Zum 79. Mal spielen beim Masters die weltbesten Golfer um den ersten Major-Titel des Jahres. Mittendrin zwischen Magnolien, und tausenden Zuschauern ist mit Bernd Wiesberger zum ersten Mal auch ein Österreicher.

Die Kleinstadt Augusta im Bundesstaat Georgia wird in Reiseführern definitiv nicht als Highlight angeführt und fristet in der Regel wie manch anderer Ort in den USA ein eher tristes Dasein nach der Krise. Doch einmal im Jahr geht der Name der gut 200.000 Einwohner zählenden Siedlung am Savannah River um die ganze Welt und wird zum magischen Anziehungspunkt für zigtausende Menschen: Dann, wenn in der ersten vollen Aprilwoche der Augusta National Golf Club die besten Golfspieler der Welt zum Masters lädt und Scharen an Fans an diesem einzigartigen Spektakel teilhaben wollen.

Obwohl das Masters erst seit 1934 ausgetragen wird und damit das jüngste der vier Major-Turniere ist, genießt es das höchste Prestige. Als einziges wird es immer auf demselben Platz gespielt, exakt 19 Kriterien entscheiden über die Qualifikation für das mit Abstand kleinste Teilnehmerfeld. Auch heuer umfasst der elitäre Kreis weniger als 100 Golfer, erstmals in der Geschichte aber fand eine Einladung den Weg nach Österreich. Bernd Wiesberger hat mit Rang 42 der Weltrangliste eines der begehrten Tickets für die mit neun Millionen Dollar dotierte 79. Auflage gelöst und wird am Donnerstag (ab 21 Uhr, live Sky) als erster rot-weiß-roter Vertreter auf dem ehrwürdigen Grün abschlagen. „Das Masters ist für jeden Golfer das Nonplusultra“, betont der Burgenländer. „Allein die Teilnahme ist eine riesige Auszeichnung.“


Heiliger Gral. Für die Turnierwoche öffnet der Augusta National Golf Club einmal im Jahr die Pforten seines elitären Klubhauses am Ende der mit 61 Magnolien gesäumten Straße. Sonst ist der Zutritt den rund 300 Mitgliedern (erst seit 2012 auch Frauen), darunter Wirtschaftsgrößen wie Warren Buffett und Bill Gates sowie einigen Ex-Präsidenten, vorbehalten. Der einzigartige Mythos, der das Turnier umgibt, sorgt auch bei Österreichs Nummer eins für Faszination. „Es ist so etwas wie der Heilige Gral des Golfsports. Wenn ich daran denke, bekomme ich Gänsehaut“, sagt Wiesberger, der als Elfjähriger erstmals mitgefiebert hat. Damals, im Jahr 1997, trotzte er Zeitverschiebung und so mancher elterlichenr Vorgabe und erlebte vor dem Fernseher Tiger Woods' ersten Masters-Triumph – bis heute ist der US-Superstar mit 21 Jahren der jüngste Gewinner – mit.

18 Jahre später wird Wiesberger selbst ein Platz im Rampenlicht zuteil. „Der Traum hat im Kindesalter begonnen und geht jetzt in Erfüllung. Respekt vor Turnier und Tradition ist da, aber ich werde versuchen, mich nicht zu sehr ablenken zu lassen. Trotz allem sind es im Idealfall doch nur 72 Löcher Golf“, betont Wiesberger, der mit Mutter, Vater, Bruder, Trainer und einem Freund ein Haus in Augusta beziehen wird. „Das war überhaupt keine Frage. Die ganze Familie bietet mir so viel Rückhalt und Unterstützung. Meine Eltern sind selbst sehr golfbegeistert, und wenn dann noch der eigene Sohn mitspielt – das erlebt man nicht alle Tage.“


Millimeterfrage. Einen gewissen Exotenstatus hat Wiesberger als derzeit einziger Österreicher auf der Tour inne, doch spätestens seit dem gemeinsamen Schlussflight mit dem Weltranglistenersten und späteren Sieger, Rory McIlroy, beim PGA Championship im vergangenen Jahr ist sein Name allen Golffans ein Begriff. Der diesjährige Traumstart mit den Rängen sechs (Abu Dhabi), drei (Katar), vier (Dubai) und zwei (Kuala Lumpur) ermöglichte nun den historischen nächsten Schritt. „Das waren sicher die bislang besten Wochen meiner Karriere. Aber es ist schwer zu sagen, warum es einmal läuft und vielleicht schon am nächsten Tag nicht mehr. Es geht um Millimeter, da machen oft Kleinigkeiten den Unterschied aus“, erklärt der 29-Jährige, der seit 2006 Profi ist und bei über vier Millionen Euro Preisgeld hält.

Eine Augen-Laser-OP vor Weihnachten war einer dieser Puzzlesteine für den Höhenflug, der ihn bis auf Platz 36 der Weltrangliste führte und ihm als ersten Österreicher eine Einladung auf die PGA-Tour einbrachte. In den USA verpasste Wiesberger zweimal den Cut, sammelte aber wichtige Erfahrung. „Noch ist es Neuland für mich“, erzählt er. „Im Vergleich zu Europa ist die Spitze breiter, alles noch professioneller aufgezogen. Die Spieler werden extrem promotet und auch das Rundherum ist sehr hochwertig.“

In Augusta potenziert sich der Rummel noch einmal, werden doch schon an Trainingstagen gut 50.000 Fans erwartet. „Ich werde versuchen, den Fokus nicht zu verlieren, damit ich mein bestes Golf zeigen kann“, sagt Wiesberger, der sich eine Woche lang mit seinen beiden Coaches, Damian Taylor und Philippe de Busschere, in der Heimat vorbereitet hat. „Ich habe versucht, aus erfahrenen Spielern so viel wie möglich herauszukitzeln.“ Das erste Herantasten erfolgt heute im Rahmen der ersten Proberunde.


Von Pfirsich bis Jasmin. Pünktlich zum Masters zeigt sich der nur wenige Monate bespielbare Platz stets in bestem Zustand – nicht zuletzt dank UV-Lampen, Rasenheizung und Wasser- bzw. Grasfärbung. Die klingenden Namen der 18 Löcher wie „blühender Pfirsich“ oder „gelber Jasmin“ können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kurs mit seinen engen Fairways, 44 Sandbunkern sowie einem halben Dutzend Gewässern zu den selektivsten und schwierigsten der Welt zählt. Besonders gefürchtet ist der „Amen Corner“. Nach den Löchern elf, zwölf und 13 ist zumeist über Sieg oder Niederlage entschieden, also „die Messe gelesen“, wie es der Journalist Herbert Warren Wind 1958 formuliert hat.

In Augusta wird Golf aber nicht einfach nur gespielt, sondern regelrecht zelebriert: Vom Eröffnungsdinner des Titelverteidigers – in diesem Jahr bittet der US-Amerikaner Bubba Watson zu Tisch – bis zum Anlegen des grünen Siegerjacketts ist alles genau festgelegt und auch für die Fans – stets als Gast (engl.: patron) und nie als Zuschauer bezeichnet – gelten strikte Regeln. So sind elektronische Geräte auf dem Gelände nach wie vor untersagt, auch das Laufen wird mit einem sofortigen Platzverweis geahndet. Der Zuspruch ist dennoch enorm, auf dem Schwarzmarkt werden die begehrten Turnierpässe für mehr als 5000 Dollar feilgeboten. Vergleichsweise billig gestaltet sich der Besuch vor Ort: Das legendäre Pimento-Cheese-Sandwich kostet gerade einmal 1,50 Dollar.

Auf stattliche 30 Millionen Dollar wird der Gewinn des diesjährigen Masters geschätzt, allerdings wäre noch weitaus mehr möglich. Doch der freie Verkauf der TV-Rechte steht für die Veranstalter ebenso außer Frage wie Sponsoring auf dem Gelände. Schließlich genieße nicht der Profit, so wird in Augusta betont, sondern das Vergnügen von Spielern und Zuschauern die höchste Priorität.

Heimisches ass

Bernd Wiesbergerschaffte als Nummer 42 der Welt und erster Österreicher die Qualifikation für das Golf-Masters in Augusta. Der Burgenländer kann damit auch als erster rot-weiß-roter Vertreter Teilnahmen an allen vier Majors vorweisen. Der 29-Jährige ist seit 2006 Profi und sammelte bislang drei Turniersiege (Europa bzw. Asien Tour) sowie über vier Millionen Euro Preisgeld. APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2015)

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