Kevin Reiterer: Ein Ski-Champion der anderen Art

Kevin Reiterer
Kevin Reiterer(c) Kevin Reiterer
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Kevin Reiterer ist mit nur 20 Jahren einer der Stars auf dem motorbetriebenen Wassergefährt namens Jetski: Erst kürzlich fixierte der Niederösterreicher seinen bereits elften WM-Titel.

In Intervallen sägt das knatternde Motorengeräusch, übertönt deutlich die leise im Hintergrund zu hörenden Autos auf der naheliegenden Schnellstraße. Benzingeruch liegt in der Luft und erinnert an eine Kartbahn. Und auch hier präsentiert sich ein Rundkurs – abgesteckt mit Bojen. Reifen blitzen aus dem Wasser, sind aber hier nur statischer Teil der Strecke: Sie dienen als Sprungrampe auf der lang gezogenen Geraden. Auf dem familieneigenen Schotterteich in Wiener Neustadt zischt Kevin Reiterer mit seinem Jetski durch den Trainingsparcours, zieht seine Runden und kurvt in enormen Schräglagen. Mit 20 Jahren ist der Niederösterreicher einer der großen Stars im Jetski-Zirkus. Elf Weltmeistertitel konnte Reiterer bereits erringen.

Als Zeitvertreib im Urlaub ist der Markenname Jetski vielen ein Begriff, offiziell nennt man das Wassermotorrad Jetboot. Wenn Kevin Reiterer von seinem 200 PS starken, viergängigen Gefährt erzählt, spricht er schlicht von seinem „Ski“. Und mit diesem braust er in bestechendem Tempo übers Wasser – von null auf 100 Stundenkilometer beschleunigt Österreichs Ski-Ass in nur 2,2 Sekunden. Bis zu 22 Fahrer tummeln sich bei einem Wettkampf gleichzeitig auf dem Rundkurs und erreichen Spitzen von 130 km/h.

Der Kontakt mit gegnerischen Maschinen ist erlaubt, das Rammen freilich strikt untersagt. Gefahren, gekämpft, gekurvt wird innerhalb des Regelwerks der International Jet Sports Boating Association (IJSBA) – und zwar auf Zeit: Bei Weltmeisterschaften darf sich der nach 18 Minuten führende Fahrer als Sieger feiern lassen.

Als mehrfacher Welt- und Europameister kennt Reiterer das Gefühl des Gewinnens gut – selbst in der Königsklasse Pro Ski: 2009 krönte sich der Niederösterreicher in der Formel 1 des Jetbootes zum weltbesten Piloten. Dazu räumte er die Titel in den Klassen GP und Pro Am Ski Limited ab, zur Draufgabe schlängelte er sich auch noch am schnellsten durch den Slalomkurs. Vier von fünf Pro-Titeln – das hat vor ihm noch keiner geschafft.

Internationale Rekorde hat Reiterer schon zuhauf aufgestellt. Von einem ganz besonderen Sieg zeugt ein etwa zwei Meter hoher Banner in seiner Werkgarage am Schotterteich: Es zeigt Reiterer in Ski-Action und mit rot-weiß-roter Flagge in der Hand beim King's Cup in Thailand, dem prestigeträchtigsten Rennen der Welt. Mit 16 Jahren ging er 2008 als jüngster Sieger in die Annalen dieses Events ein. Ein Event, das Massen anzieht: 20.000 Zuschauer vor Ort und Millionen vor den TV-Schirmen. „Der King's Cup – das ist immer ein Erlebnis“, grinst Reiterer.

Als Jetski-Athlet reist Reiterer um die Welt. An rund 25 Rennwochenenden im Jahr ist er am Start – und das auf dem gesamten Globus. Er erzählt vom Nachtrennen in Marokko, wo er im Alter von 17 wiederum als jüngster Gewinner Geschichte schrieb. Berichtet von Rennen in Dubai, von der Gold Coast in Australien, vom Spektakel im niederländischen Zandvoort, wo die Fahrer mit drei bis vier Meter hohen Wellen zu kämpfen haben. „Solche Rennen gibt es leider nur selten“, sagt Reiterer. „Da ist der Rundkurs völlig egal und nur das Können der Fahrer in den Wellen gefragt. Da musst du wirklich mit Kopf fahren.“ In den Wellen trenne sich die eben die Spreu vom Weizen.

Ein Vollblutrennfahrer

Ein vom Ski getrennter, ausgebauter Motor liegt in Reiterers Werkstatt auf einem mobilen Werktisch. Gleich drei Jetskis befinden sich im Raum, „jeder mit einem anderen Set-up für die verschiedenen Klassen“, erklärt der mehrfache Welt- und Europameister. Hinter Schraubstöcken, Plastikbehältern und Werkzeugkisten hängt eine große Fotocollage an der Wand, sorgfältig in einem Glasrahmen festgehalten. Sie dokumentiert Reiterers Anfänge mit dem Jetboot. Schon sehr früh, mit neun Jahren, stand der Bad Fischauer auf dem Ski. Als Elfjähriger bestritt er in der Juniorenklasse sein erstes Rennen. Sein Vater unterstützte ihn von Beginn an, ebnete dem Sohn den Weg zu einer Sportlerkarriere.

Als Reiterers Vater im vergangenen Jahr starb, brauchte es eine Weile, bis sich Kevin wieder auf Wettkämpfe konzentrieren konnte. Doch die Passion für seinen Sport ist geblieben. „Die Zweikämpfe, Zentimeter neben dem Gegner um die Position zu kämpfen, Situationen voraussehen zu müssen – das macht diesen Sport so spannend“, betont der Vollblutrennfahrer. Und gefährlich: Im Juli gab es in Belgien einen Todessturz. Ein Fahrer wurde beim Start abgedrängt, fiel ins Wasser, ein anderer überfuhr ihn. „Das Problem ist beim Start, dass du durch die Gischt kaum etwas siehst.“ Reiterer tritt ausschließlich in Steher-Bewerben an. Größer ist das Risiko bei den noch schnelleren Sitzer-Jetbooten, wenn sich in den Amateurklassen Fahrer zu früh auf die Sitzbank von 300 PS starken Boliden schmeißen – und andere gefährden.

In seinem waghalsigen Metier kommt Reiterer mittlerweile finanziell über die Runden. Um Rennen in den Pro-Klassen bestreiten und damit auch seinen Traum leben zu können, muss der Niederösterreicher aber viel investieren. Ein Jetski kostet 7000 Euro, doch vor allem das Equipment verschlingt viel Geld, und zwar rund 80.000 Euro: In diesem Rennpaket stecken etwa ein Transporter, ein Anhänger und tausende Liter Sprit. Große, ständig zu erneuernde Kostenstellen bilden Zündung und Rennmotor. Detailarbeit ist am Kolben, an der Zylindergröße, an der Antriebswelle gefragt. Für das Feintuning steht Reiterer ein Mechanikerteam aus Australien zur Verfügung. Für Reparaturen zwischendurch schraubt der Pilot selbst an seinem Gefährt. Alles in allem sei es als Jetski-Pro eine Art Nullsummenspiel, verrät Reiterer.

In den letzten Jahren griff ihm finanziell noch sein Vater unter die Arme, nun ist ein Sponsor auf seinen Rennbus aufgesprungen. „Es geht sich jetzt aus, dass ich mit bestem Material an den Start gehe“, erzählt der Rennpilot, der erst im Vorjahr die Matura am Sportgymnasium absolviert hat und nun an der Fachhochschule in Wiener Neustadt ein berufsbegleitendes Sportstudium beginnt.

An seinem Rennrhythmus wird Reiterer jedoch nichts ändern. Seit 2008 beweist der beste Jetski-Pilot des Landes in den Profi-Klassen nach wie vor seine Steherqualitäten. Als FH-Student konnte er Anfang Oktober auf dem Lake Havasu in Arizona die nächsten beiden WM-Titel, Nummer zehn und elf, hinzufügen. Aber das versteht sich nahezu von selbst.

Steckbrief

Kevin Reiterer
ist erst 20 Jahre jung und seit 2008 Jetski-Profi; er zählt heute mit elf WM-Siegen zu den erfolgreichsten Fahrern der Welt. Der Niederösterreicher ist darüber hinaus der jüngste Sieger des King's Cup in Thailand, dem neben der WM prestigeträchtigsten Jetski-Rennen.

Der King's Cup 2012 geht seit 5. Dezember in Pattaya über die Bühne und dauert bis Sonntag.

2011 maturierte Reiterer am Sportgymnasium, 2012 startet er an der Fachhochschule in Wiener Neustadt ein berufsbegleitendes Sportstudium.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2012)

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