Radsport: Lance Armstrongs Dopingbeichte

(c) Reuters (George Burns)
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Der gefallene Tour-de-France-Dominator Lance Armstrong gestand in einem TV-Interview mit Talkshow-Queen Oprah Winfrey jahrelanges Doping ein. Er hofft auf Begnadigung von seiner lebenslangen Sperre.

Washington. Der Entschluss zur Dopingbeichte reifte seit Monaten, letztlich fiel er aber im Weihnachtsurlaub in Kailua-Kona auf Hawaii, dem Start- und Zielpunkt des legendären Ironman-Triathlons. Lance Armstrongs Lebensziel ist es, daran teilzunehmen – und den Marathon unter den Triathlons zu gewinnen. Ein lebenslanger Bann von allen Wettkämpfen steht der Ambition des 41-jährigen, gefallenen Tour-de-France-Gladiators aber entgegen.

Gut, dass Oprah Winfrey gleich zur Hand war. Die Talkshow-Queen und „Beichtmutter der Nation“, deren Einschaltquoten in ihrem neuen TV-Sender OWN im Bodenlosen dümpeln, plantschte über die Feiertage auch auf Hawaii und erklärte sich prompt bereit zum Interview. Die Schlagzeilen, die das Gespräch schon vor der Ausstrahlung in der Nacht zum Freitag produzierte, nützten schließlich beiden: Armstrong präsentiert sich mehr oder weniger als reuiger Sünder mit dem Versprechen auf Läuterung und der Hoffnung auf Vergebung. Winfrey ist mit ihrem Coup endlich wieder einmal in aller Munde.

Dienstagfrüh war sie denn auch zu Gast bei ihrer Busenfreundin Gayle King in der CBS-Morning-Show, um ihre Sicht der Dinge darzulegen. Armstrongs Bekenntnis habe sie und ihre Crew gefesselt, sagte sie. Über dessen Aufrichtigkeit wollte sie indessen kein Urteil abgeben. Zur Aufzeichnung des Gesprächs am Montag sei sie mit 112 Fragen angerückt, Armstrong mit einer kleinen Heerschar von zehn Beratern. Nachdem eine Reportermeute das Anwesen des in Ungnade gefallenen Texaners außerhalb von Austin belagert hatte, verlegte Winfrey das Interview kurzerhand in das Four Seasons Hotel im Zentrum der texanischen Hauptstadt.

Auf Entschuldigungstour

Stunden zuvor hatte Armstrong bereits vor den Mitarbeitern seiner Anti-Krebs-Stiftung Lifestrong in einer Entschuldigungstour ein Geständnis über seine Lügen und den Missbrauch abgelegt. Hartnäckig hatte er jahrelang geleugnet, hatte von einer Verschwörung, von „Hexenjagd“ und „Vendetta“ geraunt. Dabei war es genau umgekehrt: Der siebenfache Triumphator der Tour de France hatte innerhalb seiner Rad-Equipen Discovery und US Postal ein einzigartiges Dopingsystem samt Motorradkurieren aufgebaut, wie ihm die US-Anti-Doping-Agentur Usada im Vorjahr detailliert in einem mehr als 1000-seitigen Report nachwies.

Wer das Schweigen brach, den verfolgte Armstrong mit Drohungen und Einschüchterung. „Ich mache dir das Leben zur Hölle“, zischte er etwa Tyler Hamilton bei einer zufälligen Begegnung in einem Restaurant im Nobelwinterskiort Aspen an. Am Ende stellten sich aber alle gegen ihn: Floyd Landis und zuletzt sogar sein Edeldomestik George Hincapie, sein treuester Vasall. Lange vorher hatten Franky und Betsy Andreu das Dopinggeständnis Armstrongs bezeugt, und daran wäre beinahe ihre Ehe zerbrochen. Bei einer Krebsoperation in Indianapolis hatte er vor 15 Jahren gegenüber den Ärzten seine Doping-Vergangenheit eingeräumt – nur um nach seiner Heilung mit seinem „Partner in crime“, dem italienischen Arzt Michele Ferrari, eine noch raffiniertere Verschleierung von Epo- und Blutdoping auszutüfteln.

Seitens von Sponsoren, Gazetten und Exkollegen rollt auf Armstrong nun eine Lawine an Schadenersatzklagen zu. Das US-Justizministerium erwägt eine Klage, im schlimmsten Fall wandert der gefallene Held ins Gefängnis – wie die Sprinterin und Dopingsünderin Marion Jones. Armstrong ist gewiefter: Er suchte die Aussprache mit der Usada, um einen Deal auf Begnadigung zu erreichen. Im Gegenzug, deutete er an, wolle er gegen Mitwisser und hohe Funktionäre des Weltverbandes auspacken. Der Radsport zittert.

Auf einen Blick

Lance Armstrongs TV-Interview ist in Österreich bei Pay-TV-Sender Sky zeitgleich mit der Ausstrahlung auf dem Oprah Winfrey Network am Freitag (3 Uhr) auf Discovery Channel und im Livestream auf www.oprah.com zu verfolgen. Am Freitag folgt um 19.15 Uhr die Free-TV-Premiere auf DMAX im deutschsprachigen Raum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2013)

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