Wien-Marathon: „Laufen, das Sightseeing muss warten“

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Superstar Haile Gebrselassie will sich bei seinem dritten Start über die Halbdistanz am Sonntag „testen“. Der Rekord soll purzeln, Freude vermitteln – und Türen öffnen.

Wien. Es ist vollkommen undenkbar, dass ein Weltstar bei einem PR-Termin ausnahmslos allen anwesenden Journalisten vor Freude am liebsten die Hände schütteln würde. Auch geschieht es selten, dass derjenige wirklich etwas zu erzählen hat und es auch will – und nicht, weil er von Sponsoren oder Managern dazu gezwungen wird. Für die Leichtathletik-Ikone Haile Gebrselassie ist aber genau das selbstverständlich.

Der Äthiopier, zweifacher Olympiasieger, ehemaliger Marathon-Weltrekordler und zum dritten Mal in Serie am Sonntag das Aushängeschild des OMV-Halbmarathons, ist immer guter Laune. Er ist nahbar, lacht verschmitzt: ein Weltstar zum Angreifen. Und, der in wenigen Tagen 40-jährige Läufer liebt Wien. „Es ist so eine saubere, wunderschöne Stadt“, startete er also am Freitag seinen Redeschwall. „Ich will Rennen bestreiten, eine tolle Zeit liefern. Nur deshalb bin ich wieder hier.“

Autos, Immobilien – und Kaffee

Ganz so selbstlos ist sein Wien-Start freilich nicht. Über Startgelder wird nichts verraten und Gebrselassie will eine „Top-Top-Zeit“ auch dazu nützen, sich für internationale Veranstalter zu empfehlen. Aktuell stehen nur zwei weitere Termine in seinem Laufkalender, „mal sehen was noch kommt“. Aus rein finanziellen Gründen brauchte er gar nicht mehr starten. Wer seit 26 Jahren im Geschäft so erfolgreich unterwegs ist und in seiner Heimat 600 Menschen in Immobilien- und Autofirmen beschäftigt, dem sind Geldsorgen fremd. „Moment. Es sind bereits 1000, ich habe unlängst 400 neue Mitarbeiter eingestellt“, verrät der Äthiopier. „Wir haben eine Kaffeeplantage im Südwesten des Landes gekauft. Ich liebe frischen, echt äthiopischen Kaffee...“

Am Sonntag will er alles daransetzen, um seine Siegerzeit von 2011 (60:18 Minuten) zu unterbieten und den dritten Triumph in Serie zu schaffen. Er trainiere weiterhin jeden Tag, laufe ein bis zwei Stunden. „Ich muss doch schwitzen“, sagt er, „ich muss meinen Körper spüren. Und am Sonntag will ich mich selbst testen.“ Sein Vorhaben hat nur einen Haken: Ihm bleibt dabei erneut keine Zeit für das erhoffte Sightseeing.

Gebrselassie erzählte über die unzähligen Lauftalente, die sich in seiner Heimat tummeln, in den Sport drängen würden. Namen konnte er keine nennen und auch schloss er dezidiert aus, dass er, sollte er seine bereits einmal in New York kurzerhand für beendet erklärte Karriere endgültig beenden, ins Trainerlager wechseln würde. „Ich verlange von mir viel zu viel, andere würden es nicht aushalten“, sagt er und lacht. Man ist geneigt, es ihm zu glauben, immerhin stellt er das Laufband im Fitnesscenter für die finalen Minuten auf 22 km/h ein...

Auf der Halbdistanz fühlt sich der Äthiopier wohl. Dass er dennoch wieder die kompletten 42,195 Kilometer im Renntempo bestreiten will, ist kein Geheimnis. Wenngleich er in der Olympia-Qualifikation 2012 gemerkt hat, dass er „nicht mehr der Jüngste ist“ und andere enorm an Tempo zugelegt hätten, ist er weiterhin „sehr motiviert“. Im September könnte er in Berlin eine Überraschung liefern.

Auch deshalb kann er den Auftritt am Sonntag in Wien so unbeschwert bestreiten – er hat nichts zu verlieren. Gebrselassie sagt: „Mag sein. Aber ich bin nur einer von über 41.000 Startern. Es wird ein wunderbares Rennen.“

Der 496. Marathon

Wunderbares leistet seit 1986 fortlaufend bereits der Wiener Magistratsbeamte Gerhard Wally. Der 54-Jährige ist Obmannstellvertreter im 19 Mitglieder zählenden „100 Marathon Club Austria“ und nimmt am Sonntag in Wien seinen 496. Marathon unter die Beine. Was für andere wie eine unfassbare Qual klingt, ist für ihn der „schönste Spaß. Ich laufe nicht nur einen Marathon pro Jahr, sondern einen pro Woche.“ Oder manchmal sogar noch viel mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2013)

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