Tägliche Turnstunde: Die Sorgen der Sportvereine

Taegliche Turnstunde
Taegliche Turnstunde(c) Michaela Bruckberger
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Die Wiener Dachverbände fürchten wegen der täglichen Schulturnstunde um Nachwuchs – und um ihre Plätze in den Turnsälen.

Wien. Die Auswahl ist unbestritten sehr groß: Wenn sich Wiener Kinder oder Jugendliche sportlich betätigen wollen, so können sie, falls sie organisiert sporteln wollen, aus mehr als 80 Sportarten wählen und sich bei einem der Wiener Sportvereine anmelden. Fast 1500 gibt es in der Hauptstadt, eine beachtliche Zahl, die damit durchaus den Ruf einer Sportstadt unterstreichen kann. Knapp eine halbe Million Wiener sind in Sportvereinen aktiv, davon, so die Schätzungen, die Hälfte Kinder.

Doch jetzt wächst bei den großen Sportdachverbänden die Sorge. Aktueller Anlass ist die tägliche Turnstunde, die Unterrichtsministerin Claudia Schmied den Schulen verordnen will und in ein Zehnpunkteprogramm eingebaut hat. „Für viele Sportvereine, die sich dem Kinder- und Jugendsport widmen, kann diese Entscheidung der Todesstoß sein“, formuliert es Walter Strobl, Präsident der Wiener Sportunion, drastisch. Denn die Turnsäle, die vor allem in Wien ohnehin schon sehr knapp seien, würden wegen des Eigenbedarfs der Schulen künftig noch weniger den Vereinen zur Verfügung stehen als bisher.

Noch im September habe die Ministerin gesagt, dass für eine zusätzliche Turnstunde die Turnlehrer und Turnsäle fehlten und 300 Mio. Euro Zusatzkosten verursachten. „Jetzt, vor der Wahl, ist dies plötzlich möglich“, kritisiert Strobl. Die Vereine und die dort schon jetzt vorhandenen Sportprofis besser einzubinden wäre viel billiger gewesen.

Grundsätzlich sieht er weniger die Schulstunde als den Vereinssport als Motor für Sportbegeisterung: „Die Freude an der Bewegung erzielt man im Verein: Wir holen die Kinder an der Basis ab und fördern Talente. Dies kann die Schule nicht machen.“

Reiner Populismus

Doch nicht nur die ÖVP-nahe Sportunion übt Kritik an den Plänen. Auch der „rote“ Askö – in Wien mit rund 750 Vereinen der größte der drei Dachverbände (der dritte ist der Allgemeine Sportverband Asvö) – reagiert auf die ministeriellen Ideen mit Ablehnung. „Dass Kinder mehr Sport machen sollen, ist ja klar. Aber die Turnstundenforderung ist reiner Populismus und in ihren Konsequenzen überhaupt nicht zu Ende gedacht“, sagt Werner Raabe, Geschäftsführer des Askö-Wien.

Auch er sieht den Vereinssport als treibenden Motor. „Dass Kinder und Jugendliche sich so viel als möglich bewegen sollen, ist unbestritten.“ Aber wenn man sie für lebenslange Bewegung begeistern wolle, dann gehe das am besten über den Vereinssport.

Abgesehen von der neuen Schulstundendebatte klagen die Vereinsmanager, dass sie sehr kurz gehalten werden. So bekommen in Wien die rund 1500 Vereine an Förderung zusammen nicht einmal eine Million Euro pro Jahr. Und da wird der Fußball besonders protegiert: 39 Prozent der Wiener Förderungen erhalten die Fußballvereine; je 12,5 Prozent die drei großen Dachverbände Askö, Asvö und Sportunion, die sich dem Breitensport widmen. Den Rest erhalten die Wiener Sportfachverbände, die dann Talente fördern sollen.

„Da fallen auf einen Fachverband gerade 2000 bis 10.000 Euro“, rechnet Raabe vor. „Wie soll in Wien ein Speerwerfer trainieren, wenn es keine einzige Anlage gibt? Wie sollen Spitzenschwimmer trainieren, wenn das große Trainingsbecken fehlt?“

Es sind nicht nur die Dachverbände, die über die mangelnde Infrastruktur für den Breitensport klagen. Im März hat Bürgermeister Häupl nach der Volksabstimmung, bei der sich die Wiener gegen Olympia ausgesprochen haben, das Problem erkannt und öffentlich mehr Sporteinrichtungen für den Breitensport versprochen. Jetzt haben sich die Dachverbände an den Bürgermeister und an Sportstadtrat Christian Oxonitsch gewandt und ihre Mithilfe bei der Erstellung von Konzepten angeboten. Ein Termin beim Stadtrat steht noch aus.

Auf einen Blick

Die großen Sportdachverbände in Wien sehen sich im Abseits. Es stehe zu wenig Geld zur Verfügung. Den Plan des Unterrichtsministeriums für eine Turnstunde sehen sie kritisch. Dadurch würden weniger Turnsäle für die Vereine zur Verfügung stehen. Grundsätzlich sei Vereinssport besser als Schulsport geeignet, Kindern die Freude an der Bewegung mitzugeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2013)

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