Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und Anton Innauer kämpfen für den Uni-Sport und zusätzliche Bewegungseinheiten in der Schule.
Die Presse: Sind Sie neidisch, wenn Sie nach Amerika blicken und sehen, was Uni-Sport dort bedeutet?
Karlheinz Töchterle: Neid wäre das falsche Wort. Es ist eher Bewunderung. Und rationales Kalkül, was man davon nach Österreich transportieren könnte.
Ist der heimische Uni-Sport auf dem absteigenden Ast?
Töchterle: Nur weil die Medien den Uni-Sport nicht beachten, heißt es das noch lange nicht. Er vermarktet sich nur nicht gut genug. Aber gerade im Breitensport haben die Unis große Verdienste geleistet.
Was ist mit dem Spitzensport?
Anton Innauer: Ich habe immer Wert darauf gelegt, dass wir in den Bereichen Nordisch, Skispringen und Kombination einen guten Kontakt mit den Sportwissenschaftlern haben. Heute ist Spitzensport ohne – ich betone – eigene Universitäten, die das exklusive Know-how zur Verfügung stellen, nicht mehr denkbar.
Lassen sich Spitzensport und Studium vereinbaren?
Innauer: Da sieht die Situation bereits weniger rosig aus. Da haben etwa die Amerikaner mit ihren Privatuniversitäten und Stipendien völlig andere Möglichkeiten.
Müssen an den Unis eigene Stipendiensysteme für Spitzensportler eingeführt werden?
Töchterle: Das könnte man andenken. Als Rektor an der Uni Innsbruck habe ich bereits versucht, Spitzensportler zu fördern. Wir haben bundesweit in diesem Bereich noch keine dezidierten Pläne, aber ich habe darauf geachtet, den Sport in den Leistungsvereinbarungen mit den Unis explizit anzusprechen.
Heute sind Spitzensportler, die ein Studium, absolvieren rar...
Töchterle: Ja. In anderen Ministerien, wie etwa im Verteidigungs- und Innenministerium, gibt es bereits Modelle, die Sportlern eine gewisse Absicherung zuerkennen und ihnen damit ein professionelles Agieren ermöglichen. Das könnte ich mir auch für die Wissenschaft oder auf breiter Ebene vorstellen. Es soll also ein staatlich gesichertes Grundeinkommen für Spitzensportler geben. Voraussetzung dafür wäre eine entsprechende Leistung, etwa die Vertretung bei Wettkämpfen. Die Uni würde die Gegenleistung dadurch bekommen, dass die Sportler für ein positives Image der Institution sorgen.
Innauer: Gerade im Skisport könnte das wirklich gut funktionieren. Im Sprungteam sind derzeit Manuel Fettner und Martin Koch die Ausnahmen – wohltuende Ausnahmen. Sie haben durch das Studium quasi eine andere Metaebene.
Finden Sie, dass der Schulsport ausreichend vorhanden ist?
Innauer: Da kann man sicher mehr machen – vor allem in den Volksschulen. Bewegung muss zu einer Kulturtechnik werden. Das heißt: Heute muss man Bewegung als Kulturtechnik vermitteln und den Kindern beibringen. Von selbst bringen diese Fertigkeiten viele schon nicht mehr mit.
Töchterle: Ich sehe das auch so. Zum Teil müssen Kinder auf einer Schräge erst gehen lernen.
Gewinnen Sie der Forderung nach einer täglichen Turnstunde etwas ab?
Töchterle: Es erheben so viele Fächer den Anspruch, in den Kanon zu kommen, dass ich das jetzt nicht quantifizieren möchte.
Innauer: Vor allem aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das ganz wichtig. Ich würde nicht Turnstunde, sondern Bewegungseinheit dazu sagen.
Hat sich seit dem Olympia-Flop 2012 in London etwas zum Positiven verändert?
Innauer: Es ist einiges diskutiert und infrage gestellt worden. Aber wie zu erwarten war, gab es bald größere Probleme als keine Olympia-Medaille. Was mir aufgefallen ist, ist, dass mit Peter Schröcksnadel jemand geholt wurde, um all diese Probleme, die er offenbar im ÖSV gelöst hat, auch für den Gesamtsport in Österreich zu lösen.
Töchterle: Ich hab die Aufgeregtheit lächerlich gefunden. Dass keine Medaille erreicht wurde, das war auch Zufall.
Es ist die Frage, ob das Zufall war...
Töchterle: Mich nerven diese hysterischen Diskurse um Medaillen.
Innauer: Das Ganze ist nie auf den Boden einer sachlichen Auseinandersetzung gebracht worden. Dazu müsste man auch die sportwissenschaftlichen Institute einbinden und nicht nur irgendeinen Aktionismus in den Raum werfen. Es wurde lediglich links und rechts geschossen und nach Schuldigen gesucht. Man sollte zunächst einmal feststellen, ob wir überhaupt überall wettbewerbsfähig sein wollen. Es gibt Sportarten, in denen andere Länder völlig andere Standards haben. Ich rede hier auch von Doping – da kann ich als kleine Nation sagen, da muss ich nicht dabei sein. Ich muss etwa in extremsten Kraftsportarten nicht mithalten. Ich will nicht gegen Monster antreten müssen und dann der Verlierer sein.
Töchterle: Das Negativbeispiel ist die DDR. Und das ist doch bitte nur abschreckend.
Sehen Sie den Sport eigentlich im richtigen Ministerium angesiedelt?
Innauer: Es hat schon einmal den Begriff eines Wanderpokals gegeben, der nach den Wahlen verteilt wird.
Töchterle: Er würde natürlich auch ins Wissenschaftsministerium passen. Es hat auch eine Berechtigung, dass er im Verteidigungsministerium ist. Fragwürdig fände ich es, wenn er in einen zweifelhaften Zusammenhang mit militärischen Aspekten käme. Aber auch das Gesundheitsministerium wäre ein Ort für den Sport.
Zu den Personen
Karlheinz Töchterle (* 13. Mai 1949 in Brixlegg, Tirol) ist österreichischer Altphilologe und Politiker, seit April 2011 Bundesminister für Wissenschaft und Forschung.
Anton Innauer ( * 1. April 1958 in Bezau, Vorarlberg) gehörte zum österreichischen Skisprungwunderteam der 1970er-Jahre. Er gewann Olympia-Gold 1980 in Lake Placid. Ex-ÖSV-Trainer, Ex-Sportdirektor.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2013)