Isabell Werth: "Die Pferde lehren mich Demut"

Isabell Werth Pferde lehren
Isabell Werth Pferde lehren(c) EPA (ROLF VENNENBERND)
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Dressurreiterin Isabell Werth sprach beim Vienna Masters über Lehren und Wehwehchen aus 25 Jahren Profisport und den Hype um Wunderpferd Totilas.

Zum zweiten Mal sind Sie beim Vienna Masters dabei. Sie kennen Turniere auf der ganzen Welt, wie fällt Ihr Urteil zu Wien aus?

Isabell Werth: Die Kulisse ist wunderschön und gehört mit Sicherheit zu den außergewöhnlichsten. Mitten in der Stadt rund um das Rathaus so eine Infrastruktur aufzubauen verleiht dem Ganzen einen besonderen Charme.

Heute (18.20 Uhr) steigt die Kür, die Sie im Vorjahr gewonnen haben. Angesichts all Ihrer Titel und Erfolge, welchen Stellenwert haben Siege für Sie inzwischen?

Nichts ist älter als der Erfolg von gestern. Mit Pferden gibt es immer Höhen und Tiefen, das macht es jedes Mal zu einer neuen Herausforderung. Deshalb sind wir in unserem Sport auch so lang dabei, ohne müde zu werden.

Sie haben viele Toppferde herausgebracht. Was haben Sie von den Tieren gelernt?

Mit jedem Pferd lernt man immer wieder aufs Neue. Man muss darauf eingehen und hineinhören können. Ich selbst habe mich mit den Jahren sicher immer mehr dem Pferd angepasst. Generell haben mich meine Pferde sehr viel Disziplin und Demut gelehrt.

Gibt es so etwas wie ein Patentrezept für ein erfolgreiches Turnierpferd?

Nein, denn letztlich ist jedes Pferd ein Individuum, vom Körperbau wie vom Charakter. Natürlich hat man Kriterien beim Kauf, doch letztlich lässt sich die Entwicklung nicht vorhersagen. Was man aus der Kindererziehung kennt, gilt vielfach auch bei Pferden.

Ist das erfolglose Zehn-Mio.-Pferd Totilas das beste Beispiel, dass es vor allem auf die Symbiose aus Pferd und Reiter ankommt?

Selbstverständlich muss man als Duo zusammenwachsen. Totilas war sehr erfolgreich und kam dann zu einem jungen Reiter. Es wurde von Beginn an erwartet, dass die beiden sofort daran anknüpfen. Das ist so natürlich überhaupt nicht möglich. Dass es bei einem Pferd mit neuem Reiter nicht auf Anhieb genauso klappt wie vorher, ist nicht das Phänomen Totilas. Das war nur das prominenteste Beispiel.

Hat der Hype um Totilas dem Sport rückblickend genutzt oder geschadet?

Es brachte damals große Aufmerksamkeit, das ist für jeden Sport wichtig. Dass es sich dann in die falsche Richtung entwickelt hat, kann passieren.

Empfinden Sie es als Scheitern, wenn es bei einem der Pferde nicht bis ganz oben reicht?

Da bin ich sehr selbstkritisch. Wenn man sich in der Qualität täuscht oder es nicht wie erwartet hinbekommt, dann kreide ich mir das schon selbst an.

2009 wurden Sie wegen nicht angemeldeter Medikation Ihres Pferdes für sechs Monate gesperrt. Aktuell läuft ein weiteres Verfahren. Wie beurteilen Sie die aktuellen Dopingregeln im Reitsport?

Kontamination wie im aktuellen Fall ist mit Humansport nicht vergleichbar. Man kann nicht 24 Stunden kontrollieren, wann ein Pferd wo was aufgenommen hat. Deshalb sollte man Nulllösungen überdenken. Wir alle wollen einen sauberen und fairen Sport, dafür braucht es aber die Rahmenbedingungen. Denn Medikation und Behandlung am Pferd sind nötig.

Was meint Ihr eigener Körper zu inzwischen 25 Jahren Profisport?

Es knackt schon ab und zu im Gebälk. Der Sport hält mich zwar fit, aber die Dauerbelastung hinterlässt Spuren. Mit 44 denkt man definitiv eher über einen Physiotherapeuten nach als mit 20.

Das Karriereende ist aber nicht in Sicht.

Ich habe keine Deadline, solange der Spaß stimmt und entsprechende Pferde da sind. Die neunjährige Bella Rose ist das beste Pferd, das ich je gehabt habe – es werden also noch ein paar Tage werden. Vorausgesetzt, mir gelingt es weiterhin, Sport und Familie so gut unter einen Hut zu bekommen.

Sie sind ausgebildete Juristin. Wovon leben Sie derzeit: Sport oder Stall?

Mit Preisgeldern allein kann man seinen Lebensunterhalt als Dressurreiter nicht verdienen. Das funktioniert nur im Zusammenspiel mit den Einkünften aus dem Ausbildungsstall.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2013)

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