Wladimir Putins Monumente am Schwarzen Meer

Sotschi, die Lieblingsbaustelle von Präsident Wladimir Putin
Sotschi, die Lieblingsbaustelle von Präsident Wladimir Putin(c) GEPA pictures/ Christian Walgram
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In weniger als 100 Tage beginnen die Olympischen Winterspiele. Sogar Schnee wird seit dem Vorjahr gesammelt. Die hohen Kosten sind kein Thema.

Es ist keine große Summe. Ein paar zehntausend Euro. Ein Klacks angesichts der gesamten Auftragssumme von umgerechnet 50 Millionen Euro. Doch im Bürocontainer der Firma Strabag in Sotschi liegt jetzt eine Mappe mit der Aufschrift „Delo Putin“, die Sache Putin. Denn Putin hat die Zusatzkosten verursacht. Und jemand muss die Rechnung bezahlen.

Der russische Präsident wollte vor einigen Wochen wieder mal sein Sotschi, seine Lieblingsbaustelle, besichtigen. Mit einer Autokolonne und einem Tross an Leibwächtern fuhr er also in das von der Strabag gebaute olympische Dorf ein. Wie das so bei Besuchen wichtiger Männer ist, müssen sie alles betreten, beschnuppern und gutheißen. Putin besichtigte ein paar Athletenwohungen, die die Strabag präsidentengerecht hatte herrichten lassen. Arbeiter hatten die Appartements verputzt und verfliest, Böden und Abschlussleisten verlegt und eine Wand über eine Seitentür gezogen, damit Putin bei seinem Rundgang nur ja nicht falsch abbiegen würde.

Macht, Imperium, Penthouse. Diese Rechnung wird unter Freunden beglichen. Die Strabag hat das olympische Dorf für die Firma Rog-Sibal errichtet. Sie gehört zum Imperium Basic Element von Oleg Deripaska, einem Oligarchen, der in Sotschi kräftig verdient hat. 2711 Wohnungen in weißen Mehrstockhäusern mit Holzbalkonen und Blick auf das Schwarze Meer haben die Österreicher gebaut; nach den Spielen sollen sie als Ferienwohnungen verkauft werden. In einem Wohnblock lässt sich Deripaska im obersten Stockwerk sogar sein eigenes Penthouse herrichten, mit bester Sicht auf den geplanten Formel-1-Parcours zwischen den Stadien.

Nebenkosten wie die „Delo Putin“ oder ein Penthouse fallen nun einmal bei einem Prestige- und Präsidentenprojekt an. Russland ist groß, doch Wladimir Putin wollte keine Spiele in der Weite Sibiriens, er wollte Spiele im subtropischen Sotschi. In Sotschi ist wenig Platz. Hinter dem schmalen Küstenstreifen wachsen die Berge des Kaukasus empor. In Sotschi gab es keine Infrastruktur für einen Sportwettbewerb, zu dem 120.000 Besucher erwartet werden. Also baute man sie neu: Stadien, Straßen, eine Eisenbahnlinie, Pisten, Hotels und das olympische Dorf. Experten schätzen, dass die Spiele nicht nur die kompaktesten, sondern auch die teuersten in der Olympia-Geschichte sind. 37 oder noch mehr Milliarden Euro sollen sie kosten. Doch in Russland schreckt das niemanden. Es ist nur ein weiterer Rekord.

Auch die offene Frage der Nachnutzung bereitet den Organisatoren kein Kopfzerbrechen. Allein im olympischen Areal an der Küste, neben Deripaskas Penthouse, wurden sechs neue Stadien und Hallen gebaut. Was tun damit? Putin hat verfügt, dass sie bleiben sollen, nur eine Arena wird möglicherweise abgebaut. Sotschi ist eine Sommerurlauberstadt, hierher kommen sie aus dem ganzen Land mit Zügen, um ein paar Sonnenstrahlen zu erhaschen, bevor der lange Winter wieder hereinbricht. Aber Sportveranstaltungen? Konferenztourismus? Es wäre etwas komplett Neues für diese Region.

Tabuthema Baukosten

Wenn man Natalija Tscherepanowa zuhört, ist das alles kein Problem. Sie ist die Verwalterin des Eisrings Bolschoi, einer formschönen gläsernen Arena mit 12.000 Sitzen, in der Österreichs Eishockeymannschaft am 13.Februar 2014 gegen Finnland in das Turnier starten wird. Basketballturniere, Boxkämpfe, Konzerte, Discoabende und natürlich Hockey – all das werde hier künftig stattfinden, sagt die Frau mit dem blondierten Kurzhaar und dem durchtrainierten Aussehen. Als Repräsentanten der Stadien hat man ehemalige Sportler engagiert, sie sollen eine gute Figur machen. Für buchhalterische Fragen sind sie nicht ansprechbar. Nein, das Stadion sei noch nicht für diese Veranstaltungen gebucht. Und nein, sie wisse wirklich nicht, wie hoch die Baukosten des Stadions gewesen seien, sagt Tscherepanowa. Die Kosten sind ein Tabuthema in Sotschi. Vielleicht deshalb, weil sie keine Rolle spielen.

Groll der Ökologen. Komplett neu errichtet wurde auch das sogenannte Bergcluster, 40 Kilometer von Sotschi entfernt in Krasnaja Poljana. Eine neue Eisenbahnstrecke führt dorthin, ebenso eine Straße, geschlagen durch das Flussbett der unberechenbaren Mzymta. Ökologen hat das erzürnt. Bis vor ein paar Jahren waren dort, wo nun Hotels im Alpinzuckerbäckerstil stehen und Gondelbahnen Touristen zum Olympia-Schauen auf den Berggipfeln absetzen, gerade einmal ein Sessellift und ein paar Hütten.

Heute heißt das Zentrum des neuen Skiressorts Rhosa Khutor, internationale Hotelketten haben ihre Ableger eröffnet, auch das Unternehmen Gazprom betreibt nebenan ein eigenes Skiressort. Hier werden die Sprung- und Abfahrtswettbewerbe stattfinden, hier gibt es das Biathlonareal, die Bobbahn und einen Extreme Park für Snowboarder. Das obere olympische Dorf, wo der Großteil der österreichischen Athleten untergebracht sein wird, befindet sich ebenfalls hier. Selbst wenn die Natur nicht mitspielen sollte, kann nichts schiefgehen: Seit letztem Winter sammelt man Schnee in acht Sammelstellen, gut geschützt unter spezieller Folie. „Es ist das erste Mal, dass in unserem Land eine derart wichtige Sportveranstaltung stattfindet“, sagt Wjatscheslaw Schawlew, Repräsentant der Bobbahn Sanki. Seine Bobbahn sei „die beste der Welt“. Nur gefahren ist er auf ihr noch nicht.

Arbeiter in Containern

Vom Probefahrten wagt Dschambul Daumetow nicht zu träumen. Er ist 29 Jahre alt und stammt aus der sibirischen Stadt Omsk. Daumetow ist einer der tausenden Arbeiter von Sotschi, die die Infrastruktur aus dem Boden gestampft haben. Sie leben in Containern und Pensionaten, viele von ihnen stammen aus dem Nordkaukasus, Usbekistan oder Tadschikistan. Der junge Mann und seine Brigade haben es gut erwischt, ihre Füße stecken in festem Schuhwerk, ihre Firma hat ihnen Arbeitskleidung gegeben, sogar Schutzhelme. Solange er keine eigene Familie habe, arbeite er gern an verschiedenen Orten, sagt Daumetow.

Wenn die Spiele am 7.Februar um 20.14 Uhr feierlich eröffnet werden, wird er längst wieder zurück sein. Daumetow wird in Omsk vor dem Fernsehgerät sitzen. Und an den Sommer denken, in dem er Sotschi aufgebaut hat.

OLYMPIA Sotschi

Winterspiele 2014
Die XXII. Winterspiele finden vom 7. bis 23. Februar statt – es warten 98 Entscheidungen in sieben Sportarten.

Tickets über das ÖOC
Über das Österreichische Olympische Komitee sind Karten (Kontingent: 3000; Preis: 16 bis 1378 Euro) noch zu erwerben. Offizieller Reisepartner ist Dertour: www.dertour.at/olympia.Homepage
www.sochi2014.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2013)

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