Fußball-WM: Ein Zug voll Emotionen und Aufstellungen

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Dortmund-Torhüter Roman Weidenfeller feiert gegen England sein DFB-Teamdebüt, doch nicht nur der 33-Jährige träumt bereits von der WM in Brasilien. Teamchef Joachim Löw hat bereits einen Masterplan ausgearbeitet.

London. Die Fahrgäste der Londoner U-Bahn staunten. Das Gedränge ist in den Gängen und Stationen der „Tube“ ohnehin schon groß, doch als das deutsche Fußballteam plötzlich einstieg, herrschte ein „G'riss“ um die Stars. Autogramme und Fotos von Joachim Löw, Jérôme Boateng oder auch DFB-Debütant Roman Weidenfeller waren heiß begehrt. Die Deutschen, die sich im Testspiel den Engländern stellten, waren aber guter Dinge. Sie hatten dieses Transportmittel schließlich freiwillig gewählt. Die Anfahrt zum Abschlusstraining im Wembley-Stadion hätte mit dem Bus viel zu lange gedauert, nur so ist Londons Straßenverkehr nahezu mühelos auszuspielen...

Weidenfeller war es ohnehin recht, ihn konnte nichts aus der Ruhe bringen. Auf diesen Tag hatte er fast sein ganzes Fußballerleben gewartet. Nach 301 Spielen in der deutschen Bundesliga, großen Champions-League-Abenden und insgesamt vierzehn Jahren als Profi stand der Dortmunder gegen England erstmals im Tor der Nationalmannschaft.

Der älteste DFB-Debütant

Weidenfeller habe sich „die Nominierung verdient“, sagte Joachim Löw. „Er hat im Training einen fantastisch guten Eindruck gemacht. Er ist eine gereifte Persönlichkeit mit großer Ausstrahlung im Tor.“ Schönere Komplimente und eine imposantere Bühne für das Länderspieldebüt kann sich ein Fußballer kaum wünschen. Auch schrieb Weidenfeller damit Geschichte. Er wurde mit 33 Jahren und 105 Tagen der älteste Torwart-Debütant in der DFB-Historie.

Ausgerechnet im Wembley-Stadion, in dem er vor einem halben Jahr mit Dortmund das Champions-League-Finale gegen die Bayern verlor, durfte Weidenfeller als Kandidat für die WM 2014 vorspielen. Über Jahre musste er es ertragen, dass Löw ihn bei jeder Länderspielnominierung geradezu stur ignorierte. Aber jetzt, im Spätherbst seiner Karriere, gönnte der Teamchef dem BVB-Keeper seine Premiere und öffnet ihm sogar die Tür zur Weltmeisterschaft.

Weidenfeller machte das jedenfalls gehörig stolz. „Nach so vielen Bundesligaspielen auch in der Nationalelf zu spielen, ist ein klasse Gefühl“, lobte der Deutsche. Cool wolle er zwar bleiben, doch ohne Druck könne er nicht spielen. Es blieb seine einzige Bewährungschance vor der Bestellung des WM-Kaders. Manuel Neuer vom FC Bayern ist klare Nummer eins, René Adler vom HSV Nummer zwei. Dazu machen sich junge Torhüter wie die von Löw schon erprobten Ron-Robert Zieler (Hannover) oder Marc-André ter Stegen (Gladbach) Hoffnung, im Juni 2014 als Nummer drei in Südamerika auftreten zu dürfen.

Eine Vorentscheidung sollte auch in London noch nicht fallen, betonte etwa Tormanntrainer Andreas Köpke. „Brasilien ist noch lange hin. Wir werden alles dafür tun, um dann eine Entscheidung treffen zu können.“ Auch müsse man sehen, welche Spieler „gut miteinander können“, der Zusammenhalt müsse stimmen. Damit sowohl Lagerkoller als auch sportlicher Neid schon vorab ausgeschlossen bleiben.

Warten auf das WM-Los

Auf Löw warten nach dem Länderspielklassiker arbeitsreiche Wochen, von vorweihnachtlichem Frieden ist keine Rede. Wenn am 6. Dezember im tropischen Küstenort Costa do Sauipe die WM-Gruppengegner ausgelost werden, kann der ehemalige Tirol- und Austria-Trainer mit seinem Stab die Mission 2014 konkreter planen. Einen Masterplan hat sich der Tüftler freilich längst parat gelegt, doch gilt es erst die Auslosung abzuwarten, um Hotels, Reiserouten und sonstige Logistik zu klären. Wie sind die Spielorte, welches Klima herrscht vor Ort, wie ist die Anfahrt, Löw zählte sofort einige Aspekte auf. Erneut mit der U-Bahn werde man wohl nicht anreisen, scherzte er, dafür sei das Land, das ganze Turnier, eindeutig zu groß. „In Brasilien herrschen auch ein bisschen andere Gesetze“, fügte Löw hinzu. Die persönlichen Erfahrungen beim Besuch des Confederations Cups im vergangenen Sommer waren überaus lehrreich. Verkehr, Wetter, Mentalität – Brasilien ticke einfach anders.

Quartier in Porto Seguro?

Gewünscht sind kurze Wege zum Flughafen, perfekte Trainingsmöglichkeiten, optimale Infrastruktur für den Tross und nicht zuletzt die Qualität des Hotels selbst, kurzum: Alles muss stimmen. Drei Optionen hat sich der DFB bereits gesichert: zwei im Bundesstaat Bahia, eine im Großraum der Millionenmetropole São Paulo. Gehandelt werden Porto Seguro südlich von Salvador, Praia do Forte und Itu.

Wunschgegner hat Joachim Löw keinen. Er will das Los nehmen, wie es kommt, seinen Traum vom ersten Titel mit Deutschland bis zuletzt träumen. Egal, ob der Gegner nun Spanien, Argentinien oder doch Brasilien heißt. Daran wird er in Zukunft gemessen. Deutschland wartet seit Italien 1990 auf den WM-Titel. (fin)

AUF EINEN BLICK

Deutschland bereitet sich auf die WM 2014 in Brasilien vor, Teamchef Löw testet noch Spieler wie Torhüter Roman Weidenfeller und prüft Quartieroptionen. Vor der Auslosung, die am 6. Dezember in Costa do Sauípe, Bundesstaat Bahia, um 17 Uhr stattfinden wird, wollte sich der ehemalige Tirol- und Austria-Trainer jedoch nicht festlegen.

Die 32 WM-Teilnehmer werden auf acht Gruppen verteilt, Wunschgegner hat Löw keinen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2013)

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