„Man will Touristen ein Rio zeigen, das nicht existiert“

Rio de Janeiro. Vor der Fußball-WM und den Olympischen Spielen 2016 ist in Rio de Janeiro der Streit um Zwangsräumungen neu entbrannt. Seit 2009 mussten rund 20.300 Familien ihre Häuser räumen.

Rio de Janeiro. Vor der Fußball-WM und den Olympischen Spielen 2016 ist in Rio de Janeiro der Streit um Zwangsräumungen neu entbrannt. Kritiker bemängeln die Art der Durchführung sowie die Motivation. „Man will den Touristen ein Rio de Janeiro zeigen, das nicht existiert – ein Rio de Janeiro ohne Armut“, sagte Renato Cosentino vom kritischen Bündnis Comitê Popular Rio Copa e Olimpíadas.

Laut Stadtverwaltung mussten von 2009 bis 2013 insgesamt 20.299 Familien ihre Häuser räumen. Die Unterkünfte standen in „informellen Gebieten“ in den Favelas der Stadt. Die Räumungen würden vor allem rund um die touristisch interessanten Gebiete und die Austragungsorte von WM und Olympia erfolgen, betonte Cosentino. Profiteure seien Immobilienunternehmen. „Wenn eine Favela abgerissen wird, wird die Gegend enorm aufgewertet.“

Enteignungen

Die Stadtverwaltung hält dagegen, die Räumungen würden dem Wohl der Bevölkerung dienen. „Alle Familien, die städtische Wohnungen bekamen, leben jetzt in einer deutlich besseren Situation“, meinte Rios Wohnbaubeauftragter Pierre Batista. Laut seinen Angaben zogen 9320 der enteigneten Familien in Sozialwohnungen um. Ein Viertel von ihnen habe vorübergehend Mietbeihilfe erhalten, und in 30 Prozent der Fälle habe die Stadtverwaltung Entschädigungen gezahlt.

Baustellen der Stadt seien in weniger als zehn Prozent der Fälle der Hintergrund der Räumungen. Die meisten Umsiedlungen seien notwendig geworden, da sich die Häuser in Risikogebieten wie Flussufern oder Berghängen befanden. „Die Umsiedlungen sind notwendig, um den Menschen würdigen Wohnraum zu schaffen“, sagte Batista.

Das Comitê Popular hält das Risikoargument allerdings oftmals für vorgeschoben. Die Wiederansiedlungen würden meist in unsicheren Gebieten im Osten Rios erfolgen, weit entfernt von Stadtzentrum, Arbeitsplätzen und grundlegender Infrastruktur. Anrainer kritisieren den Umsiedlungsprozess als wenig transparent. Batista: „Es gibt keine Perfektion. Wir versuchen immer, die Abläufe zu verbessern. Aber es gab keinen schwerwiegenden Fehler.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2014)

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