Rassismus: Die Scheinmoral der NBA

USA BASKETBALL NBA PLAYOFFS
USA BASKETBALL NBA PLAYOFFS(c) APA/EPA/PAUL BUCK
  • Drucken

30 Jahre lang ließ die Liga den rassistischen Clippers-Klubbesitzer Donald Sterling ungeschoren. Der gestiegene wirtschaftliche und politische Einfluss der Schwarzen änderte das.

Washington. Ob die Los Angeles Clippers die erste Runde der NBA-Play-offs überstehen, entscheidet sich in der Nacht auf Sonntag: 3:3 steht es nach einer bitteren 99:100–Niederlage in der Best-of-Seven-Serie gegen die Golden State Warriors, und zu allem Überfluss schleppt sich Chris Paul, Spielmacher und Hirn der Mannschaft, mit einer von Spiel zu Spiel übleren Oberschenkelzerrung und einem lädierten Daumen übers Parkett.

Doch ungeachtet des sportlichen Vorankommens ist man sich in der stärksten Basketballliga der Welt einig: Die Clippers sind das Team der Stunde und ein Symbol für den moralischen Fortschritt der amerikanischen Gesellschaft. Am Dienstag hatte NBA-Chef Adam Silver den Besitzer der Clippers, Donald Sterling, wegen rassistischer Äußerungen auf Lebenszeit aus allen Hallen der Liga verbannt und ihm eine Geldstrafe von 2,5 Millionen Dollar (1,8 Mio. €) auferlegt. Zudem hat die Liga ein Verfahren in Gang gesetzt, um Sterling zum Verkauf der Clippers zu zwingen. 23 von 30 Stimmen der NBA-Klubs sind nötig, um den 80-jährigen Immobilienmilliardär herauszudrängen. Diese Mehrheit gilt als sicher.

Sterling hat in den Augen der anderen Eigentümer ihre Interessen geschädigt, als er in einem heimlich mitgeschnittenen und über eine Hollywood-Tratsch-Webseite veröffentlichten Telefonat erklärte, er wolle keine Schwarzen im Publikum seiner Clippers sehen. Einige weitere obszöne und frauenfeindliche Aussagen seien hier gnädig verschwiegen.

Spielerboykott stand im Raum

Landauf, landab flicht man NBA-Chef Silver nun Ruhmeskränze. Tatsächlich aber hätte sich ohne den Druck prominenter schwarzer aktiver und früherer Spieler nichts geändert. Am Wochenende stand sogar ein Spielerstreik im Raum, nachdem Silver zuerst nur eine Geldstrafe verhängen wollte, wie die „New York Times“ berichtete. Kevin Johnson, der dreifache NBA-All-Star und heutige Bürgermeister von Kaliforniens Hauptstadt Sacramento, machte daraufhin Druck auf Silver und spitzte die Spielergewerkschaft an.

Seit drei Jahrzehnten zeichnet sich Sterling schon durch einen gut dokumentierten und abgrundtiefen Rassismus aus. Als Zinskasernenbesitzer in Los Angeles gab er die Anweisung, keine Schwarzen, Lateinamerikaner und Familien mit Kindern als Mieter zu akzeptieren. „Die Schwarzen in diesem Gebäude stinken, sie sind nicht sauber“, sagte er bei der Besichtigung eines derangierten Hauses. „Und die Mexikaner sitzen nur herum und rauchen und saufen den ganzen Tag. Darum müssen wir sie loswerden.“

Seine überwiegend schwarzen Spieler – die Kader der NBA-Teams bestehen zu mehr als drei Vierteln aus afroamerikanischen Athleten – behandelte Sterling in der Manier eines Plantagenbesitzers. „Arme schwarze Burschen aus dem Süden, die von einem weißen Trainer gecoacht werden“, sei die Philosophie, die Sterling vorschwebe, gab ein ehemaliger Mitarbeiter in einem Gerichtsstreit zu Protokoll.

Großinteresse an den Clippers

Der Zwangsverkauf wird Sterling nun ironischerweise einen satten Gewinn einbringen; 1981 kaufte er die damals in San Diego ansässigen Clippers um 12,7 Millionen Dollar. Heute sind sie laut dem „Forbes“-Magazin mindestens 575 Millionen Dollar, vermutlich sogar noch mehr wert. Von der Talkshow-Unternehmerin Oprah Winfrey über die beiden Legenden des Lokalrivalen LA Lakers, Shaquille O'Neal und „Magic“ Johnson (Miteigentümer der LA Dodgers; Baseball), bis zum Hip-Hop-Mogul Sean „Diddy“ Combs haben zahlreiche finanzstarke schwarze Persönlichkeiten Interesse bekundet.

Wenn diese Affäre gesellschaftliche Signifikanz hat, dann diese: 2014 gibt es in Amerika eine Schicht unternehmerisch erfolgreicher, selbstbewusster Afroamerikaner, die sich nicht mehr bloß als Sänger, Tänzer und Sportler schubladisieren lassen wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Donald Sterling
Mehr Sport

NBA-Klubs stimmen für Zwangsverkauf der Clippers

Privat hat Besitzer Donald Sterling aber noch andere Probleme: Laut Medienberichten soll er an Prostata-Krebs leiden.
Mehr Sport

Rassismus-Skandal: Clippers-Besitzer lebenslang gesperrt

Wegen rassistischer Bemerkungen brummte die US-Basketball-Liga dem Milliardär Donald Sterling zusätzlich eine 2,5-Mio.-Dollar-Geldstrafe auf.
USA BASKETBALL NBA PLAYOFFS
Mehr Sport

Ein Rassismus-Skandal und seine Folgen

Erste Sponsoren der Los Angeles Clippers haben Konsequenzen aus dem Rassismusskandal um Club-Besitzer Donald Sterling gezogen.
NBA: Playoffs-Los Angeles Clippers at Golden State Warriors
Mehr Sport

Rassismus: Stummer Protest der Clippers-Spieler

Clippers-Besitzer Donald Sterling steht nach rassistischen Aussagen schwer in der Kritik, sein Team trug bei der Niederlage in Oakland die Aufwärmleibchen verkehrt, um das Logo zu verbergen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.