Beachvolleyballer: "Natürlich streiten wir uns auch"

BEACH VOLLEYBALL - CEV Europameisterschaft 2014
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Österreichs beste Beachvolleyballer Clemens Doppler und Alexander Horst sprechen mit der "Presse am Sonntag" über Vorzüge und Nachteile ihres Berufs, leere Ränge und schlechte Stimmung unter Geschäftspartnern.

Aufschlagen, Springen, Blocken: Macht Ihnen das Training nach so vielen Jahren am Netz eigentlich noch genauso viel Spaß wie am ersten Tag?

Clemens Doppler: Es gibt ganz wenige Tage im Jahr, an denen ich keine Lust verspüre. Je älter ich werde, desto mehr schätze ich, was ich tun darf. Dieses Privileg, mit Beachvolleyball Geld zu verdienen, wird dir als Junger nicht so bewusst. Ermüdend wirkt da schon eher das viele Reisen.

Alexander Horst: Ja, definitiv. Die vielen Stunden im Flugzeug und auf dem Flughafen können schon richtig mühsam werden.
Doppler: Heuer haben wir zehn Stunden auf dem Flughafen in Paris verbracht, weil wir dank unserer „Lieblingsfluglinie“ unseren Anschlussflug verpassthaben. Das Fliegen ist auch der Hauptgrund, warum viele Beachvolleyballer ihre Karriere beenden.

Tatsächlich?

Doppler: Es ist egal, mit welchem älteren Spieler ich spreche: Sie haben alle einfach keine Lust mehr darauf, auf dem Flughafen zu warten oder lange Strecken in der Economyclass zu fliegen. Wir sind leider keine Tennisspieler, die sich Tickets für die Businessclass leisten können.

Gibt es dennoch Beachvolleyballer, die ausgesorgt haben?

Horst: Ja, aber diejenigen kann man an zwei Händen abzählen. Dazu gehören natürlich ein paar Brasilianer.
Doppler: Diese Spieler haben schöne Summen an Preisgeld verdient, aber leben noch mehr von ihren Sponsorgeldern und lukrativen Fördertöpfen.

Gelten brasilianische Beachvolleyballer in ihrer Heimat als echte Superstars?

Doppler: Man kennt sie, aber es ist nicht so, dass alle Menschen ausflippen, wenn sie auf den Straßen von Rio de Janeiro spazieren gehen. Früher war die Euphorie rund um Spieler wie Emanuel und Ricardo noch größer. Mittlerweile haben sich die Kräfteverhältnisse verschoben, die Brasilianer haben ihre Dominanz verloren.
Horst: Mit einem Neymar können sie sich jedenfalls nicht vergleichen.

Wie ist es um Ihre Popularität in Österreich bestellt?

Doppler: Wenn wir in unserer Beachvolleyballwäsche über die Mariahilfer Straße gehen, würde uns die Mehrheit der 16- bis 30-jährigen Zielgruppe erkennen. Ohne Brille, Kapperl und Hose erkennt uns keiner. Aber mich stört das nicht, ich muss nicht im Rampenlicht stehen. Im Endeffekt leben wir nur vom Turnier in Klagenfurt. Würde es dieses Event nicht geben, hätte Beachvolleyball in Österreich einen völlig anderen Stellenwert.
Horst: Ohne Klagenfurt könnten wir uns als Beachvolleyballer unmöglich den Lebensunterhalt leisten. Alles steht und fällt mit den Sponsoren.

Der Beruf des Beachvolleyballprofis gilt nicht als Kindheitstraum. Was wollten Sie ursprünglich werden?

Horst: Ich wollte immer Volleyballer werden. Schon meine Mutter hat Volleyball gespielt, ich bin praktisch in der Halle aufgewachsen.
Doppler: Meine Eltern sind beide Lehrer, mir hat dieser Beruf auch getaugt. Als sich aber herausgestellt hat, dass ich im Volleyball ein gewisses Talent habe, habe ich mir keine großen Gedanken mehr gemacht, was ich denn beruflich sonst noch so anstellen könnte.

Beachvolleyballer sind praktisch allesamt Quereinsteiger.

Horst: Weil es sich niemand leisten kann, für einen Fünfjährigen einen Trainer zu engagieren. Es wäre auch nicht wirklich sinnvoll, da es für Kinder in Europa keinerlei Turniere gibt. In diesem Altersbereich gibt es noch keine Spezialisierung auf Beachvolleyball. Selbst die Brasilianer kommen aus der Halle.

Sie nennen Ihren Arbeitsplatz, den Strand, das „schönste Büro der Welt“. Inwieweit führen Sie ein Jetset-Leben?

Doppler: Wir haben das Glück, mehr als Otto Normalverbraucher um die Welt zu kommen. Früher hatten wir zudem das Glück, die meisten Turniere direkt auf dem Strand spielen zu dürfen. Der Trend geht aber woandershin, in die Städte beziehungsweise zentrumsnahe Orte. Aber unabhängig davon habe ich schon viel gesehen. Es ist immer noch nett, in den Wintermonaten nach Fuerteventura zu fliegen und auf dem Strand zu trainieren. Das ist ein angenehmer Nebeneffekt unseres Berufs.

Sie führen als Beachvolleyballer eine Form der Partnerschaft. Streiten Sie sich auch?

Doppler: Haben Sie eine Freundin? Also, dann wissen Sie es. Wenn du schon so lange „zusammen“ bist, gibt es Tage, an denen du nicht so gut miteinander klarkommst. Dieses Team, das sich nie streitet und immer gut versteht, das gibt es nicht. Wenn einer gut und der andere schlecht spielt, ist es logisch, dass auch Missstimmung aufkommen kann. Bei uns kommt noch der Erfolgsdruck hinzu. Wir sind auch wirtschaftlich voneinander abhängig. Alle Spieler, die sagen, sie streiten nicht, sind Lügner.
Horst: Es gab ja auch Spieler, die sich nicht leiden konnten und trotzdem gemeinsam Erfolg hatten. Das beste Beispiel waren die Schweizer Brüder Martin und Paul Laciga. Die haben kein Wort miteinander geredet, sich schon als Kinder immer gestritten. Zu ihrer aktiven Zeit haben sich ihre Freundinnen angerufen und die Trainingszeiten kommuniziert. Angeblich hat einer den anderen sogar einmal auf dem Flughafen sitzen lassen, nachdem er dort eingeschlafen war – daraufhin hat er den Flug verpasst. Die Lacigas haben zeitweise nicht einmal die Trainingsbank geteilt.

Wohin entwickelt sich der Beachvolleyballsport punkto Fanzuspruch?

Doppler: In völlig unterschiedliche Richtungen. Es gibt einige etablierte Turniere wie Gstaad oder Stavanger, die schon am ersten Turniertag gut besucht sind. Und dann gibt es wiederum Events, wo kein Mensch hingeht, weil es keinen interessiert, sie schlecht beworben oder organisiert sind.
Horst: Das beste Beispiel ist Shanghai. Das Turnier gibt es seit Ewigkeiten, und der Center-Court ist jedes Jahr wieder leer. Dabei findet das Turnier zeitgleich mit einem chinesischen Feiertag statt. Auf dem Strand tummeln sich die Leute, aber in das Stadion geht trotzdem keiner. Ein negatives Beispiel ist auch Berlin. Dort wird Beachvolleyball einfach nicht beworben. Da kennen die Taxifahrer eher das Turnier in Klagenfurt als das in Berlin.

Hannes Jagerhofer, der Organisator des Turniers in Klagenfurt, wird 2015 parallel zur derzeitigen World Tour eine eigene Turnierserie starten. Wie stehen Sie diesem Projekt gegenüber?

Doppler: Der Weltverband erkennt dieses Projekt nicht als Chance, sondern als Konkurrenzprodukt. Deswegen gibt es bis jetzt noch keine Lösung, ob wir als Spieler des Weltverbandes diese von Jagerhofer organisierten Turniere spielen dürfen oder nicht.
Horst: Der Weltverband droht uns Spielern sogar damit, nicht mehr an seinen Turnieren teilnehmen zu dürfen, wenn wir auf Events der Jagerhofer-Tour spielen. Dabei geht es auch um die Qualifikation für Rio 2016.
Doppler: Derzeit gibt es ein Turnier pro Kalenderwoche. Warum aber sollte es nicht zwei geben, aus denen man dann eines auswählen kann? Diese neue Tour kann nur eine Bereicherung für unseren Sport sein.

Sie trainieren in Wien auf „brasilianischem“ Sand, nachdem Sie aus Rio eine Kornprobe mitgenommen haben und den Sand in Österreich haben produzieren lassen. Ein vielleicht entscheidender Vorteil, regelmäßig auf olympischem Sand spielen zu können?

Doppler: Das deutsche Duo Brink/Reckermann hatte das Gleiche schon vor den Olympischen Spielen 2012 in London gemacht – sie sind daraufhin Olympiasieger geworden. Wir wollten zumindest nichts unversucht lassen, haben um 6400 Euro 160 Tonnen Sand aufschütten lassen. Aber vielleicht war das alles umsonst. Nämlich dann, wenn die Brasilianer einen ganz anderen Sand über den derzeitigen schütten.

Haben Beachvolleyballer ein Ablaufdatum?

Horst: Emanuel ist 41 und noch immer Weltklasse. Ich glaube, ab 45 wird es schwierig. Clemens und ich sind derzeit im besten Alter.
Doppler: Hinzu kommt, dass das Alter nicht so ins Gewicht fällt, weil sich mit Routine vieles lösen lässt. Man lernt mit den Jahren, Situationen besser einzuschätzen und findet heraus, wie viel Energie man in welche Aktion stecken sollte.

Sind Sie eigentlich noch anfällig für einen Sonnenbrand?

Horst: Ja, doch, aber für gewöhnlich nur im ersten Trainingslager der Saison. Meinen letzten Sonnenbrand habe ich mir jedoch erst vor zwei Wochen in Den Haag aufgerissen.
Doppler: Wir wurden von der Sonne überrascht. Mittlerweile ist es schon bei mehr Turnieren kalt anstatt heiß.

Beach-Duo

Clemens Doppler wurde am 6.September 1980 in Kirchdorf an der Krems, Oberösterreich, geboren. Doppler ist zweifacher Europameister (2003, 2007) und bildete unter anderem mit Nik Berger, Peter Gartmayer und Matthias Mellitzer ein Gespann.

Seit 2012 spielt Doppler an der Seite von Alexander Horst. Der Wiener wurde am 20. Dezember 1982 geboren. Horst feierte seinen größten Erfolg mit Florian Gosch, als das Duo 2009 in Sotschi EM-Silber gewann. 2014 gewannen Doppler/Horst bei der EM in Cagliari, Sardinien, die Bronzemedaille.

Von 29. Juli bis 3. August findet in Klagenfurt der Grand Slam statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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