Pistorius-Prozess: Richterin schloss vorsätzlichen Mord aus

Olympic and Paralympic track star Pistorius reacts as he listens to Judge Masipa's judgement at the North Gauteng High Court in Pretoria
Olympic and Paralympic track star Pistorius reacts as he listens to Judge Masipa's judgement at the North Gauteng High Court in PretoriaREUTERS
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Es sei seine "bewusste Entscheidung" gewesen, als Oscar Pistorius vier Schüsse durch die geschlossene Toilettentür abgegeben habe, sagte Richterin Masipa. "Es war aber kein vorsätzlicher Mord."

Pretoria. Im Mordprozess gegen den südafrikanischen Sportler Oscar Pistorius hat die Urteilsverkündung begonnen. Richertin Thokozile Masipa schilderte am Donnerstagvormittag zunächst die Ereignisse aus ihrer Sicht. Der beinamputierte Sprinter hatte seine Freundin Reeva Steenkamp in der Nacht auf den 14. Februar 2013 durch eine geschlossene Badezimmertür erschossen.

Masipa wiederholte einige Aussagen des Angeklagten und von Zeugen. Dabei lieferte sie im Gericht von Pretoria erste Einschätzungen zur Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen. Er habe oft ausweichend auf Fragen geantwortet, aber damit "nicht automatisch" gelogen oder die Wahrheit verschwiegen, sagte die Richterin. In ihrer  Urteilsverkündung schloss sie einen vorsätzlichen Mord dezidiert aus. Die Staatsanwaltschaft habe dafür nicht genügend Beweise vorbringen können. Aber: Es sei seine "bewusste Entscheidung" gewesen, als er vier Schüsse durch die geschlossene Toilettentür abgegeben habe.

Ein Medien-Spektakel

Pistorius erschien im schwarzen Anzug im Gericht. Er zeigte sich während der Urteilsverkündung zunächst äußerlich unbewegt, sah aber blass aus. Steenkamps Eltern Barry and June blickten zu ihm hinüber. Mutter June Steenkamp hatte einen Strauß roter Rosen vor sich. Auch die Familie von Pistorius kam: Vater Henke, Schwester Aimee, Bruder Carl und Onkel Arnold. Carl Pistorius sitzt derzeit im Rollstuhl - er hatte sich vor einigen Wochen bei einem Autounfall schwer verletzt. Zahlreiche Journalisten versammelten sich vor und im Gericht.

Der 27-jährige Pistorius hatte die Schüsse in der Nacht zum Valentinstag 2013 zwar nie bestritten. Er argumentiert aber, im Badezimmer einen Fremden vermutet und aus Panik vor dem vermeintlichen Einbrecher gehandelt zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm einen vorsätzlichen Mord vor. Pistorius muss sich außerdem wegen mehrere Waffenvergehen verantworten.

Der Sprinter hatte 2012 in London mit seinem Olympia-Start auf Prothesen weltweit Schlagzeilen gemacht. Der Mordprozess gegen ihn begann vor gut sechs Monaten, am 3. März 2014.

Für Pistorius sind mehrere Szenarien denkbar: Im für ihn schlimmsten Fall könnte die Richterin entscheiden, dass der Sportler seine Freundin nach einem Streit vorsätzlich und kaltblütig tötete. Als Höchststrafe könnte Richterin Masipa lebenslang Gefängnis verhängen - in der Regel kann der Verurteilte dann erst nach 25 Jahren um Gnade bitten.

Bis zur Bekanntgabe des Urteils müssen sich alle Beteiligten möglicherweise bis Freitag gedulden. In Südafrika ist es üblich, dass ein Richter das Urteil erst am Ende seiner Ausführungen bekannt gibt. Masipa ließ sich nie anmerken, zu welcher Entscheidung sie tendiert.

Das Strafmaß wiederum dürfte die Richterin erst mehrere Wochen nach ihrem Urteil bekannt geben. Sie hat bei der Strafe großen Ermessensspielraum. Eine Prognose über den Ausgang des spektakulären Prozesses wagte bisher fast niemand. Grundsätzlich ist von einer lebenslangen Gefängnis- bis zur Bewährungsstrafe alles möglich. Selbst ein Freispruch ist nicht ausgeschlossen, gilt aber als unwahrscheinlich.

Chefankläger Gerrie Nel hatte Pistorius in seiner Schlussrede vor rund einem Monat vorgeworfen, die Wahrheit bei seinen Aussagen stets zu seinen Gunsten verdreht zu haben. Pistorius müsse in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen werden.

Verteidiger Barry Roux verlangte einen Freispruch und erklärte die tödlichen Schüsse seines Mandanten mit dessen Angststörung. Pistorius' überzogene Angst sei mit der hohen Kriminalitätsrate in Südafrika und der Behinderung des unterschenkelamputierten Angeklagten zu erklären.

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