Ski alpin: Raichs ewig junge Sehnsucht nach dem Podest

ALPINE SKIING - NOR Ski Team/ OESV men, training
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Benjamin Raich, der im Februar 37 Jahre alt wird, tut sich noch eine Saison an. Vor dem Weltcupauftakt in Sölden versprüht er Optimismus. Der neue ÖSV-Herrencheftrainer Andreas Puelacher muss einige Probleme lösen.

Der Winter ist schlagartig ins Ötztal gekommen, er hat nicht nur Sölden, wo am Wochenende traditionell die alpine Skiweltcupsaison eröffnet wird, fest im Griff. Die Passstraße hinauf zum Rettenbachferner war am Donnerstag gesperrt, nach dem ausgiebigen Schneefall herrschte Lawinengefahr. Erst am Nachmittag durften die Pistenarbeiter nach oben zur Riesentorlaufstrecke. Die Veranstalter aber sind optimistisch, dass die Rennen stattfinden können. Schließlich ist für Samstag und Sonntag Sonnenschein angesagt. Das nährt die Hoffnung auf ein kleines Wintermärchen und TV-Bilder, die für die Skiindustrie vor dem Weihnachtsgeschäft hilfreich sind.

Vor genau einem Jahr haben hohe Temperaturen dem Gletscher zugesetzt, in Sölden muss man auf alles gefasst sein. Einen, den das überhaupt nicht aus der Ruhe bringt, ist Benjamin Raich. Er ist als Pitztaler hier fast daheim. Und mit seiner Erfahrung im Weltcup diskutiert man über vieles – aber nicht mehr übers Wetter. Raich wird im Februar 37 Jahre alt, am Sonntag geht er in Sölden zum 14. Mal an den Start. Gewonnen hat er den Riesentorlauf auf dem Rettenbachferner noch nie, die Hoffnung auf einen Erfolg, die hat er auch diesmal noch nicht aufgegeben. „Ich bin davon überzeugt, dass ich immer noch dazu in der Lage bin, ganz vorn mitzufahren. Und wenn alles zusammenspielt, dann kann ich auch wieder einmal ganz oben stehen.“

Seine Lebensgefährtin Marlies Schild hat im Sommer ihre große Karriere für beendet erklärt, Benjamin Raich hingegen will die Weltmeisterschaft in Vail/Beaver Creek noch mitnehmen. Dort hat vor vielen Jahren alles begonnen, Vail 1999 bedeutete seine erste WM-Teilnahme. Vail 2015, das soll die neunte Weltmeisterschaft werden. Wobei aus dem Allrounder mittlerweile wieder ein Spezialist geworden ist. Der Tiroler beschränkt sich ausschließlich auf die technischen Disziplinen. Eine Art Vorsichtsmaßnahme aus rein gesundheitlichen Gründen. Denn der Rücken legt Raich immer öfter aufs Kreuz. Mittlerweile hofft er, die Probleme im Griff zu haben. Aber im Jänner 2014 hätte er am liebsten alles hingeschmissen.

Für Benjamin Raich ist ausschlaggebend, mit Spaß an die Sache heranzugehen. Der Doppel-Olympiasieger und dreimalige Weltmeister verspürt immer noch diese Freunde, wenn er schmerzfrei seine Schwünge zieht. Darum hat er die Entscheidung, die Karriere fortzusetzen, von Schilds Entschluss unabhängig gemacht. „Wir haben uns gesagt, wir werden das als Sportler entscheiden – jeder muss seinen Weg gehen.“

Benjamin Raich, in Sölden bislang dreimal Vierter, ist mit dem Rettenbachferner vertraut. Für Andreas Puelacher hingegen wird das Rennen am Sonntag zur Premiere. Der 50-jährige Tiroler aus Oberhofen erlebt seine Feuertaufe als Cheftrainer. Was Benjamin Raich betrifft, so ist der Nachfolger von Mathias Berthold voll des Lobes. „Er hat immer noch ein Feuer in sich wie ein 20-Jähriger!“

Auf Andreas Puelacher warten keine leichten Aufgaben, beim ÖSV werden immer Erfolge verlangt. Marcel Hirscher gilt nach dem verletzungsbedingten Ausfall des Norwegers Svindal als erster Kandidat für die große Kristallkugel, Puelacher aber muss auch sich auftuenden Problemen stellen. In der Abfahrt ist man – trotz Olympia-Gold – nicht ganz so stark, wie man sich das wünschen würde. Und im Slalom ist die Mannschaft in die Jahre gekommen. Der unverwüstliche Mario Matt wird nicht jünger, Manfred Pranger auch nicht. Und Benjamin Raich kann den Zahn der Zeit auch nicht aufhalten. Sein letzter von insgesamt 36 Weltcupsiegen ist ihm im Februar 2012 gelungen. Puelacher: „Ich bin froh, dass er noch fährt. Wir brauchen Benni – auch als Persönlichkeit.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2014)

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