Suche nach den Helden von morgen

SWIMMING - LEN European championships, photo shoot
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Österreichs Sport hat schon bessere Zeiten erlebt. In Zukunft sollen sich wieder mehr Erfolge einstellen, einige Talente geben Anlass zur Hoffnung.

Der österreichische Sport wird gern krankgejammert. Tiefpunkt waren die Olympischen Sommerspiele 2012 in London, als Rot-Weiß-Rot leer ausging. Sportminister und Funktionäre haben Alarm geschlagen, viele Fördergelder landeten nicht dort, wo sie hätten landen sollen, die Infrastrukturmängel wurden in den vergangenen Jahren immer schlimmer. Viele Probleme wurden zerredet, aber es gab auch gute Initiativen, die dazu beitragen können, die sportliche Talfahrt zu stoppen. Schon bei Olympia in Rio 2016 soll alles besser sein, sollen sich wieder Medaillen einstellen. Schon davor könnte die Fußballnationalmannschaft bei der Euro in Frankreich mitwirken.

Mit einer Vielzahl an großen Talenten ist Österreichs Sport nicht gesegnet. Aber es gibt sie, die aufstrebende Jugend. Die „Presse am Sonntag“ hat eine kleine Auswahl an vielversprechenden Youngsters getroffen. Die Liste erhebt freilich keinen Anspruch auf Vollzähligkeit.


In gewisser Weise war es der Beginn einer neuen Ära. Bei der Langbahn-EM in Berlin schwamm Lisa Zaiser Ende August über 200 Meter Lagen zu Bronze und sorgte in ihrem ersten Finale für die erste Medaille seit dem Jahr 2000, die nicht von Markus Rogan oder Mirna und Dinko Jukić gewonnen wurde. „Jetzt will ich nie mehr hören, dass nach Rogan und den Jukics nichts mehr nachkommt“, sagte die 20-Jährige nach dem Triumph.

Zaisers großes Talent wurde bereits bei einem Schwimmkurs in der Volksschule erkannt, sie wurde sofort an einen Verein vermittelt. Zu Beginn schreckten zwei Trainingseinheiten pro Woche die Kärntnerin noch ab, doch schon bald wurde das Becken zu ihrem zweiten Zuhause. Die Erfolge ließen nicht lang auf sich warten: Mit 15 gab sie ihr Kurzbahn-EM-Debüt, mit 16 schwamm sie erstmals im Finale. 2012 schaffte Zaiser als jüngstes ÖOC-Mitglied den Sprung zu den Olympischen Spielen. Erst 2013 wurde ihre Entwicklung gebremst, galt die Konzentration doch der Matura. Umso stärker meldete sich Zaiser danach zurück, denn nach abgelegter Reifeprüfung legte sie ihren Fokus ganz auf den Sport. Da es in Spittal kein 50-Meter-Becken gibt, nahm sie Anfang des Jahres Abschied von Langzeittrainer Ferdinand Kendi und übersiedelte nach Linz.

Das nächste große Ziel hat Zaiser längst vor Augen. Bei der WM auf der olympischen Langbahn im August 2015 in Kasan will sie auf ihrer Lagen-Paradestrecke ins Finale einziehen. Trainer Marco Wolf ist überzeugt: „Lisa hat so viel Potenzial, da ist noch viel drinnen. Bronze in Berlin war erst der Anfang.“


Spätestens seitdem Thomas Vanek in der nordamerikanischen National Hockey League erfolgreich dem Puck hinterherjagt, hat Eishockey in Österreich an Stellenwert gewonnen. Neben Vanek, Stürmer bei Minnesota Wild, verdienen momentan mit Michael Grabner (New York Islanders) und Michael Raffl (Philadelphia Flyers) zwei weitere rot-weiß-rote Cracks ihr Geld in der stärksten Liga der Welt. Der Blick über den großen Teich motiviert, auch Österreichs beste Jugendliche träumen von der Karriere in der NHL. Benny Baumgartner wird besonderes Talent nachgesagt. Gerold Maier, im Österreichischen Eishockeyverband als Sportkoordinator tätig und mitunter für den Nachwuchs verantwortlich, schwärmt von Baumgartner. „Er hat ein unglaubliches Spielverständnis, ist unsere größte Zukunftshoffnung.“

Wie Vanek sammelte auch Baumgartner in Zell am See erste Erfahrungen auf dem Eis. „Er hat mit drei, vier Jahren mit dem Eislaufen begonnen, war schon als kleiner Junge sehr fokussiert“, erinnert sich Vater Siegfried Baumgartner. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Wien bei den Vienna Tigers lockte den 14-Jährigen im Sommer die Schweiz. Seit August steht der Salzburger beim HC Davos unter Vertrag. Der Schweizer Rekordmeister ist eine Topadresse im europäischen Eishockey. In der 11.000 Einwohner zählenden Stadt besucht Baumgartner wie auch etwa diverse Langläufer oder Skifahrer ein fünfjähriges Sportgymnasium. Knapp zwei Stunden steht der Teenager täglich auf dem Eis, dazu wird Kondition gebolzt. Im gleichen Alter hat auch Vanek Österreich hinter sich gelassen und ist in die USA ausgewandert. Baumgartner überlegte ebenfalls, selbiges zu tun, es gab Kontakt nach Chicago.

Schließlich entschloss sich die Familie aber für ein weiteres Engagement in Europa. „Die Schweiz ist der nächste logische Schritt“, erzählt Baumgartner Senior der „Presse am Sonntag“. In Davos, vier Stunden von Zell am See entfernt, passe das Umfeld, auch sprachlich gebe es keine Barrieren. Langfristig sei natürlich eine Karriere in Nordamerika das Ziel. „Es ist sein großer Traum, es in die NHL zu schaffen.“

Er befand sich bereits auf den Spuren von David Alaba – aber er hat es bei Bayern München nicht mehr erwartet. Alessandro Schöpf, geboren in Umhausen, hat über die Tiroler Fußballakademie im Sommer 2009 den Sprung nach Bayern geschafft. In der Jugendabteilung begann er sich hochzudienen, später rückte der Tiroler in die zweite Mannschaft auf. In 63 Regionalligaspielen brachte es Schöpf auf 22 Treffer, eine Chance bei Pep Guardiola („Er spielt so ähnlich wie Thiago“) aber bekam der Jungprofi nicht. Stattdessen flatterte ein Angebot vom 1. FC Nürnberg (Vertrag bis 2017, Ablöse 400.000 Euro) herein, Schöpf packte die Gelegenheit beim Schopf. Der 20-Jährige ist beim Traditionsklub mittlerweile eine fixe Größe, erst in der Vorwoche gelang ihm der Siegestreffer gegen Leipzig. Nach zehn Runden hält er damit bei drei Toren und drei Assists. Sein Ziel: „Mit Nürnberg in die Bundesliga aufsteigen.“ Und in der ÖFB-U21-Auswahl Erfolge feiern. Gleiches hat auch Kevin Stöger vor. Der 21-Jährige wurde beim VfB Stuttgart (noch) nicht glücklich und von den Schwaben deshalb bis 2015 an den 1. FC Kaiserslautern verleihen. Dort blüht Stöger im Mittelfeld regelrecht auf.

In der Bundesliga, da befindet sich Kevin Wimmer bereits. Der gebürtige Welser hat den Sprung nach Deutschland aus der zweiten österreichischen Liga geschafft. Vom Lask wechselte der 21-jährige Abwehrspieler nach Köln – jetzt ist man stolzer Aufsteiger. Erst unlängst hat er in einem Interview mit der „Welt“ erklärt: „Wenn man einmal in der deutschen Bundesliga gewesen ist, das Ganze gesehen hat und mit der österreichischen Liga vergleicht, dann will keiner so schnell zurück. Die Gegner sind ganz andere hier. Die Atmosphäre, die Stadien, die Klubs – was die alle für ein Ansehen haben! Das ist ganz, ganz schwer zu vergleichen mit Österreich. Ich glaube, in Österreich gibt es nur den Traum, nach Deutschland zu kommen. In näherer Zukunft kommt eine Rückkehr für mich daher nicht infrage.“ Vielmehr hofft er auf weitere Länderspieleinsätze. Einen hat er schon – der hat allerdings nur eine Minute gedauert.

Eine feste Größe im Nachwuchs der Nationalmannschaft ist Sinan Bytyqi. Der offensive Mittelfeldspieler mit kosovarischen Wurzeln unterschrieb 2012 bei Manchester City einen Dreijahresvertrag – als damals 17-Jähriger. Fortan entwickelte sich der Kreativgeist im Nachwuchs zum Stammspieler. Er bereitet Tore vor und schießt sie selbst, in der laufenden U21-Premier-League hält Bytyqi nach sechs Spielen bei fünf Scorerpunkten. Damit ist er die interne Nummer eins des Tabellenführers. Vor einem Monat saß Bytyqi beim 7:0-Erfolg der ersten Mannschaft im Liga-Cup gegen Sheffield auf der Ersatzbank, schnupperte Profiluft. „Die Richtung stimmt“, bekräftigt Bytyqi, der auch gleich im ersten Spiel der neu formierten österreichischen U21-Auswahl traf. In den nächsten Wochen wird in Manchester über eine mögliche Vertragsverlängerung Bytyqis verhandelt. „Ich möchte bleiben und mich hier durchsetzen.“

Eines der größten Talente spielt noch in Österreich, steht bei Meister Salzburg unter Vertrag. Valentino Lazaro ist bei Teamchef Marcel Koller fixer Bestandteil des Kaders. Der 18-Jährige ist nicht nur begabt, sondern auch vielseitig, hat beim Verein auch schon zur Not die Rolle eines Außenverteidigers übernommen. Seine Stärken liegen jedoch im Vorwärtsdrang.
Nach Thomas Muster kamen Stefan Koubek und Jürgen Melzer, seit dieser Saison ist Dominic Thiem die treibende Kraft im österreichischen Herrentennis. Doch schon hinter Thiem schicken sich zwei weitere junge Österreicher an, ihre internationalen Karrieren in Gang zu bringen. Matthias Haim (16) und Gabriel Huber (15) gelten dafür als aussichtsreiche Kandidaten, die konträrer kaum sein könnten. Der 1,97 Meter große Haim „ist, was die Physis anbelangt, prädestiniert für Tennis“, behauptet ÖTV-Sportdirektor Clemens Trimmel. Der seit über einem Jahr in Dornbirn unter Joachim Kretz trainierende Tiroler verfügt in seinem Spiel „über sehr gute Hebel und kann den Ball extrem schnell machen“. Noch sei Haim in seinen Leistungen zu unkonstant, „aber er hat alle Möglichkeiten und das Potenzial, ein richtig Guter zu werden“.

Huber, ebenfalls Tiroler, ist ein Jahr jünger als Haim und ein kleinerer, eher defensiv ausgerichteter Spielertyp. Er sei „eher der Arbeiter“, meint Trimmel, dies soll jedoch keinesfalls despektierlich klingen. Immerhin war auch Muster ein solcher. Unter der Regie von ÖTV-Headcoach Michiel Schapers wird seit September in der Südstadt an Hubers Fortschritt gefeilt, das Hauptaugenmerk liegt dabei zunächst auf einer offensiveren Spielausrichtung. 2015 werden Haim und Huber vermehrt bei internationalen Turnieren aufschlagen.

Thiem ist den beiden Jungspunden bereits mehrere Schritte voraus. Der 21-jährige Niederösterreicher etablierte sich in dieser Saison auf der ATP-Tour und ist als Nummer 39 der jüngste Spieler in den Top 50 der Weltrangliste.
Wortwörtlich mit einem Schlag schaffte es Matthias Schwab 2012 auf die ganz große Golfbühne, als er beim Junior Ryder Cup einen Eagle aus gut 150 Metern versenkte. Kostproben seines Talents hatte der Steirer schon zuvor abgeliefert, etwa bei den Austrian Open 2010. Als 15-Jähriger überstand er bei seinem Debüt auf der European Tour als drittjüngster Spieler den Cut. Im Golfverband herrscht kein Zweifel, dass die heißeste Zukunftsaktie Matthias Schwab heißt. „Motorisch und vom Wesen ist er eines der größten Talente in Europa“, sagt Sportdirektor Niki Zitny der „Presse am Sonntag“. Für Schwab und seine Familie dennoch kein Grund, die Ausbildung zugunsten der Profi-Karriere hintanzustellen.

15 US-Universitäten umwarben Schwab, der 19-Jährige wählte Vanderbilt in Nashville, wo er seit letztem August Wirtschaft studiert und sich einen Fixplatz im Uni-Team Commodores in der College-Liga erarbeitete. Mit der Wahl zum „Newcomer of the Year“ und zum Golfspieler des Jahres wurde ein erfolgreiches erstes Jahr gekrönt. Dann aber folgte der Rückschlag: Durch das intensive Training entwickelte Schwab aufgrund einer angeborenen Muskel- und Bandschwäche eine Entzündung im Rücken und widmet sich daher bis zum Frühjahr Reha statt Turnieren.

Das olympische Golf-Comeback in Rio 2016 kommt für Schwab als Amateur noch zu früh, bis 2020 aber hat der ÖGV große Hoffnungen. „Matthias hat definitiv das Potenzial, auf der Tour nachhaltig erfolgreich zu sein.“
Wenn von Vanessa Bittner die Rede ist, fällt zumeist auch der Name Emese Hunyady. Der jungen Tirolerin wird eine große Zukunft prophezeit, sie soll in die Fußspuren der Olympia-Siegerin von 1994 treten. Auf dem Eis hat die 19-Jährige Hunyady bereits zum Teil den Rang abgelaufen. Vergangenen November verbesserte Bittner in Salt Lake City über 500 und 1000 Meter die über zehn Jahre alten Bestmarken und schaffte damit die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Sotschi, wo sie mit 18 Jahren die jüngste Teilnehmerin im gesamten Starterfeld war. Bei der folgenden Junioren-WM untermauerte Bittner ihr Talent, gewann Gold über 500 Meter und wurde Vierte über 1000 Meter. „In ihrer Altersklasse ist sie weltweit die Beste“, adelte Hunyady.

Nachdem Bittner im vergangenen Winter beim Weltcup in Berlin ihr erstes A-Finale verbucht hat, will sich die Innsbruckerin in dieser Saison in der höchsten Kategorie etablieren. „Sie hat die technischen und körperlichen Voraussetzungen und die richtige Einstellung“, sagte Trainer Hannes Wolf, der seinem Schützling Top-Ten-Platzierungen zutraut. Das große Fernziel sind die Olympischen Spiele 2018 in Südkorea. Nicht nur Hunyady ist überzeugt: „Vanessa kann dort eine Medaille gewinnen.“

Nicht ohne Grund wurde Segeln zu einer der Kernsportarten für österreichische Medaillenhoffnungen bei den Olympischen Spielen 2016 erklärt. Allen voran lieferten Lara Vadlau und ihre Partnerin Jolanta Ogar in der 470er-Klasse eindrucksvolle Argumente. Bei der WM vor Santander holte die 20-Jährige mit ihrer zwölf Jahre älteren Vorschoterin Ende September Gold und sorgte für die erste Damenmedaille bei internationalen Wettkämpfen.

Mit neun begann Vadlau mit dem Segeln und gilt seither als Ausnahmetalent. Ihre noch junge Karriere säumen Gold bei den Olympischen Jugendspielen 2010 (Byte-CII), ein Juniorenweltmeistertitel 2011 mit Tanja Frank (420er) und die Olympia-Qualifikation für 2012 mit Eva-Maria Schimak (470er). London brachte einen 20. Platz und markierte einen wichtigen Wendepunkt in ihrer Karriere. Bereits zuvor hatte Vadlau bezeichnenderweise auf einer Verliererparty Bekanntschaft mit Ogar gemacht und Freundschaft mit der gebürtigen Polin geschlossen. Nach Olympia stand für den Teenager fest, dass ein Wechsel sein musste. „Ich habe nur Jola als Möglichkeit gesehen. Eine Österreicherin auf ihr Niveau zu bringen, hätte Jahre gedauert“, erklärte Vadlau. Sie setzte ihren Willen durch und gemeinsam startete das Duo einen Erfolgslauf: Auf Silber bei den Welt- und Europameisterschaften 2013 folgte diesen April der EM-Titel. Auch auf bürokratischer Ebene gab es Grund zur Freude: Im Juni erhielt Ogar die österreichische Staatsbürgerschaft, womit der Olympia-Teilnahme 2016 nichts mehr im Weg steht. Das Ticket nach Rio haben Vadlau/Ogar als Weltmeisterinnen bereits fix gebucht, doch sie trachten nach mehr: „Wir wollen eine Medaille.“


„Er kann einer der besten Handballer Europas werden“, sagt Thomas Menzl, Manager der Fivers Margareten, über Nikola Bilyk. Der 47-Jährige erzählt von Visitenkarten des FC Barcelona, die er in seiner Geldtasche aufbewahrt. Sie sind ein Indiz für die Begehrlichkeiten, die Fivers-Spieler Bilyk weckt. Spätestens seit der U20-EM in Oberösterreich diesen Sommer ist der 17-Jährige eine der am höchsten gehandelten Handball-Aktien. Bei der Endrunde wurde Bilyk Torschützenkönig, in das All-Star-Team gewählt und als wertvollster Spieler des Turniers (MVP) ausgezeichnet.

Auch deutsche Klubs signalisieren ihr Interesse am 1,98 Meter großen Rückraumspieler. „Aber noch ist ein Wechsel kein Thema“, sagt Menzl und verweist auf den bis 2017 laufenden Vertrag. Bilyk, der im März ausgerechnet gegen Deutschland sein Debüt im Nationalteam gab, könnte in Zukunft das Gesicht des österreichischen Handballs sein. Selbst die Fußstapfen des aktuellen Spielmachers Viktor Szilagyi (36) scheinen nicht zwingend zu groß. [APA (3), GEPA (3), Reuters, Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2014)

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