Seglerin Lara Vadlau: Noch jedem Gegenwind getrotzt

SPAIN SAILING WORLD CHAMPIONSHIPS
SPAIN SAILING WORLD CHAMPIONSHIPS(c) APA/EPA/DAVID AGUILAR (DAVID AGUILAR)
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Als Welt- und Europameisterin zählt Seglerin Lara Vadlau mit Partnerin Jolanta Ogar zu Österreichs größten Olympia-Hoffnungen für 2016. Nicht nur auf dem Wasser verfolgt die 20-Jährige ihren eigenen Erfolgskurs.

Zeitlichen Druck hat Lara Vadlau im Grunde keinen, mit gerade einmal 20 Jahren stehen der Seglerin noch viele Jahre auf höchstem Niveau bevor. Doch so lang will sich die Kärntnerin nicht gedulden, schon 2016 soll die bereits jetzt umfassende Trophäensammlung im heimischen Maria Rain prominenten Zuwachs erhalten: Olympia-Gold. Hatte es Vadlau 2012 in London als jüngste Teilnehmerin an der Seite von Eva-Maria Schimak noch überraschend ins Teilnehmerfeld geschafft, gilt sie für die nächsten Sommerspiele in Rio aus derzeitiger Sicht sogar als größte rot-weiß-rote Hoffnung.

Ende September segelte Vadlau mit Partnerin Jolanta Ogar in der 470er-Klasse vor Santander zu historischem Gold, es war die allererste österreichische Damenmedaille bei Segelweltmeisterschaften. Die damit einhergehende Olympia-Qualifikation vollendete nach dem EM-Titel im Juni die vorläufige Krönung des jungen Duos. „Wir fühlen uns gar nicht wie Weltmeisterinnen, sondern wie völlige Anfängerinnen, bei denen noch so viel Potenzial da ist“, sagt Vadlau. Durchaus eine Warnung an die Konkurrenz, schließlich starteten die Kärntnerin und die gebürtige Polin den gemeinsamen Erfolgsweg erst vor zwei Jahren. Das erstmals ausgetragene Weltcupfinale vor Abu Dhabi bietet dem Duo ab Mittwoch die nächste Titelchance. „Wir haben diese Saison gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Aber das wäre eine super Draufgabe.“

Vadlaus Aufstieg in die Weltspitze kommt nicht überraschend, gilt sie doch schon seit Jugendtagen als Ausnahmetalent. Dabei waren die ersten Bootsausflüge mit den Eltern für die damals Fünfjährige reine Qual. „Ich fand es stinklangweilig und wäre viel lieber Motocross fahren gegangen“, erzählt sie im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Doch mit der ersten Ausfahrt allein in einem Optimist-Kinderboot änderte sich ihre Meinung schlagartig. Die Faszination hat sie bis heute nicht losgelassen, allein sie in Worte zu fassen, fällt ihr schwer. „Auf dem Meer über bis zu vier Meter hohe Wellen zu fliegen, das ist einfach ein cooles Gefühl.“ Zusätzlichen Anreiz liefern die unkontrollierbaren Komponenten Wind und Wasser. „Du kannst dich noch so perfekt vorbereiten, ein Stück Ungewissheit bleibt immer.“ Dass der Segelsport in Österreich zumeist nur alle vier Jahre bei den Olympischen Spielen im Rampenlicht steht, bedauert sie. „Wer glaubt, dass Segeln heißt, sich einfach nur auf ein Boot zu setzen und ein bisschen herumzufahren, soll einmal mit uns mitfahren.“


Der Vadlau-Weg. Vadlaus junge Karriere ist mit Erfolgen gesäumt: Mit neun gewann sie die erste große Regatta, 2010 segelte sie bei den Olympischen Jugendspielen im Byte CII zu Gold. Im Jahr darauf siegte sie mit Tanja Frank bei der Jugend-WM in der 420er-Klasse. Der Zufall brachte sie anschließend gemeinsam mit Schimak in ein Boot ins Rennen um Olympia 2012. Einen derart rasanten Aufstieg hat sich nicht einmal Vadlau selbst erträumt. „Ich habe einmal Olympia im Fernsehen gesehen und mir gedacht, es wäre nett, dort mitzufahren und um Medaillen zu kämpfen.“ Dass es gar so schnell ging, liegt am Erfolgsrezept, das sich kurz und knapp „Vadlau-Weg“ nennt. „Wenn man besser sein will, kann man nicht immer den Fußstapfen der anderen folgen“, erklärt die 20-Jährige, die auf ihrem Weg vorrangig dem eigenen Gefühl vertraut. „Es mag arrogant klingen, aber wenn ich das Gefühl habe, das Training ist falsch, dann kann die Person noch so viele Jahre studiert haben.“ Das konsequente Verfolgen eigener Ideen schafft nicht immer Freunde und lässt regelmäßig Hindernisse aufkommen, diese Erfahrung hat Vadlau in der Vergangenheit oft genug gemacht. Deshalb stand auch eine Skikarriere nie zur Diskussion, obwohl sie erfolgreich Rennen fuhr und bis heute leidenschaftlich gern die Pisten hinunterjagt. „Der ÖSV verträgt sich überhaupt nicht mit dem Vadlau-Weg.“

Ihren Kopf setzte Vadlau auch bei der Suche nach einer neuen Vorschoterin nach den Olympischen Spielen 2012 durch. Da sie keine erfolgsträchtige heimische Option sah, legte sie sich auf die Polin Jolanta Ogar oder das vorzeitige Karriereende fest. Weder der österreichische noch der polnische Verband waren darüber erfreut. „Jola hat wie ich alles auf eine Karte gesetzt, denn Polen hat ihr nach der Entscheidung sofort die Türen zugemacht. Das hat uns zusammengeschweißt“, sagt sie über ihre zwölf Jahre ältere Partnerin. Mit dem OeSV einigte sich das Duo schließlich auf ein Probejahr. „Der Druck war damals größer als jetzt bei der WM, denn wir mussten uns beweisen.“ Silber bei EM und WM im ersten Jahr waren überzeugend genug.

Abseits der sportlichen Erfolge wartete mit der Einbürgerung von Ogar allerdings auch noch eine bürokratische Hürde für das Olympia-Ziel. „Das Schlimme war, dass alle dafür waren, aber nichts passiert ist. Wenn jemand dagegen ist, kann man zumindest Argumente liefern und versuchen, ihn zu überzeugen. So konnten wir nur warten“, beschreibt Vadlau zwei nervenzehrende und vor allem kostenintensive Jahre. Als nicht österreichisches Boot fiel das Duo aus allen Förderprogrammen, die Kosten für Reisen und Material übernahmen Vadlaus Eltern. Die Erlösung folgte schließlich eine Woche vor der EM im Juni, als Ogar die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt. Nun sind zwar die Ausgaben gedeckt, Geld verdienen lässt sich mit dem Segeln aber nach wie vor nicht. „Es ist wie ein Hobby, bei dem es gut ist, wenn man mit null aussteigt.“ Auch deshalb denkt Vadlau für die Zukunft bereits in größeren Dimensionen. „Volvo Ocean Race oder als erste Frau zum America's Cup – das wäre schon ein Ziel.“


Freundschaft im zweiten Anlauf. Ogar verdiente bereits gutes Geld, allerdings nicht im Segeln, sondern als Volleyballerin. Während Vadlau quasi auf dem Wasser groß geworden ist, kam die gebürtige Polin durch puren Zufall zum Sport. Eines Tages absolvierte sie einen Medizin-Check beim Arzt des nationalen Segelverbandes, der vom Gardemaß der 1,80 Meter großen Athletin angetan war. Irgendwann gab sie seinem Werben schließlich nach. 2011 machte sie dann beim Weltcup in Spanien Bekanntschaft mit Vadlau, jedoch auf unliebsame Art und Weise. Nach einem regelwidrigen Manöver des österreichischen Bootes legte Ogar Protest ein, bekam recht und Vadlau wurde disqualifiziert. Ausgerechnet auf einer Verliererparty trafen sie erneut aufeinander, kamen ins Gespräch und beschlossen spontan, die perfekten Bedingungen für einen Turn zu nutzen. „Alle sind am Strand gestanden und haben sich gefragt, was die beiden Verrückten da machen. Von da an war klar, dass sie in mein Boot muss.“

Inzwischen verbindet die beiden eine enge Freundschaft. „Wir sind 280 Tage im Jahr gemeinsam unterwegs, sehen uns Tag und Nacht. Vielleicht gerade einmal nicht, wenn die andere aufs Klo geht“, sagt die Kärntnerin. Als Steuerfrau konzentriert sie sich auf den Wind, entscheidet über die Taktik und gibt die lautesten Kommandos im ganzen Feld, wie Ogar betont. „Die anderen sind älter, da musst du dir Respekt verschaffen“, erklärt die 20-Jährige. Aber auch teamintern sind lautstarke Diskussionen keine Seltenheit. „Wenn zwei Sturköpfe wie wir aufeinandertreffen, dann kracht es auch“, meint Vadlau. „Wir nutzen den Psychologen nicht für Mentaltraining, sondern zur Streitschlichtung.“ Zuletzt gingen die Wogen anlässlich der Auszeichnung zur Mannschaft des Jahres kurzzeitig hoch. „Am Ende haben wir uns auf einen Wanderpokal geeinigt: Ein halbes Jahr bei mir, das andere bei ihr.“


Herausforderung Rio. Mit dem Weltcupfinale ist die Saison für Vadlau/Ogar noch nicht beendet, im Dezember geht es noch einmal zum Training nach Rio de Janeiro. „Das Revier ist so schwer und speziell, dass man da nie auslernen kann“, erklärt sie. Auch sie haben bei den vorangegangenen Besuchen bereits Begegnungen mit den kuriosesten schwimmenden Objekten hinter sich, zuletzt irritierte aber vielmehr ein Meer aus toten Fischen. „Der Anblick und der Gestank sind alles andere als angenehm, vor allem für Jola, die fast dauernd im Wasser hängt“, berichtet Vadlau. Zumal Ogar als Spitzenseglerin kurioserweise an Seekrankheit leidet.

Nach den Olympischen Spielen 2016 sah Vadlaus Lebensplan eigentlich den Beginn eines Medizinstudiums vor, doch inzwischen ist die Verlockung groß. „Ich mache, was ich liebe, habe ein unglaublich cooles Leben und bin noch dazu erfolgreich“, sagt die 20-Jährige, die derzeit ein Fernstudium der Psychologie verfolgt. „Es sind nur noch zwei Jahre und ich bin erst 20 – das ist nichts.“ Bei Ogar sind die Voraussetzung freilich andere. „Im Kopf ist Jola jung, aber körperlich merkt sie die zwölf Jahre mehr natürlich schon.“ Olympia 2020 ist für das Duo dennoch eine Option. „Wenn alles passt und wir uns nicht zerstreiten.“

Steckbrief

1994
kam Lara Vadlau in Feldbach zur Welt. Mit sieben saß sie erstmals in einem Boot, mit neun segelte sie ihre erste Regatta.

2010
krönte sich Vadlau bei den Olympischen Jugendspielen mit Gold. Bei der Jugend-WM 2011 siegte sie mit Tanja Frank.

2012
qualifizierte sie sich mit Eva-Maria Schimak im 470er für die Olympischen Spiele in London (20. Platz).

2013
Das erste Jahr mit Jolanta Ogar brachte EM- und WM-Silber. Heuer folgten beide Titel und damit die Qualifikation für Olympia 2016. APA

Weltcupfinale

Zum ersten Mal wird von Mittwoch bis Sonntag vor Abu Dhabi vom Segelweltverband ein Weltcupfinale ausgetragen. Über WM, Weltcup und Rangliste konnten sich 20 Starter in den zehn olympischen Klassen sowie dem Kitesurfen qualifizieren. Pro Bewerb wartet ein Preisgeld von 18.000 Dollar (rund 14.500 Euro).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2014)

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