Abenteuer Amerika: Utah statt Donaustadt

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Basketball ist Volkssport in Amerika, die Profiliga NBA, ihre Klubs und Stars sind weltberühmt. Im College-Sport NCAA werden die Topspieler von morgen geformt, Jakob Pöltl, ein 19-jähriger Wiener, sorgt dort für Schlagzeilen. Er ist Stammspieler bei Utah, seine Statistik glänzt, die ersten Auftritte imponieren.

Basketball ist in Österreich eine Randsportart. Es gibt wenige geeignete Hallen, auch gibt es nur wenige Spieler, die auffallen – geschweige denn solche, die es ins Ausland schaffen. Zu klein, zu langsam, schlechter Wurf, der Ausreden bzw. Erklärungen gibt es sonder Zahl. Insidern sind Rašid Mahalbašić (Astana), Thomas Schreiner (Andorra) oder Benjamin Ortner (Venezia) ein Begriff, darüber hinaus wird es still. Doch einen Namen könnte man sich merken, zumindest lassen seine ersten Spuren in der höchsten Spielklasse des amerikanischen College-Basketballs darauf schließen: Jakob Pöltl.

Die Geschichte des 19-jährigen Wieners liest sich geradezu wie ein Märchen. Der Sohn zweier ehemaliger Volleyball-Teamspieler entdeckte als Sechsjähriger das Interesse am Basketball. Zumindest hatte sich dieser Sport „angeboten, weil ich damals schon sehr groß für mein Alter war“, schildert er seine Erinnerungen der „Presse am Sonntag“. Auch war der Klub mehr oder minder daheim um die Ecke. Er wuchs, warf, dribbelte und schulte sein Talent bei den Timberwolves. Er spielte als Vierzehnjähriger in der zweiten Liga, schaffte den Sprung zu Traiskirchen in die Bundesliga und wurde 2013 bei Dunkings, blockierten Würfen und Rebounds im Rahmen der U18-EM von einem US-Trainer beobachtet. Und im April diesen Jahres wurde der Wiener mit einem Vollzeit-Stipendium (Ausbildung, Logis) in Salt Lake City, Utah, ausgestattet. Assistenztrainer Andy Hill hatte gefallen, was er gesehen hatte. Pöltl war mit 2,13 Metern nicht nur groß, sondern auch Herr seiner Motorik. Er ist beweglich; stolpert also nicht wie andere seiner Größenordnung unkoordiniert durch die Zone. Er wiegt 104 Kilogramm, kennt alle Tricks, kann seinen Ellbogen einsetzen und sich unter dem Korb Platz verschaffen. Und, er fängt den Ball.


Größe nicht immer von Vorteil. „Mit der Motorik hatte ich Probleme, vor allem als Teenager“, erzählt Pöltl und fügt hinzu, dass seine Größe abseits des Basketballs durchaus ihre Nachteile habe. Kleidung, Schuhe, Tanzen, Reisen – mitunter sei es eine wahre Pein. Die Eltern und Timberwolves-Trainer Hubert Schmidt wussten Rat. Bauch-, Rumpf- und Stabilisationstraining ordneten Spannung und Motorik. Und nun glänzt der Fan von Kevin Garnett (Brooklyn) in Amerika auf dem Parkett.

Viele Gespräche mit Headcoach Larry Krystkowiak, der eigens nach Wien geflogen war, um Pöltl und seine Eltern von Utah (im Vergleich mit Angeboten aus Kalifornien und Arizona) zu überzeugen, schufen das gegenseitige Vertrauen. Es klingt abenteuerlich, in Amerika zu spielen – für einen Teenager, der auf sich allein gestellt ist, ist das jedoch nicht immer leicht.

Acht NCAA-Spiele (National Collegiate Athletic Association) hat er bereits in den Beinen, und die imposante Statistik lässt nicht nur im Basketball-verrückten Amerika hellhörig werden. Pöltl steht bei den Runnin' Utes in der „starting five“, also der Grundaufstellung. 197 Spielminuten, 74 Rebounds, davon 30 im Angriff, 23 blockierte Würfe oder über zehn Punkte pro Partie stehen zu Buche. Der Wiener ist damit in vielen Wertungen in den Top 20 dieser US-Liga mit 64 Universitäten und über 700 Spielern – das ist mehr als nur eine Selbstbestätigung.
»Ein Rohdiamant!« Für Utah, mit sieben Siegen und einer Niederlage Nummer 13 der Saison, spielt er als „Forward“, also Flügel, was angesichts seiner Größe überrascht, in den USA aber nicht ungewöhnlich ist. Unter dem Korb lauern ja mitunter größere, weitaus schwerere Kaliber. Warum der „Baum“, so rufen ihn seine Freunde, so gut zurecht komme, seine Instinkte und Reaktionen selbst Amerikaner irritieren, darauf weiß er keine Erklärung. „Ich versuche einfach, mein Spiel zu machen. Meine Kollegen und Trainer sind eine große Hilfe, es macht Spaß“, schildert er und sieht sich für „extrem schnelles, sehr physisches Spiel“ gut gewappnet.

Pöltl hat alle Erwartungen übertroffen. Und trotzdem, das vergessen alle, die nach nur acht Partien schon von Titelgewinnen, dem für Österreich historischen Draft der National Basketball Association (für ihn ab 2016 denkbar) oder der „Antwort auf Nowitzki“ fabulieren: Er ist 19, bestreitet das erste College-Jahr („Freshman“) und muss sich erst einleben. Experten des Sportsenders ESPN stimmten sich trotzdem hellauf begeistert schon auf seine Zukunft ein. „Er ist Utahs größtes Talent seit Ewigkeiten“, er könnte der achte Utes-Spieler werden, der es in die Profiliga schafft. Ein namentlich nicht genannter NBA-Scout wurde so zitiert: „Wenn er noch kräftiger und sein Spiel diversifizierter wird, kann er es schaffen. Jetzt ist er noch roh, aber seine Physis ist superb.“

Die Gegenwart sieht anders aus, sie verlangt Demut und Geduld. Von harter Arbeit ganz zu schweigen. Pöltl wohnt auf dem Campus, teilt sich das Zimmer mit seinen Mitspielern Chris Reyes und Kenneth Ogbe. Außer dem Campus, dem Trainingszentrum und der Sporthalle hat er noch nicht viel gesehen. „Mein Tag hier besteht aus ein paar Stunden Uni am Vormittag, nach dem Mittagessen Teamtraining plus eventuell Krafttraining, der Rest des Tages ist frei.“ Dann torpediert er etwaiges Heimweh mit SMS oder Skype und empfindet die Zeitverschiebung in diesem Punkt als nervend. Auch das verlange Organisation, zudem habe er „noch keine Studienrichtung ausgewählt. Ich bin dabei, meine ,General Education Requirements‘ zu absolvieren“, sagt Pöltl.

Eine Idee, wie er das Stipendium nützen wolle, habe er aber. „Business-Kurse“ sollen es sein. Zumindest in diesem Punkt scheint sein Weg eindeutig vorgegeben. Und, auf diese Feststellung legt der Basketballer besonderen Wert, „ob Amerika der Traum ist oder nicht, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Meiner Meinung nach muss das jeder für sich selbst herausfinden.“


Unglaubliche Begeisterung. Er freue sich auf alles, was kommt, die Auswärtsspiele, die Reisen, all die Eindrücke. Es sind Augenblicke, die man in Österreich nur aus dem Fernsehen kennt. Pöltl lebt und spielt mittendrin. „Die Stimmung und Begeisterung der Fans sind unfassbar, das kann man absolut nicht vergleichen“, schwärmt er von Spielen im Huntsman-Center vor 15.000 Zuschauern. „In Österreich gibt es neben Fußball kaum eine Sportart, für die sich wirklich so viele Menschen interessieren – und begeistern können“, sagt Pöltl und wähnt sich wahrlich in einer anderen Welt.

Was kommt oder gelingt, darüber will Jakob Pöltl nicht spekulieren. Dafür ist die Gegenwart zu intensiv, sind die Erlebnisse zu imposant und eindrücklich. Nach Utah zu gehen, sei jedenfalls die beste Entscheidung seines bisherigen Lebens gewesen. „Ich kann nur sagen: Für mich läuft es im Moment sehr gut, und ich freue mich auf jede neue Herausforderung.“

Warum nur wenige Österreicher den Sprung ins Ausland schaffen oder Karriere in Amerika machen – aktuell spielen drei Österreicher in der NHL, keiner in der NBA, NFL (Football) oder in der Baseball-Liga MLB –, darauf weiß auch Pöltl keine Antwort. Eine solche wird von ihm auch nicht verlangt. Als Ausnahmeerscheinung und Vorbild kann er eine Motivation für diejenigen Basketballer sein, die als zu klein, zu schwach oder zu ungelenk gelten. Derer gibt es ja bekanntlich unter Österreichs Körben sonder Zahl.

US-Sport lebt von Statistik: Der Wiener Jakob Pöltl ist in den Top 20 der NCAA-Liga.

Leben und Wohnen auf dem Campus, Kontakt mit daheim via SMS, Skype und Facebook.

Jakob Pöltl
ist 2,13 Meter groß
und 104 Kilogramm schwer. Der Basketballer spielt in der höchsten College-Liga Amerikas für Utah.

Der 19-Jährige
bestreitet die erste von maximal vier College-Saisonen. Der Flügelspieler wird als „Freshman“ bezeichnet.

Acht NCAA-Partien
hat der Wiener bereits bestritten, 197 Spielminuten, 74 Rebounds oder 23 „Blocked Shots“ weist die Statistik aus – dafür wird er in Amerika gefeiert.

Der Sohn
zweier ehemaliger Volleyball-Teamspieler lernte den Basketball in Donaustadt lieben, er spielte für DC Timberwolves (2. Liga) und Traiskirchen.
Grant Robertson

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2014)

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