Kohls Beichte: „Ich habe seit 2005 gedopt“

Der gesperrte Radprofi Bernhard Kohl
Der gesperrte Radprofi Bernhard Kohl(c) EPA (BARBARA GINDL)
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Der gesperrte Radprofi Bernhard Kohl nennt alle Hintermänner seiner Doping-Karriere und belastet Ärzte, Manager und Sportler.

WIEN. Bernhard Kohl sitzt im Glashaus. Im Pavillon des Wiener Café Landtmann packt er vor den Medien aus. Diesmal gibt es keine Weinkrämpfe wie bei seinem Doping-Geständnis im Herbst 2008. Diesmal wirkt der 27-jährige Niederösterreicher gefasst. „Ich habe einfach alles ausgesagt“, erzählt er vor laufenden Kameras, klickenden Fotoapparaten und drängenden Journalisten. Ausgesagt hat er vor den Ermittlern der Sonderkommission Doping. Jenen Leuten, die gestern Kohls Ex-Manager Stefan M. festgenommen haben.

M. ist auch der einzige Mann, den Kohl namentlich nennt und belastet. M. habe ihn zum Doping gebracht. „Ich habe ihn 2005 kennengelernt und von da an gedopt“, gesteht er. Sein Manager habe ihn mit allem versorgt, was es an verbotenen Substanzen im Sport gibt. EPO, Wachstumshormone, Testosteron und Insulin. Natürlich hat Kohl dafür bezahlt. Er schätzt, dass er im Lauf der Jahre 50.000 Euro für Dopingmittel ausgegeben hat.

Wann der Dritte der Tour de France 2008 mit Doping erstmals in Berührung gekommen ist, wird er gefragt. „Doping lernt man als Sportler von klein auf“, lautet die Antwort. Er persönlich sei dopenden Sportler erstmals im Heeressportzentrum begegnet.

Jetzt muss Anwalt Manfred Ainedter kurz einspringen. Sein Mandant meine natürlich nicht, dass in diesem Heeressportzentrum Doping ermöglicht oder gar geduldet werde. Das geschehe natürlich im Verborgenen.

Doch manchmal kommt es an die Oberfläche. Wie damals bei den Olympischen Winterspielen in Turin 2006. Da führten die italienischen Behörden im Lager der heimischen Biathleten und Langläufer eine Razzia durch. Blutbeutel und Infusion-Utensilien sollen bei den Heeressportlern gefunden worden sein.

Dieser Skandal unter Wintersportlern machte auch Bernhard Kohl zu schaffen. Denn die Wege der Dopingsünder sind nicht nur unergründlich. Sie kreuzen sich auch. Im konkreten Fall lag die Kreuzung im medizinischen Institut Humanplasma in Wien.

„Ich war dreimal in diesem Institut und habe dort Blutdoping durchgeführt“, gestand Kohl gestern abend. Jedesmal sei er von seinem Manager M. begleitet worden. Dass bei Humanplasma Dutzende Spitzensportler so wie Kohl betreut worden sein sollen, wird seit Monaten gemunkelt.

Blutdoping bei Humanplasma?


Gegen die Mediziner, die diese Vorwürfe stets bestritten haben, ermittelte sogar die Staatsanwaltschaft. Die Anklagen wegen Betruges und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz wurden fallengelassen. Und das Delikt Doping-Handel, das mittlerweile zu vier Verhaftungen und zu Ermittlungen gegen zwei Dutzend Verdächtige geführt hat, steht erst seit August 2008 unter Strafe. Strafrechtlich hat sich das Institut nichts zu Schulden kommen lassen. Sollten sich Kohls Vorwürfe bewahrheiten, könnte es allerdings standesrechtliche Konsequenzen für involvierte Mediziner geben. Angriffe der Welt-Anti-Dopingagentur WADA wies Humanplasma-Geschäftsführer Lothar Baumgartner stets zurück. „Ich bin empört, es gibt keine Affäre Humanplasma“, sagte er im Februar 2008.

Bei Humanplasma sei schon nach der Affäre von Turin 2006 kein Platz mehr für ihn und andere Athleten gewesen, berichtet Kohl nun. Die Sache sei zu heiß geworden. Und plötzlich brauchte Kohl eine neue Doping-Station.

Diese wurde schließlich im Haus seines Managers in Steyrermühl in Oberösterreich eingerichtet. Und zwar nach allen Regeln der Kunst. M. organisierte sogar eine Blut-Zentrifuge. Ein befreundeter Arzt instruierte den Manager und schon konnte wieder in aller Ruhe Blutdoping stattfinden.

Freilich ist derlei medizinisches Equipment teuer. Zu teuer für einen Profisportler alleine. Man habe das Gerät mit drei anderen Sportlern finanziert, erzählt Kohl. „Ich habe dafür 20.000 Euro bezahlt.“ Manager M. habe nichts beigesteuert, der habe besorgt und kassiert.

Dass Kohl bei der Tour de France im Juli positiv getestet worden war, erfuhr er erst im Herbst. „Das Blutdoping hat noch bis September stattgefunden“, sagte Kohl gestern. Zu diesem Zeitpunkt war in Österreich das Anti-Dopinggesetz gerade einmal ein Monat in Kraft. Ex-Manager M. droht deshalb nun eine Haftstrafe.

Und Bernhard Kohl? Will er wieder in den Profi-Radsport? „Das kann ich derzeit nicht beantworten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2009)

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