Auf den WM-Baustellen in Katar sollen, Berichten zufolge, schon hunderte Gastarbeiter ihr Leben verloren haben. Die weltweit negativen Schlagzeilen haben dem Gastgeber zugesetzt, auf Baustellen sind Medien längst nicht mehr willkommen.
Nachhaltigkeit. Ein gewichtiges Wort in der Welt des Sports. Jene Nachhaltigkeit wird immer dann gefordert und zugleich bemängelt, wenn riesige Stadien und protzige Hallen für Großereignisse aller Art errichtet werden. Kaum eine der jüngsten Gastgebernationen von Fußballweltmeisterschaften hat den Gedanken der Nachhaltigkeit in den Vordergrund gerückt.
Südafrika (2010) und Brasilien (2014) haben für die gewaltigen Bauten nach dem Schlusspfiff nur bedingt Verwendung, Deutschland (2006) stellt eine Ausnahme dar. 2022 werden wieder Fragen in Bezug auf die Nachhaltigkeit gestellt werden. Dann trifft sich die Fußballwelt in Katar, einem Land, in etwa so groß wie Oberösterreich. Man stelle sich vor, in und rund um Linz stünden zwölf Stadien. Bereit, 40.000 bis 80.000 Zuschauer zu fassen. Die Antwort auf die Frage nach der Nachhaltigkeit kann schon sieben Jahre vor dem ersten Torschuss gegeben werden. Sie fällt ernüchternd aus.
Eine der Arenen in Katar entsteht derzeit in al-Wakrah, rund 20 Kilometer südlich der Hauptstadt Doha. Schon von mehreren hundert Metern Entfernung ist die gigantische Baustelle aus dem Taxi zu erspähen. Kräne prägen das Bild. In den vergangenen Monaten wurde viel über die Gegebenheiten auf den WM-Baustellen geschrieben. Es wurden unmenschliche Arbeitsbedingungen kritisiert und tote Bauarbeiter beklagt.
Die Arbeit in Katar wird nicht von Kataris erledigt. Auf den Baustellen tummeln sich Inder, Nepalesen und andere Asiaten. Etwa 900 Katar-Riyal, umgerechnet knapp 220 Euro, verdient ein Arbeiter durchschnittlich monatlich. Ausländische Arbeiter sind in Katar praktisch rechtlos. Viele müssen bei der Einreise ihre Pässe abgeben, wodurch sie das Land nicht mehr verlassen können. Löhne werden oftmals zurückgehalten oder nur teilweise ausbezahlt. Auch Bilder von den Unterkünften der Arbeiter sind um die Welt gegangen, sie leben auf kleinstem Raum samt sanitären Einrichtungen in zweifelhaftem Zustand.
Von diesen Unterkünften ist in al-Wakrah nichts zu sehen, selbst Handwerker sind nur aus der Entfernung zu erspähen. Die Baustelle ist großräumig abgesperrt, die einzige Zufahrt wird von einem Security-Mitarbeiter bewacht. Katar hat genug von der schlechten Publicity, man ist aufgrund der Vergangenheit vorsichtiger geworden. Die Wahrheit über die Baustellen liegt hinter meterhohen Wänden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)