Radsport: Astana als Härtefall für die Glaubwürdigkeit

(c) APA/EPA/KIM LUDBROOK
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Dem kasachischen Team Astana droht der Lizenzentzug. Fünf positive Tests 2014 und neue Ermittlungsergebnisse befeuerten den Dopingverdacht.

Astana/Wien. Es war eine überraschende Wende, die der Radsport-Weltverband UCI einschlug, als er sich am Freitag für den Lizenzentzug des Astana-Radteams aussprach. Seit Jahren begleiten Dopinggerüchte die von Olympiasieger Alexander Winokurow, 2007 in Frankreich selbst des Blutdopings überführt, betreute Mannschaft aus Kasachstan rund um Tour-Sieger Vincenzo Nibali. Die UCI begründete den Schritt mit der Auswertung der Untersuchungen des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Lausanne, das sich intensiv mit der Anti-Doping-Kultur, den Policen sowie den Strukturen und dem Management Astanas beschäftigt hat.

Die sorgfältige Prüfung der Ergebnisse habe zwingende Indizien für die Empfehlung des Lizenzentzuges geliefert, hieß es in einem Schreiben der UCI. Es habe „große Unterschiede“ zwischen der vom Team proklamierten Anti-Doping-Politik und der Realität vor Ort gegeben, außerdem erhielt der Weltverband nach eigenen Angaben Material von der Staatsanwaltschaft Padua. Demnach sollen die Ermittler herausgefunden haben, dass der Teamchef und Teile seiner Mannschaft Kontakt mit dem auf Lebenszeit gesperrten Dopingarzt Michele Ferrari gehabt hätten. Winokurow bestritt dies als „große Lüge“, doch laut der italienischen Zeitung „La Gazzetta dello Sport“ gibt es entsprechende Fotos aus dem Trainingscamp vom November 2013.

Für Winokurow ist es der zweite Tiefschlag innerhalb kurzer Zeit. Zuletzt beugte sich der 41-Jährige dem großen öffentlichen Druck und trat als Botschafter für die Bewerbung von Almaty für die Olympischen Winterspiele 2022 zurück. Das Organisationsteam hatte den Volkshelden, der Doping bis heute leugnet, bis zuletzt verteidigt. Hinter beiden Projekten steht mit Präsident Nursultan Nasarbajew derselbe Gönner, der bei der Erfüllung seiner Herzensangelegenheiten kaum Grenzen zu kennen scheint.

Keine Berührungsängste

Winokurow wiederum hat keinerlei Berührungsängste mit Personen aus dem Doping-Dunstkreis. Der Russe Dmitri Fofonow, einer der Sportlichen Direktoren, wurde 2008 des Dopings überführt. Ein weiterer, der Italiener Giuseppe Martinelli, war in der Blüte des EPO-Dopings in den 1990er-Jahren der Vertraute des 2004 verstorbenen Marco Pantani, dem Missbrauch nachträglich nachgewiesen wurde. Auf derselben Liste fand sich auch der Name Stefano Zanini, ebenfalls Sportlicher Leiter.

Doch es bleibt nicht beim Blick in die Vergangenheit. Verteilt auf das Elite- und das Nachwuchsteam gab es 2014 gleich fünf Dopingfälle bei Astana. Winokurow tat die Vergehen von Maxim und Valentin Iglinsky sowie der Talente Ilja Dawidenok, Viktor Okischew and Artur Fedossejew aus dem Continental-Team als Einzelfälle ab. Auch der Teamarzt versicherte, er habe „nie irgendetwas Verdächtiges bemerkt“.

Trotz der Auffälligkeiten hatte die UCI Astana im Dezember in zweiter Instanz die Lizenz genehmigt und im Radsportlager für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. „Das zarte Pflänzchen, dass sich im Radsport doch vielleicht etwas zum Positiven ändern kann, wurde zertrampelt“, schimpfte damals der dopinggeständige Ex-Profi Jörg Jaksche. Der Weltverband kam zu dem Schluss, nicht genügend Beweise für systematisches Doping in der Hand zu haben, knüpfte die Lizenzvergabe jedoch an die Auflage eine Untersuchung der Universität Lausanne. Nun liegen die Ergebnisse vor, das letzte Wort hat die Lizenzkommission.

Mit dem Entzug der World-Tour-Lizenz wäre Astana auf Wildcards für die großen Rennen angewiesen. Die dürfte Tour-Chef Christian Prudhomme kaum ausstellen. Schon 2008 war der Rennstall nicht für die große Schleife zugelassen worden. Damals hatte die Entscheidung zur Folge, dass Alberto Contador den Sieg von 2007 nicht verteidigen konnte – ein Schicksal, das nun Nibali droht. (swi)

AUF EINEN BLICK

Das Rad-Team Astana um Tour-Sieger Vincenzo Nibali droht die Lizenz zu verlieren. Aufgrund umfangreicher Ermittlungsergebnisse empfahl der Weltverband den Entzug, die Entscheidung obliegt der Lizenzkommission. Fünf Dopingfälle, zwei im Elite- und drei im Nachwuchsteam, lieferte das Team allein im letzten Jahr. Zudem ist Teammanager Alexander Winokurow selbst überführter Dopingsünder. Auch weitere Personen mit fragwürdiger Vergangenheit stehen beim Rennstall unter Vertrag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2015)

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