Erst der Drahtseilakt, dann die Laufbestzeit

Ski. Marcel Hirscher vermied dank seiner Artistik das Aus im Slalom von Kranjska Gora und wurde noch Sechster. „Hoffentlich hatte meine Mama keinen Herzinfarkt.“

Kranjska Gora. Marcel Hirscher muss nicht gewinnen, um trotzdem ein Gewinner zu sein. Manchmal genügt ihm eine artistische Einlage, dazu ein famoser zweiter Durchgang und ein sechster Platz im Slalom, um Beobachter zu begeistern und seine Gegner im Ski-Weltcup in heillose Verzweiflung zu treiben. Anders kann man die Situation in Kranjska Gora gar nicht schildern.

Mit viel Glück und gehörigem Geschick vermied der Salzburger, 26, am Sonntag im ersten Durchgang einen Ausfall. Im Finish des ersten Durchgangs war die Halterungsplatte des Skischuhbands von der Kante des anderen Skis ausgerissen worden. Andere schieden klanglos aus, er aber schlug im zweiten Durchgang mit Laufbestzeit zurück und landete noch auf Platz sechs. Damit hielt er den Kampf um die Slalomkugel (Felix Neureuther wurde nur Neunter, 55 Punkte Vorsprung) offen und baute vor dem Weltcupfinale in Méribel, Frankreich, seinen Vorsprung auf den Norweger Kjetil Jansrud im Gesamtweltcup auf 164 Zähler aus. Der historische Gewinn der vierten großen Kristallkugel in Serie ist weiter machbar. Übrigens, den Tagessieg feierte am Podkoren der Norweger Henrik Kristoffersen.

Plansoll und Blick voraus

100 Punkte waren das Minimalziel von Hirscher für das Slowenien-Wochenende. Dafür hat er sogar eigens zwei Trainingstage eingelegt, die lange An- und Abreise mit dem Auto in Kauf genommen. Der Aufwand hat sich rentiert, nach Platz zwei im Riesentorlauf am Samstag hatte er 80 Punkte auf dem Konto, Sonntag folgten weitere 40. Jansrud könnte es nun mit Siegen in Abfahrt und Super-G nochmals spannend machen. Ob Hirscher den Super-G bestreitet, wird er kurzfristig entscheiden, die Abfahrt am Donnerstag lässt er „zu 99,9 Prozent aus“. Aus Spaß hätte er das Training vielleicht nützen wollen, doch um sämtliche Kraftreserven zu wahren, ist es eher so, dass Jansrud in den Speed-Rennen nur beobachten wird.

Dass er schnell Ski fahren könne, sei allseits bekannt, Hirscher musste über sein Kunststück schmunzeln. Die Skikante wurde übrigens in der Pause gerichtet, Hirscher schnallte den gleichen Ski im Finale an und fuhr von Platz 19 auf Platz sechs. Er musste damit rechnen, dass Neureuther im Kampf um die kleine Kugel „den Sack zumacht“, nun hat er trotz Fastausfalls elf Punkte aufgeholt. Die RTL-Kugel hat er am Samstag ins Trockene gebracht, auch im Slalom ist die Möglichkeit noch da, das Kristall zum dritten Mal zu holen. „Ich habe alles rausgeholt, jeder Punkt ist unglaublich viel wert. Hoffentlich hatte Mama keinen Herzinfarkt, sie ist immer so aufgeregt, wenn sie mich fahren sieht.“

Fenninger für Finale gerüstet

Anna Fenninger geht hingegen mit klaren Vorteilen ins Weltcupfinale der Skidamen in Méribel. Die Titelverteidigerin aus Salzburg weist im Gesamtweltcup vier Rennen vor Schluss 30Punkte Vorsprung auf ihre slowenische Rivalin, Tina Maze, auf, die zudem mit gesundheitlichen Problemen kämpft.

Für Fenninger ist es in Åre wie am Schnürchen gelaufen. Die 25-Jährige gewann den Riesentorlauf, den Slalom am Samstag ließ sie aus, um Kraft für den Zielsprint zu sparen. „Im Idealfall hätte ich im Slalom 15 Punkte geholt. Da ist es besser, einen Tag mehr Pause zu machen und dann in Méribel vielleicht einmal Erste statt Zweite zu werden. Das sind dann gleich 20Punkte Unterschied. Die Rechnung war also recht einfach“, meinte Fenninger. So war die Salzburgerin am Samstag bereits fast in Méribel, während Maze frustriert aus dem Zielraum in Åre stapfte.

Maze kam in Schweden nicht über die Ränge 20 (RTL) und 16 (Slalom) hinaus. Danach machte sie sich verärgert – ohne Wortspende – auf den Weg in Richtung Frankreich. Erst Mannschaftsarzt Matjaž Turel hatte eine Antwort darauf, warum es bei Maze nicht nach Wunsch gelaufen ist. „Es sprechen alle Symptome dafür, dass sie eine Magengrippe hat...“

Den Sieg im Åre-Slalom feierte Mikaela Shiffrin. Einen Tag nach ihrem 20.Geburtstag setzte die US-Weltmeisterin ihre Siegesserie fort. Nach eher mäßigem Saisonstart ist Shiffrin aktuell in ihrer Paradedisziplin unschlagbar. Sie führt ein Rennen vor Schluss mit 90 Punkten vor der Schwedin Frida Hansdotter.

Für das Weltcupfinale sind jeweils die Top 25 der Disziplinenwertungen, alle zusätzlichen Athleten mit zumindest 500 Punkten sowie die Gewinnerinnen und Gewinner der Juniorenweltmeisterschaften in der jeweiligen Disziplin qualifiziert. Beim Finale erhalten nicht wie gewohnt die Top 30, sondern nur die Top 15 Punkte. (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2015)

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