Delle Karth/Resch segeln mit Rückenwind durch Olympia-Strudel

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Das vorolympische Jahr hat für das Segel-Duo Nico Delle Karth und Niko Resch perfekt begonnen. In Rio wollen sie sich 2016 den Medaillentraum erfüllen.

Das große Ziel haben Nico Delle Karth und Niko Resch bereits länger vor Augen: Eine Medaille bei Olympischen Spielen. Athen, Peking, London und nun 2016 in Rio; zum vierten Mal startet das Segel-Duo im kommenden Jahr im Zeichen der Fünf Ringe. Ist die Qualifikation 2004 für Athen noch überraschend gekommen, sind die beiden inzwischen längst in die Weltspitze aufgestiegen und zählen in Brasilien erneut zu Österreichs heißesten Medaillenkandidaten. Das Olympia-Ticket haben sie als WM-Vierte im Vorjahr gelöst, mangels heimischer Konkurrenz in der 49er-Klasse ist ihnen der Startplatz vor der Traumkulisse mit Jesus-Statue und Zuckerhut sicher.

Training, Logistik, Finanzen – Delle Karth/Resch kennen die Herausforderungen der Olympia-Vorbereitung nur zu gut. Umso wichtiger war es, gleich zu Jahresbeginn die Bestätigung für den eingeschlagenen Weg zu bekommen. Ende Jänner segelten sie im Weltcupbewerb vor Miami zum Sieg und qualifizierten sich damit auch für das Finale in Abu Dhabi. „Das ist für die Ruhe in der weiteren Saison natürlich Goldes wert“, erzählt Steuermann Delle Karth der „Presse am Sonntag“. „Bei dieser starken Besetzung zu gewinnen hat uns viel Selbstvertrauen gegeben und einiges an Last genommen.“ Ab Montag segelt das Duo vor Hyères um den nächsten Erfolg.


Ewiges Duo. Seit 1999 teilen sich die Nic(k)os ein Boot, auch für die Segelszene eine Kontinuität mit Seltenheitswert. Was einst mangels Alternativen als Zweckgemeinschaft im Optimisten begonnen hat, ist im Lauf der Jahre im 49er zu einer echten Freundschaft geworden. „Man muss einfach offen, ehrlich und vertrauensvoll miteinander umgehen“, erklärt der 31-Jährige das Erfolgsrezept, mit dem sie 2007 Vizeweltmeister geworden und 2010 bis auf Platz eins der Weltrangliste vorgestoßen sind. Bei allein gut 200 gemeinsamen Tagen auf dem Wasser pro Jahr sind Reibereien und Streitereien dennoch unvermeidbar. „Aber das gemeinsame Ziel und die Freude am Segeln hat uns zusammengeschweißt und immer wieder zusammengebracht.“ So auch nach der Blech-Enttäuschung in London, als sie sich nach neunmonatiger Auszeit – Delle Karth versuchte sich im Offshore-Segeln, Resch begann ein Studium – noch einmal für eine gemeinsame Olympia-Kampagne motivierten.

Den undankbaren vierten Platz von London hat Delle Karth abgehakt. „In zwei von drei Runden hatten wir die Medaille in der Tasche, das sind eben die Geschichten, die der Sport schreibt“, erinnert er sich an den unbelohnten Sieg im abschließenden Medal Race. Schwerer als das Resultat wiegt für ihn heute die Art der Berichterstattung über die zweiten medaillenlosen Spiele nach Tokio 1964. „Wir waren noch mitten im Medaillenkampf, als schon auf die Olympia-Touristen hingehauen wurde. Da kommt man sich ehrlich gesagt schon ein bisschen verarscht vor. Ich möchte sehen, wie viele Touristen bei Olympia vorn mitsegeln.“

Am besonderen Stellenwert der Olympischen Spiele hat freilich selbst diese Erfahrung für Delle Karth nichts geändert. Glanz und Faszination sind auch bei der vierten Teilnahme ungebrochen. „Das sind Momente, die man nie vergisst. Es ist ein ganz besonderes Flair mit Emotionen, die man sonst nicht erlebt“, sagt der Sohn von Bobfahrer Werner Delle Karth, der deshalb in Rio unbedingt an Eröffnungs- und Abschlussfeier teilnehmen will. Nur der Gesamtfokus habe sich im Lauf der Jahre etwas verschoben. „Beim ersten Mal in Athen war es ein einziges Wow-Erlebnis, jetzt geht es schon viel mehr um den Wettkampf, auf den man sich lang vorbereitet hat und den man erfolgreich bestreiten will.“ Das Ziel für Rio ist die Medaille, auf eine Farbe will sich Delle Karth aber nicht festlegen. „Im Segeln kann es immer schnell gehen“, sagt er. „Aber klar ist auch: Wenn wir die Chance haben, wollen wir natürlich Gold.“


Die Tücken der Kläranlage. Der nächste wichtige Schritt auf dem Weg dorthin ist der Brasilien-Trip im Juli. Dabei wollen Delle Karth/Resch so weit wie möglich den Ernstfall im kommenden Jahr simulieren. „Wir testen, wie wir den Jetlag verkraften oder wie lang wir im Vorhinein dort sein können, bevor Lagerkoller aufkommt“, berichtet der Tiroler. Nicht nur vonseiten der Athleten, sondern auch des Verbands erfolgt die Vorbereitung so gewissenhaft wie noch nie. Eine Meteorologin, ein America's-Cup-erprobter Messtechniker sowie drei Psychologen sollen dabei helfen, das Segelrevier in all seinen Facetten zu verstehen. Speziell die Bahnen innerhalb der Guanabara-Bucht sind aufgrund der vielen Strömungen besonders tückisch. „Wenn ein Fluss entweder nach links oder rechts fließt, dann ist dort ein Strudel“, versucht sich Delle Karth in einer Erklärung.

Ebenfalls Neuland ist für ihn und seine Kollegen die schlechte Wasserqualität. „China war schon schlimm, aber in Rio willst du nicht einmal deinen Fuß ins Wasser halten“, berichtet er von seinen Erfahrungen: allerlei tote Tiere und Müll, die inmitten eines undurchsichtigen braunen Schmutzfilms herumschwimmen. „Eine Kläranlage hat ungefähr die gleiche Wasserqualität“, schätzt Delle Karth, der den gebetsmühlenartigen Versprechungen der Behörden zur Besserung keinen Glauben mehr schenkt.


Kraft der Natur fasziniert. Seiner inzwischen jahrzehntelangen Begeisterung für das Segeln tun aber selbst derartige Umstände keinen Abbruch. „Das Schöne ist, sich lautlos fortzubewegen, durch die Kraft der Natur, ganz ohne Motor“, erklärt Delle Karth, den vor allem die vielen unberechenbaren Komponenten faszinieren. „Die Komplexität, dass hunderttausende Faktoren zusammenpassen müssen, damit du deine Leistung bringst, ist eine total interessante Aufgabe und lässt es nie fad werden.“ Geld verdienen kann er mit seinem Sport trotz allem nicht. „Wir sind finanziell so gut aufgestellt wie noch nie, aber sparen oder eine Familie ernähren ist nicht drin.“

Pläne für die Zukunft nach Rio gibt es noch nicht, Delle Karth/Resch werden es auch diesmal wie bei den vergangenen drei Olympia-Auflagen halten. „Wir setzen uns nach den Spielen zusammen und schauen, wie es weitergeht.“ Zuvor aber gilt es ohnehin erst einmal, im olympischen Strudel den Kurs auf die Medaille zu finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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