Dean Potter: Der letzte Flug des Outdoor-Künstlers

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Dean Potter gehörte in mehreren Spielarten des Extremsports zur Weltspitze. Er verschob die Grenzen des Möglichen und ignorierte dafür die Regeln. Nun ist er bei einem Wingsuit-Flug in seiner Heimat verunglückt.

Yosemite. „Wenn du weißt, dass du tot bist, wenn du einen Fehler machst, führt das zu einer super-intensiven Wahrnehmung. Man gibt sich so viel Mühe wie nie zuvor im Leben.“ Die Lebensgefahr war der Lebensinhalt von Dean Potter, und diese Leidenschaft wurde dem Amerikaner zum Verhängnis. Der 43-Jährige verstarb am Wochenende mit Graham Hunt bei einem gemeinsamen Wingsuit-Flug im Yosemite-Nationalpark.

Der Nationalpark im Bundesstaat Kalifornien war Potters Heimat und meist Schauplatz seiner Aktionen, mit denen er zwei Jahrzehnte lang den Extremsport prägte. Sein Alleinstellungsmerkmal war seine Vielseitigkeit. Er gehörte zur Weltklasse im Free-Solo-Klettern, Slacklining, Base-Jumping und dem Wingsuit-Fliegen, dem Fliegen in einem Anzug mit Tragflächen.

In den 1990er-Jahren begann er die klassischen Routen im Yosemite in Rekordzeit zu klettern, noch in diesem Monat stellte er am markanten Half Dome einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf. Der deutsche Extrembergsteiger Alexander Huber nannte ihn einen der einflussreichsten Kletterer. Er selbst bezeichnete sich als Outdoor-Künstler und betonte immer wieder, wie wichtig die Verbindung zur Natur sei, die er bei seinen Abenteuern verspüre. Potter vollführte – ungesichert – atemraubende Hochseilakte auf der Slackline und verband das Free-Solo-Klettern, also das Klettern ohne Sicherung, mit dem Base-Jumping.

Free Base war seine Erfindung, er kletterte an der Eiger-Nordwand, stürzte ab und überlebte nur, weil er mit einem Fallschirm „gesichert“ war. Weil seine Aktionen immer waghalsiger wurden, zog sich ein Energieriegelproduzent als sein Sponsor zurück.

Potters erste Kindheitserinnerung war ein Traum, in dem er durch die Luft fliegt – und abstürzt. Später fragte er sich, ob dieser Traum eine Prophezeiung sei. „Es ist verrückt, mit einem menschlichen Körper fliegen zu wollen. Aber jeder besitzt diesen Traum – warum ihn also nicht verfolgen?“, meinte Potter, der unter anderem den Rekord für den längsten Wingsuit-Flug (2:50 Minuten, 6,5 Kilometer) hielt. Der Amerikaner war auch einer der großen YouTube-Stars, einer jener Extremsportler, die sich nicht über Wettkämpfe definieren, ohne Trainer und Verbände auskommen und wegen ihre Videos dennoch weltweit gefeierte Sportstars sind. Potters bekanntestes Video zeigt ihn bei einem Base-Jump mit seinem Hund auf den Rücken. Tierschützer waren nicht begeistert.

Aber Potter machte seine eigenen Regeln: Er bestieg trotz eines Kletterverbots die brüchige Felsstruktur des Delicate Arch in Utah, eines spektakulären Steinbogens. Auch sein tödlicher Wingsuit-Flug hätte nicht stattfinden dürfen, im Yosemite-Nationalpark herrscht ein Verbot. Potter prallte offenbar gegen einen Felsen. Er hinterlässt seine Lebensgefährtin, drei Kinder und einen Flughund. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2015)

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