Rudern: Im Gleichschlag zum großen Olympia-Traum

Bernhard und Paul Sieber
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Bernhard und Paul Sieber träumen von einer olympischen Medaille 2016 in Rio. Die Gegenwart aber heißt EM in Posen.

Vieles im Leben ist eine Frage der Perspektive. Jahrelang begleitete Bernhard und Paul Sieber auf dem Weg zum Rudertraining der Wunsch nach möglichst ruhigem Wasser, inzwischen hat sich das Negative ins Positive gewandelt, ist es der Wind, der Freude hervorruft. Schließlich herrscht auch in der Laguna de Freitas zumeist starker Seitenwind und ebendort will sich das Brüderpaar im August 2016 den großen Traum erfüllen: eine Medaille bei den Olympischen Spielen in Rio.

Die vorentscheidende Hürde auf dem Weg nach Brasilien erwartet die Siebers im Leichtgewicht-Zweier wie alle anderen österreichischen Ruderboote Anfang September, wenn bei der WM im französischen Aiguebelette die Startplätze für Rio vergeben werden. „Bis dahin ist jeder Wettkampf eine Prüfung, die dir eine Standortbestimmung gibt, anhand der du dich weiter verbessern kannst“, erklärt Paul, mit 22 Jahren der jüngere der beiden. Die EM dieser Tage in Posen ist für ihn „eine großen Prüfung, aber nicht die Diplomarbeit“. Über den Umweg Relegationslauf schafften die Siebers den Sprung ins heutige Semifinale.

Die Verlockung des Sixpack

Die Faszination für Wasser liegt angesichts von Onkel und Surf-Olympiasieger Christoph Sieber (2000) in der Familie, doch es war die Aussicht auf einen durchtrainierten Körper, die Bernhard zu Schulzeiten einst ins Ruderboot lockte. Bald darauf eiferte ihm der zweieinhalb Jahre jüngere Paul nach. Das eher langweilige Image der klassischen Sportart können sie nicht nachvollziehen. „Bei uns geht es extrem zu. Ich lade jeden ein, einmal sechs Minuten am Ergometer Vollgas zu geben“, sagt Bernhard.
Seit drei Jahren sitzen die Siebers nun gemeinsam im Boot und legten einen steilen Aufstieg hin: 2012 krönten sie sich zu U23-Weltmeistern und schrammten nur knapp an einem Olympia-Platz für London vorbei, 2013 folgte Gold bei der Universiade. Erst im vergangenen Jahr wurde der Lauf gebremst, sowohl bei EM als auch WM das A-Finale verpasst. Mit ein Grund dafür war der Wechsel zu Nationaltrainer Carsten Hassing. „Vielleicht war das der Arschtritt, den wir gebraucht haben“, meint Paul, und Bruder Bernhard ergänzt: „Es hat seine Zeit gebraucht, sich an das neue Umfeld zu gewöhnen. Aber wir wissen, wie es ist, oben zu stehen und wollen da wieder hin. Natürlich wissen wir, dass der Weg schwieriger geworden ist.“

Dass die vorolympische Saison in Sachen Intensität und Aggressivität ein völlig neues Level an Herausforderung bedeutet, haben die Siebers bereits beim Weltcupauftakt in Bled festgestellt, den sie auf Platz vier beendeten. „Die Konkurrenz ist viel härter, alle gehen ans Limit. Es herrscht geballter Druck – ein geiles Gefühl“, sagt Paul.

Im Boot gibt es keine Brüder

Angesichts des intensiven Programms müssen die Studien der beiden Heeressportler vorerst einmal hinten anstehen. Schließlich gilt es nicht nur den perfekten Schlag, sondern auch die im Zweier so wichtige Abstimmung zu finden. „Das Ziel ist, immer im Hier und Jetzt zu sein und weder daran zu denken, was beim letzten Schlag war oder beim nächsten sein könnte“, erklärt Bernhard, der im Boot die Kommandos gibt. Als Geschwister kennen sie sich besonders gut, umso wichtiger sei es, die privaten Rollenbilder für den Sport aufzubrechen. „Im Boot bin ich nicht der kleine Bruder, sondern der Bugmann“, erklärt Paul.

In ihrer Freizeit versuchen sie sich im Gitarrespielen (Bernhard), Meditieren (Paul) oder auch gern als Köche. „Meist weiß ich am Anfang aber noch nicht, was am Ende rauskommt“, erzählt Bernhard. Ganz anders als im Ruderboot, denn da haben er und Paul ein klares Ziel vor Augen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.5.2015)

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