Sportpolitik: Fußballdiplomatie in Havanna

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Amerikas Annäherung an Kuba wird intensiver, vor allem im Sport findet man viele Berührungspunkte. Basketball, Baseball oder Fußball verbinden – und Stars wie Pelé vermitteln.

Havanna. So heiß oder stickig kann es auf den Straßen Havannas gar nicht sein, dass nicht in irgendeiner Seitengasse Fußball gespielt wird. Ja, Fußball. Kinder laufen schreiend dem Ball hinterher, passen, schießen. Touristen jedenfalls sind nicht schlecht beraten, wenn sie aufpassen. Nicht jeder Ball findet sein eigentliches Ziel . . .

Dieser Tage dreht sich auf der Karibikinsel wieder einmal alles um Sport. Diesmal stehen nicht legendäre Boxkämpfe von Teofilo Stevenson oder Baseballthriller im Mittelpunkt, es ist der Fußball. Erstmals seit 1978 besucht mit New York Cosmos ein US-Profiteam das sozialistische Kuba. Sogar Weltstars wie Pelé oder Raúl reisten im Tross aus New York mit an und sorgten für Aufsehen. Es ging freilich nicht nur um das Spiel, das Ergebnis der Partie von Kubas Nationalteam gegen den Zweitligaklub war sekundär. Nein, wieder einmal sollte der Sport eine Brücke für die sich annähernde Politik zwischen Washington und Havanna bauen.

Bei dem historischen Kick leistete Cosmos beste Vorarbeit für Barack Obama. Beide Staaten waren sich jahrzehntelang feind, nachdem Kuba im Zuge der Revolution von 1959 US-Unternehmer enteignete. Nicht nur die bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen kamen infolge der späteren Kuba-Krise ab 1961 zum Erliegen.

„Ausverkauf“ oder Segen?

Der Sport blieb bis dato ein ideologisches Schlachtfeld. Trotz mittlerweile gelockerter Reiserestriktionen setzen sich weiterhin kubanische Spitzensportler ab. Allen voran Amateurbaseballer und boxer, die von der großen Karriere in Amerika träumen. Nicht jeder erreicht das Ziel, das sozialistische Regime beschuldigt den Nachbarn zudem der gezielten Abwerbung. Aktuell sorgen zwei Volleyballer, die in den USA um Asyl ansuchen, für „Überraschung und Empörung“ unter ihren Genossen. Das Handels- und Finanzembargo verlangt aber, dass Kubaner nicht in den USA spielen dürfen, ohne geflohen zu sein und die Wurzeln zur Insel gekappt zu haben. Präsident Raúl Castro erlaubte seinen Landsleuten 2013 zwar, dass sie zu ausländischen Teams wechseln dürfen: zu jenen in Kanada, Japan und Mexiko – aber zu keinem im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“.

Das soll sich nach der Mitte Dezember verkündeten Neuaufnahme der diplomatischen Beziehungen rasch ändern. Wie einst bei der „Pingpongdiplomatie“ – 1971 lud Mao Zedong das US-Tischtennisteam zur „PR-Tour“ nach China ein – werden nun munter neue Freund- und Seilschaften geknüpft. Deshalb halten seitdem abwechselnd US-Basketballer, -Baseballer oder jetzt die Fußballer Hof in Havanna. Die Verhandlungen über die Eröffnung regulärer Botschaften stehen vor einem Abschluss, und US-Unternehmer stehen ohnehin längst Schlange bei lokalen (Hotel-)Partnern. Aber auch US-Profiligen harren Obamas „Startsignals“. Für Sportler ist es ein Segen, für systemtreue Nostalgiker ein Fluch. Sie wittern Kubas „Ausverkauf“. Die einstigen Klassenfeinde lassen sich ihre Sportfeste nicht ausreden.

Hilfe von TV – und Blatter!

Kuba ist für Washington nicht länger ein Staat, der Terrorismus unterstützt; der Fußballklub Cosmos kam ohnehin „in Frieden“, wie Klubsprecher Jill Francisco plakativ-plump vor der Abreise gesagt hatte. Kubas Liebe zum Fußball wurzelt in einer erstaunlichen Errungenschaft. Fußball gibt es seit drei Jahren in Form von deutscher und spanischer Bundesliga zu sehen – live im Staats-TV. Dass das Nationalteam auf Rang 109 des Weltverbands herumdümpelt, stört auf der Insel niemanden mehr, im Gegenteil. Seit Sepp Blatters Wiederwahl weiß ganz Kuba, dass die Fifa 209 Mitglieder zählt, also der eigene Fußball gar nicht so schlecht ist. Wer sagt, dass Blatters „Entwicklungsprojekte“ mit Korruption verbunden sein müssen? (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)

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