Radsport: Traumdestination Frankreich

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Drei Österreicher geben heuer bei der Tour de France ihr Debüt. Für Marco Haller ist es die erste große Rundfahrt: »Ein Sprung ins kalte Wasser.«

Die Fieberkurve aller Radsportfans steigt langsam ihrem Höhepunkt entgegen, denn mit der Tour de France wartet ab kommenden Samstag das Highlight des Jahres. Le Grand Départ, der Start zur 102. Auflage, steigt heuer in Utrecht, 3360 Kilometer sind in 21 Etappen bis 26. Juli ins Ziel in Paris zurückzulegen. Experten gehen von einem Vierkampf um das Gelbe Trikot aus, der Favoritenkreis umfasst mit Titelverteidiger Vincenzo Nibali (Astana), Chris Froome (Sky), Alberto Contador (Tinkoff-Saxo) und Nairo Quintana (Movistar) die üblichen Namen.

22 Teams gehen an den Start, mit dem südafrikanischen Rennstall MTN Qhubeka auf Einladung erstmals einer aus Afrika. Mit dabei sind auch mindestens drei Österreicher, das gab es zuletzt 2010: Matthias Brändle (IAM), Georg Preidler (Giant-Alpecin) und Marco Haller (Katjuscha) geben heuer ihr Tour-Debüt. Letzterer bestreitet in Frankreich sogar seine allererste dreiwöchige Rundfahrt. „Davon träume ich seit Jahren. Wenn man mit dem Radsport anfängt, ist die Tour das Rennen, bei dem man irgendwann einmal dabei sein will. Dass ich es jetzt geschafft habe, ist eine Riesengeschichte“, sagte der 24-Jährige der „Presse am Sonntag“. Einem rot-weiß-roten Evergreen droht hingegen die Zuschauerrolle: Bernhard Eisels elfte Tour-Teilnahme gilt als unwahrscheinlich, Sky gibt den Kader am Montag bekannt.


Neues Streckenkonzept. Die Präsentation der Streckenführung im vergangenen Oktober hatte durchaus Überraschungen parat. „Unser Ziel war es, mit den Traditionen zu brechen“, meinte Tour-Direktor Christian Prudhomme damals. „Zeitfahren, Hochgebirge, Flachetappen – alles gibt es weiterhin, aber nicht mehr in den gewohnten Proportionen.“ Angesichts eines einzigen, nur 14 Kilometer langen Einzelkampfes gegen die Uhr gleich zum Auftakt sind Zeitfahrspezialisten heuer jedoch im Nachteil. Die mit 223 Kilometern vierte und längste Etappe wartet mit sieben der gefürchteten Kopfsteinpassagen auf. In der zweiten Woche geht es in die Pyrenäen, nach dem zweiten Ruhetag sollen vier aufeinanderfolgende Alpen-Etappen für Spannung bis zum Schluss sorgen: 24 Stunden vor der Zielankunft gilt es noch die 21 Kehren hinauf zur legendären L'Alpe d'Huez zu bewältigen.

Ein Programm, das Debütant Haller durchaus Respekt abverlangt. „Ohne Abtasten bei Giro oder Vuelta ist das ein Sprung direkt ins kalte Wasser. Die Tour hat nicht umsonst den Ruf als bestes und härtestes Radrennen der Welt. Aber das Team sieht mich bereit für die Aufgabe, und ich traue es mir auch zu“, sagte der seit 2012 für Katjuscha fahrende Kärntner. „Ich versuche das möglichst relaxt als ganz normales Rennen zu sehen. Aber sollte ich vorzeitig abreisen müssen, wird die Welt auch nicht untergehen.“ Die Zielsetzung ist klar: Er soll Katjuscha-Sprintstar Alexander Kristoff bei Etappensiegen und im Optimalfall dem Gewinn des Grünen Trikots helfen.

Dass das norwegisch-österreichische Gespann funktioniert, belegen Kristoffs 18 Tagessiege, womit er der erfolgreichste Fahrer dieses Jahres ist. „Das Team wäre blöd gewesen, diese Kombination aufzubrechen“, erklärte Haller, der sich auch privat bestens mit dem Teamkollegen versteht. „Das ist sicher ein Teil des Erfolges, weil man sich für einen guten Freund noch einmal mehr den Hintern aufreißt. Wenn er gewinnt, fühlt sich das absolut so an, als würde ich gewinnen.“ Den Geschmack des eigenen Sieges hat Haller mit Etappenerfolgen bei der Tour of Beijing (2012), der Österreich-Rundfahrt (2014) und nicht zuletzt dem Gesamtsieg bei der diesjährigen Fjord-Rundfahrt bereits gekostet, die Helferrolle ist für ihn dennoch kein Problem. „Auch wenn es für viele nicht ersichtlich ist, für mich ist Radsport ein Mannschaftssport. Im Fußball kann man auch nicht mit elf Stürmern spielen.“


Neue Generation. Weitere österreichische Tagessiege hält Haller in der Zukunft für realistisch, schließlich steht er mit 24 Jahren wie Brändle und Preidler (beide 25) noch „vor der Blüte unserer Radfahrerjahre“. Mit Stefan Denifl (IAM), Riccardo Zoidl (Trek) und Eisel sind insgesamt sechs heimische Profis bei World-Tour-Teams engagiert. „Der österreichische Radsport ist definitiv auf dem richtigen Weg. Ich hoffe, dass auch die Öffentlichkeit wahrnimmt, dass da eine neue Generation am Vormarsch ist“, meinte Haller.

Zum leidigen Thema Doping findet Haller klare Worte. „Überall, wo es um Geld geht, werden Menschen versuchen zu betrügen. Da bleibt der Radsport nicht verschont. Aber es tut weh, wenn man einfach alle in einen Topf wirft“, wollte er sich keiner Illusion hingeben, appellierte aber zugleich: „Ich weiß nicht, was ich noch machen könnte. Wir sind schon total gläserne Athleten. Ich kann nur sagen, dass ich sauber bin und alles Mögliche tue, um unsere Ehrlichkeit zu beweisen.“

Grande Boucle

Die 102. Tour de France beginnt kommenden Samstag mit einem Zeitfahren im niederländischen Utrecht. Bis ins Ziel am 26. Juli in Paris sind 3360 Kilometer in 21 Etappen, gespickt mit Kopfsteinpflaster, Pyrenäen und Alpen, zu absolvieren. 22 Teams gehen an den Start: Mit Marco Haller, Matthias Brändle und Georg Preidler auch drei Österreicher.

Österreichs Debütanten

Marco Haller
24, Katjuscha. Noch keine Grand-Tour-Teilnahme. Etappensieg bei Tour of Beijing (2012), Österreich-Rundfahrt (2014) und Gesamtsieg der Fjord-Rundfahrt (2015).

Matthias Brändle
25, IAM. Stellte im Vorjahr mit 51,852 Kilometern den damaligen Stundenweltrekord auf. Zwei Giro-, eine Vuelta-Teilnahme. Etappensiege bei Tour of Britain (2014), Tour of Oman (2015) und Gesamtsieg Berner Rundfahrt (2014).

Georg Preidler
25, Giant-Alpecin. Eine Giro-, eine Vuelta-Teilnahme. Sieg der Bergwertung bei Österreich-Rundfahrt (2012) und Étoile de Bessèges (2013).
Tim De Waele/Team Katusha, EPA, CorVos/Team Giant-Alpecin

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2015)

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